Carolee Schneemann
Carolee Schneemann (* 12. Oktober 1939 in Fox Chase, Pennsylvania) ist eine US-amerikanische Künstlerin, die durch Beiträge zum gesellschaftlichen Diskurs über Körperlichkeit, Sexualität und Geschlechterrollen international bekannt wurde. Besonders in den 1960er und 1970er Jahren trugen Happenings und Performances, in denen sie verschiedene Medien mit Körper, Bewegung, Sprache und Text kombinierte, zur Weiterentwicklung der Aktionskünste bei. Das umfangreiche Werk besteht aus Malerei, Collagen, Assemblagen, Skulpturen, Installationskunst, Drucken und Künstlerbüchern, Fotografie, Filmkunst und Videokunst. Ausgestellt, vorgeführt und gesammelt wird es in Institutionen wie dem Museum of Contemporary Art (MOCA), dem Museum of Modern Art (MoMA), dem Centre Georges Pompidou und dem National Film Theatre London.[1] Es steht in Zusammenhang mit Neo-Dada, Beat Generation und Fluxus.[2]
Carolee Schneemann lehrte am California Institute of the Arts, der School of the Art Institute of Chicago, dem Hunter College und der Rutgers University.[1]
Biografisches
Carolee Schneemann erhielt ein Vollstipendium für das New Yorker Bard College[3] und war die erste Frau der Familie, die ein College besuchte. Ihr Vater, ein Landarzt, riet ihr von künstlerischer Ausbildung ab.[3] Während sie am College Selbstportraits als Akt malte und Aktmodell für ihren Freund war, setzte sie sich mit Unterschieden in der männlichen und weiblichen Wahrnehmung des Körpers des jeweils Anderen auseinander.[4] Nach dem Bachelor of Arts (B.A.) des College erhielt sie ein weiteres Stipendium für die Columbia University und begegnete dem Musiker James Tenney.[3] Ihre erste Erfahrung mit Experimentalfilm machte sie über Stan Brakhage, der mit ihr und Tenney befreundet war.[3] An der University of Illinois studierte Schneemann in den späten 1950er Jahren Malerei und graduierte als Master of Fine Arts (M.F.A.).[5]
Oevre
Frühwerk
Carolee Schneemann begann ihre Karriere als Malerin in den späten 1950ern.[2] Sie berichtet, dass die Künstlerinnen dieser Zeit kein Körperbewusstsein hatten und dass die Stimmung unter den Künstlern misogyn war.[6]
Charakteristika des Neo-Dada kamen über Materialcollagen, die sie mit expressionistischem Pinsel-Gestus verband, in ihre Malerei. Ihre Materialbilder zeigen Texturen, die ähnlich im Werk von Künstlern wie Robert Rauschenberg vorkommen. Außerdem wurden Einflüsse von Künstlern wie dem spätimpressionistischen Paul Cézanne und Themen der Malerei des Abstrakten Impressionismus (siehe Informel) integriert.[2][7] Die Künstlerin setzte eher auf Expressivität als auf Anpassung und Eleganz.[2] Anders als feministische Künstlerinnen, die sich von der männlich orientierten Kunstgeschichte distanzierten, beschrieb sie sich selbst immer als Formalistin.[8]
In den frühen 1960ern gründete Schneemann das Kinetic Theater, eine Gruppe experimenteller Tänzer, Musiker, bildender und darstellender Künstler.[2] Durch die Vorarbeiten für A Journey through a Disrupted Landscape kam sie in Kontakt mit Happening. Für dieses Stück lud sie die Mitspieler ein, durch Schlamm zu kriechen, zu klettern und Felsen zu überwinden.[9] Kurz darauf traf sie Allan Kaprow, der neben den Künstlern Red Grooms und Jim Dine eine der Hauptfiguren der Happening-Szene war.[9] Beeinflusst durch Simone de Beauvoir, Antonin Artaud, Wilhelm Reich und Kaprow, zog es Schneemann vom Tafelbild zu neuen Kunstformen.[10]
Als James Tenney eine Anstellung als experimenteller Komponist bei den Bell Laboratories bekam, verließen Schneemann und Tenney 1962 ihren gemeinsamen Wohnsitz in Illinois und gingen nach New York.[10] Durch einen Kollegen von Tenney bei den Bell Laboratories, Billy Klüver, traf Schneemann Claes Oldenburg, Merce Cunningham, John Cage, und Robert Rauschenberg, die sie in die Aktivitäten des Kunstprogramms der Judson Memorial Church einbanden.[10] Dort nahm sie an Arbeiten wie Claes Oldenburgs Store Days (1962) teil. In Robert Morris Site (1964) spielte sie eine lebende Version von Édouard Manets Olympia.[10] Im Gefühl, ihren Körper aus dem Status eines kulturellen Besitzgutes zu befreien und ihn sich wieder selbst anzueignen, setzte sie ihn nackt in Kunstwerken ein.[10] Schneemann kam in Kontakt mit New Yorker Künstlern, Musikern und Komponisten wie George Brecht, Malcolm Goldstein, Philip Glass, Terry Riley, und Steve Reich und war an der Kunst der Abstrakten Expressionisten dieser Zeit, etwa von Willem de Kooning, interessiert.[11] Trotz ihrer Verbindungen in der Kunstszene stießen Schneemans bildliche Konstruktionen bei New Yorker Kunsthändlern kaum auf Interesse.
Die erste Unterstützung für Schneemanns Kunst kam von Dichtern wie Robert Kelly, David Antin, und Paul Blackburn, die einige Texte Schneemanns veröffentlichten.[12] Als ästhetischen Einfluss für sich und James Tenney nennt Schneemann, trotz seiner gelegentlich sexistischen Kommentare, den Dichter Charles Olson wegen seines Interesses für tiefempfundene Bildwelten und starke Metaphern, besonders für die Collage Maximus at Gloucester (vgl.[13]).
Assemblagen
Obwohl ihr Werk der 1960er Jahre sich stärker darstellerisch entwickelte, stellte die Künstlerin weiterhin Assemblagen her, wie die durch Joseph Cornell beeinflussten Native Beauties (1962-64), Music Box Music (1964), und Pharaoh’s Daughter (1966).[14] Ihr Letter to Lou Andreas Salome (1965) brachte Carolee Schneemanns philosophische Interessen zum Ausdruck, indem gekritzelte Nietzsche- und Tolstoi-Zitate mit rauschenberg-ähnlichen Formen kombiniert wurden.[14]
Darstellerische Werke
Eye Body 1963
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Schneemann schuf ein mit zerbrochenen Spiegeln, motorisierten Regenschirmen und rhythmischen Farbeinheiten angefülltes „Loft Environment“.[15] Um Teil des Kunstwerks zu werden hüllte sie sich selbst in Materialien wie Fett, Kreide und Plastik. Mit Hilfe des isländischen Künstlers Erró stellte sie 36 „Transformative-Actions“ Fotografien von sich in ihrem konstruierten Environment her.[16] Unter diesen Bildern ist ein frontaler Akt, der auf Schneemanns Torso darüber kriechende Schlangen zeigt. Das Bild erweckte wegen seiner „archaischen Erotik“ und der sichtbaren Klitoris besondere Aufmerksamkeit.[15] Schneemann sagt, sie habe zu der Zeit die symbolische Bedeutung der Schlange in alten Kulturen nicht gekannt, wie etwa die der minoischen Schlangengöttin, und sie erst Jahre später wirklich verstanden.[17]
Bei der öffentlichen Präsentation 1963 wurde die Arbeit von Kunstkritikern als unzüchtig und pornografisch empfunden. Die Künstlerin Valie Export findet Eye Body bemerkenswert wegen der Art wie Schneemann zeigt, „wie zufällige Fragmente ihrer Erinnerung und persönliche Bestandteile ihrer Umgebung ihre Wahrnehmung überlagern.“[18]
Arbeiten wie Eye Body zeigen eine starke weibliche Präsenz, obwohl sie eher als Erkundung von Prozessen der Malerei und von Assemblage gemeint waren, als dass sie feministische Themen ansprechen sollten.
Meat Joy (1964)
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In Meat Joy (Fleischliche Freuden) tanzen und spielen acht leicht bekleidete Darsteller mit Objekten und Substanzen wie rohen Fischen, gerupften Hühnern, Würsten, flüssiger Farbe und Papiermüll.[10] Meat Joy wurde zuerst in Paris aufgeführt und später bei einem Auftritt ihrer Kinetic Theater Gruppe im Kunstprogramm der Judson Memorial Church gefilmt und fotografiert.[2] Schneemann beschreibt das Stück als „erotischen Ritus“ und als entgrenzte dionysische „Feier von Fleisch als Material“.[15][14] Meat Joy ähnelt einem Happening, denn das Stück ist eher eine konzeptuell geleitete Improvisation als ein Konzept das genau abgearbeitet wird.[19]
Fuses (1964–1967)
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In ihrem über mehrere Jahre mit einer 16-mm-Bolex Kamera aufgenommenen Film Fuses, zeigt Schneemann sich und ihren damaligen Freund James Tenney beim Sex.[8] Den Film veränderte sie durch eine Mischung aus Malerei und Collage, direktes Zeichnen auf das Zelluloid, aufgetragene Farben, Flecken und Brandspuren[8] Teile des Films, die für verschiedene Vorführgschwindigkeiten editiert waren, wurden zusammengesetzt. Ihren und Tenneys Körper und ihre sexuellen Aktivitäten überlagerte sie teilweise mit abgefilmten Naturfotografien.[20]
Fuses entstand aus Schneemanns Frage, ob die Beschreibung des eigenen sexuellen Akts einer Frau sich von Pornografie und Klassischer Kunst unterscheidet[21] und als Reaktion auf den Kurzfilm Window Water Baby Moving (1959) von Stan Brakhage.[8] Der Film brach als poetische, doch bildlich ebenso sehr konkrete Dokumentation einer Wassergeburt die damaligen Tabus. Mittlerweile ist der Vorläufer späterer künstlerischer Geburtsfilme leicht im WWW zu finden. Schneemann zeigte ihren Film Fuses in ihrem Bekannten- und Freundeskreis während sie 1965 und 1966 daran arbeitete und erhielt überwiegend positive Kommentare.[8] Dennoch wurde er von vielen Kritikern als „Narzistischer Exhibitionismus“ und als zügellos beschrieben.[8] Besonders bezüglich der Cunnilingus-Szene gab es eine starke Reaktion. Während Fuses als „proto-feministischer“ Film angesehen wird, hält Schneemann ihn für weitgehend von der feministischen Filmgeschichte ignoriert.[8] Der Film kommt ohne die Fetischisierung und Vergegenständlichung des weiblichen Körpers aus, die in männlich orientierter Pornografie oft zu sehen ist.[22] Zwei Jahre nach seiner Fertigstellung gewann der Film den Cannes Film Festival Special Jury Selection Preis.[8] Andy Warhol, den Schneemann bei einem Aufenthalt in The Factory kennengelernt hatte, bemerkte spaßeshalber, sie hätte den Film nach Hollywood bringen sollen.[23] Fuses wurde der erste Teil von Carolee Schneemanns Autobiographical Trilogy.[20] Obwohl dieses Werk, wie auch andere ihrer Arbeiten der 1960er Jahre, in vielen Ideen mit Fluxus übereinstimmten, blieb sie unabhängig von jeder besonderen Gruppe oder Bewegung.[2] Die Arbeiten wurden dennoch zu einer Grundlage der feministischen Kunstbewegung der späten 1960er und der 1970er.[2] Schneemann weist darauf hin, dass für viele Betrachter die formalen und strukturellen Aspekte des Films wegen der gezeigten Sexualität in den Hintergrund treten.[8]
Plumb Line (1968)
Der Film wird von Schneemann später in ihre Autobiographical Trilogy eingeordnet. Er zeigt anfangs das Standbild eines Männergesichts hinter einem Installationsrohr (eng.:plumb line). Das ganze Bild geht in Flammen auf.[20] Bildserien mit dem anfangs gezeigten Mann und Schneemann laufen zu einer verwirrenden Audiokulisse aus Musik, Sirene (Mythologie)n, Katzenlauten und Geräuschen im viergeteilten Filmbild ab.[20] Während Schneemann schließlich von einer Zeit körperlicher und emotionaler Krankheit erzählt, werden Klang und Bilder im Laufe des Films intensiver.[20] Der Film endet mit physischen Angriffen Schneemanns auf eine Serie projizierter Bilder und einer Wiederholung der Eröffnungssequenz des Films.[20]
Interior Scroll (1975)
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Schneemann zeigte die Performance Interior Scroll vor hauptsächlich weiblichem Publikum. In der durch Fluxus beeinflussten Performance setzte sie Text und ihren Körper ein. Sie kam in zwei Tücher gewickelt herein, legte sie ab, hüllte sich wieder in ein Tuch und stieg auf einen langen Tisch, wo sie ankündigte, sie werde aus ihrem Buch „Cezanne, She Was A Great Painter“ lesen (veröffentlicht 1976). Zunächst ließ sie jedoch die Hülle fallen, griff zu einem großen Pinsel und trug dunkelfarbige Striche auf Gesicht und Körper auf. Erst dann las sie aus ihrem Buch und nahm dabei, wie das Modell einer Aktklasse, mehrere „Modellposen“ ein (vgl. Carolee Schneemann, More Than Meat Joy, S.235). Danach ohne Buch und Pinsel, zog sie langsam aus ihrer Vagina einen langen, darin aufgerollten Streifen Papier, von dem sie laut vorlas (vgl.[24]).
Die Performance-Theoretikerin Jeanie Forte bemerkte dazu, dass Schneemanns feministischer „Rollen-Vortrag“ den Anschein erweckte, als würde die Vagina der Künstlerin selbst von Sexismus berichten[25] (Schneemann’s feminist scroll speech, according to performance theorist Jeanie Forte, made it seem as if „Schneemann’s vagina itself is reporting […] sexism“).[26] Der Kunstkritiker Robert C. Morgan stellt fest, dass es zum Verständnis dieser Performance nötig ist, der Zeit Rechnung zu tragen, in der sie entstand. Er legt dar, dass Schneemann durch die Definition der weiblichen Genitalien als Quelle künstlerischer Kreativität den maskulinen Beiklang des Minimalismus und der Konzeptkunst in eine feministische Erkundung ihres Körpers verwandelte.[2] Interior Scroll, zusammen mit Judy Chicagos Dinner Party, waren Wegbereiter für Ideen, die später durch die Off-Broadway Show Vagina-Monologe bekannt wurden.[27]
Kitch’s Last Meal (1978)
Mit Kitch’s Last Meal beendete Schneemann ihre später „Autobiografische Trilogie“ genannte Filmserie.[20] Die Katze „Kitch“ war für fast 20 Jahre eine Hauptfigur in Schneemanns Arbeit. Der Film dokumentiert Routinen des täglichen Lebens: Während die Zeit vergeht, löst sich eine Beziehung auf. Der Tod rückt näher. Die Aufnahmen enden, als die altgewordene Katze stirbt. Im Soundtrack mischen sich persönliche Erinnerungen mit Ton aus dem Haushalt und dem bei Interior Scroll vorgetragenen Text.[28]
Installationen
Cycladic Imprints (1991–93)
Die Multimedia Installation (Kunst) verwendet 17 motorisierte Violinen, 360 Diapositive, 2 Überblendungsregler und 4 synchronisierte Projektoren. Es werden fortlaufend Bilder von kykladischen Skulpturen, Saiteninstrumenten und menschlicher Torsi auf eine wandfüllende Assemblage aus automatisierten Violinen und gemalten sanduhrförmigen Umrissen projiziert. Als 15min Schleife läuft eine Soundcollage von Malcolm Goldstein. Die projizierte Bildwelt besteht aus Staffeln kunsthistorisch bedeutender Repräsentationen des weiblichen Körpers aus Malerei, Bildhauerei und Fotografie. Schneemann erzeugt einen Raum, in dem sie die Geschichte von der weiblichen Nackten als Muse in Frage stellt und eine eigene erotische Formenlehre kreiert (vgl.[29]).
Mortal Coils (1994)
Mit Mortal Coils gedenkt Carolee Schneemann ihrer 15 Freunde und Kollegen, die zwischen 1993 und 1994 verstarben, darunter Charlotte Moorman, Hannah Wilke, John Cage, Derek Jarman und Paul Sharits.[19] Die Installation bestand aus einem rotierenden Mechanismus von dem aufgerollte Seile hingen, während Portraits der Künstler an eine Wand dahinter projiziert wurden.[19]
Terminal Velocity (Dezember 2001)
Terminal Velocity zeigt Menschen, die am 11. September 2001 aus dem World Trade Center in den Tod springen.[30][31] Wie in Dark Pond, einem anderen Werk mit den gleichen Fotografien, versucht die Künstlerin damit, die Opfer der Terroranschläge am 11. September 2001 als Personen erfahrbar zu machen.[32] Sie vergrößerte deshalb die Bilder computergestützt soweit, dass der fallende Mensch als von der Umgebung abgelöste Person wahrgenommen werden kann.[33]
More Wrong Things (2001)
Die Installation „More Wrong Things“ besteht aus Videomonitoren, die in einem Ausstellungsraum von der Decke hängend, auffällig mit Kabeln vernetzt sind. Sie zeigen chaotische Szenen mit verletzten Körpern, Umweltkatastrophen und politischer Anarchie. Beim Verlassen der Installation entdeckt der Besucher wandgroße Projektionen der Künstlerin mit ihrer verstorbenen Katze. Das öffentliche „Andere“ verbindet sich mit dem privaten „Ich“ im Gefühl des Trauers.[34]
Devour (2003–04)
Devour bezieht sich auf den Hochbetrieb der gefräßigen Pseudo-Medien der Gegenwart und die nahezu süchtige Reaktion der Medienkonsumenten. Devour ist, je nach Fassung, eine zwei- oder mehrkanalige Videoprojektion als Installation. Gezeigt werden Szenen ungewisser Gefahr, politischer Katastrophen, jüngster Kriege und häuslicher Intimität in den USA, mit dahinschwindenden, fragilen Elementen im Kontrast zu brutalen, erschütternden und beschleunigenden Bruchstücken. Eine zweikanalige Fassung, 8:40min, ist auf April 2003 datiert.[35][6]
Themen
Gesamtwerk
Das Werk kann als künstlerische Erforschung visueller Traditionen und Tabus charakterisiert werden. Insbesondere geht es um das Verhältnis zwischen dem individuellen Körper und gesellschaftlichen Körpern, nicht nur auf der Ebene der Abbildung. Einer der Schwerpunkte ist der Unterschied zwischen Erotik und Geschlechterpolitik.[2] Ein großer Teil des Oevres wird heute als bedeutend für die feministische Ästhetik angesehen. Wie die Kritik aus feministischer Sicht zeigt, lässt sich das Gesamtwerk jedoch nicht auf einen feministischen Diskurs reduzieren (vgl.[36]). Schneemann ist zwar als Feministin bekannt, ihre Arbeiten erforschen jedoch auf Grundlage breiten kunsthistorischen Wissens künstlerische Themen.[37][38]
Die Professorin für Kunstgeschichte Kristine Stiles behauptet, Schneemanns Œuvre sei der Erforschung von Konzepten der Figur-Grund Beziehung, der Relationalität (Beides durch Einsatz ihres Körpers), und der Ähnlichkeit (durch den Einsatz von Katzen und Bäumen) gewidmet.[39] Gleichzeitig meint sie, in Schneemanns Werk würde eher das Thema Sex und Politik diktieren, wie die Kunst geformt wird, als die dahinter stehenden formalen Konzepte (vgl.[40]).
Kitch, eine Katze der Künstlerin, erscheint in Arbeiten wie Fuses (1967) und Kitch’s Last Meal (1978).[41][42] Kitch hat im Film Fuses die Rolle des „objektiven Beobachters“ für Schneemanns und Tenneys sexuelle Aktivitäten („objective“ observer to her and Tenney's sexual activities, as she stated that she was unaffected by human mores[20]) Sie nimmt künstlerisch auch später Bezug auf Katzen die mit ihr leben. Eine ihrer späteren Katzen, Vesper, spielte eine Rolle in der Fotoserie Infinity Kisses (1986). In der wandgroßen Sammlung von 140 Fotos, dokumentiert Schneemann Küsse mit Vesper.[41]
Malerei
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Schneemann betrachtet ihre fotografischen Arbeiten und ihre körperbezogenen Arbeiten als immer noch aus der Malerei abgeleitet, obwohl sie oberflächlich betrachtet einen anderen Eindruck machen.[43] Sie bezeichtete sich selbst als „Ein Maler der die Leinwand verlassen hat, um den Raum der Gegenwart und die gelebte Zeit anzusprechen“.[44] Sie verweist auf ihre Studien mit Paul Brach, die sie gelehrt hätten „den Pinselstrich als ein Geschehen in der Zeit“ zu begreifen und bei den von ihre eingesetzten Performern an „Farben in drei Dimensionen zu denken“ (vgl.[10]). Schneemann bezieht die in Fuses gestalteten Farben und die Bewegung auf Pinselstriche in der Malerei (vgl.[8]) Auch die Performance Up to and Including Her Limits (1976), in der Schneemann an Seilen hängend durch den Raum schwang und mit Farbstiften auf verschiedene Oberflächen kritzelte, beruft sich auf den gestischen Pinselstrich der Abstrakten Expressionisten[19] Die Künstlerin übertrug Ideen aus ihrer figurativen abstrakten Malerei der 1950er Jahre, in der sie Farbschichten von Bildoberflächen schnitt und zerstörte, in ihr fotografisches Werk Eye Body.[45]
Feminismus und Körper
In Schneemanns Kunst geht es mehr um sexuellen Ausdruck und Emanzipation als um den Hinweis auf das Schikanieren und die Unterdrückung von Frauen.[46] Dem Künstler und Dozenten Johannes Birringer zufolge widersteht Schneemanns Oevre ebenso der Political Correctness, die einige Zweige des Feminismus vertreten, wie Ideologien, die Feministinnen als misogyn betrachten, beispielsweise der Psychoanalyse.[47] Er behauptet zudem, Schneemanns Oevre sei schwer zu analysieren und einzuordnen, weil es Konzepte des Konstruktivismus und der Malerei mit ihrem Körper und ihrer Energie vereine.[47] In ihrem Buch Cézanne, She Was A Great Painter (1976) schreibt Schneemann, dass sie körperliche Nacktheit in ihrer künstlerischen Arbeit einsetzte um Tabus zu brechen, die mit dem bewegten menschlichen Körper zu tun haben, und um zu zeigen, dass „das Leben des Körpers sich verschiedenartiger ausdrückt, als eine Gesellschaft eingestehen kann, die Sexualität gegenüber negativ eingestellt ist“.[48] Sie stellt zudem fest, „In gewissem Sinn machte ich mit meinem Körper ein Geschenk an andere Frauen, indem ich unsere Körper uns selbst zurückgab“.[48]
Einfluss und Wirkung
Soweit Performance eine Grundlage für Schneemanns Werk war, ist es darauf angewiesen, über Fotografien, Videodokumentationen, Zeichnungen und Notizen der Künstlerin rezipiert zu werden (vgl.[2]).
In den 1980er Jahren ist Schneemann der Meinung, dass ihre Arbeit von verschiedenen feministischen Gruppierungen manchmal als nicht ausreichende Antwort auf feministische Themen der Zeit aufgefasst wurde.[6] Erst in den 1990er Jahren wurde langsam anerkannt, dass Schneemanns Werk für feministische Kunst wichtige Arbeiten enthält.[41]
Eine bedeutende Ausstellung war 1996 die nach einer Arbeit von 1973 genannte Retrospektive Up To and Including Her Limits (Bis zu Ihren und einschließlich Ihrer Grenzen).[2] Sie fand im New York City New Museum of Contemporary Art statt (Kurator Dan Cameron).[2] Vorher galten ihre Werke bei Kritikern, Sammlern und Kunstinstitutionen oft als abzulehnende narzisstische oder übertrieben sexualisierte Ausdrucksformen (vgl.[10]).
Der Kritiker Jan Avgikos schrieb 1997, „Vor Schneemann hatte der weibliche Körper in der Kunst keine eigene Stimme. Er funktionierte fast ausschließlich als Spiegel männlicher Lust.“[10]
Ausgewählte Werke
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Ausgewählte Veröffentlichungen
- Cézanne, She Was A Great Painter (1976)
- More Than Meat Joy: Performance Works and Selected Writings (1979, 1997)
- Early and Recent Work (1983)
- Imaging Her Erotics: Essays, Interviews, Projects (2001)
Weblinks
- Internetseite Carolee Schneemann (englisch)
- Vorlage:IMDb Name
- Videos: „Fuses“ und „Meat Joy“
- Carolee Schneemann in der Video Data Bank
- Interview mit Carolee Schneemann (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b Carolee Schneemann. Abgerufen am 20. Oktober 2008 (englisch).
- ↑ a b c d e f g h i j k l m Robert C. Morgan: Carolee Schneemann: The Politics of Eroticism. In: Art Journal. 56. Jahrgang, Nr. 4, S. 97–100, doi:10.2307/777735 (jstor.org).
- ↑ a b c d ND: Imaging Her Erotics: Essays, Interviews, Projects. MIT Press, 2001, ISBN 0-262-69297-X, Interview with ND, S. 113.
- ↑ Linda Montano: Imaging Her Erotics: Essays, Interviews, Projects. MIT Press, 2001, ISBN 0-262-69297-X, Interview with Linda Montano, S. 132–133.
- ↑ name="Getty">[Internetquelle: archiv-url ungültig Inventory of the Carolee Schneemann Papers, 1959-1994.] In: Online Archive of California (OAC). The Getty Research Library, archiviert vom ; abgerufen am 31. Mai 2009 (Biographical Note).
- ↑ a b c R. M. Vaughan: Still crashing borders after all these years; The monstrous and the mundane collide in a massive survey of Carolee Schneemann’s taboo-busting art, 14. April 2007, S. R18
- ↑ Jane Harris: Review / Carolee Schneemann. In: Plexus. 1996, abgerufen am 8. November 2007.
- ↑ a b c d e f g h i j Kate Haug: An Interview with Carolee Schneemann. In: Wide Angle. 20. Jahrgang, Nr. 1, 1998, S. 20–49 (jhu.edu [abgerufen am 3. Februar 2007]).
- ↑ a b ND, p. 114.
- ↑ a b c d e f g h i Amy Newman: An Innovator Who Was the Eros of Her Own Art In: New York Times, 3. Februar 2002. Abgerufen am 1. November 2007
- ↑ ND, p. 116-117.
- ↑ ND, p. 118.
- ↑ Carolee Schneemann Speaks, New England Journal of Aesthetic Research. Posted Oct. 11, 2007.
- ↑ a b c Nancy Princenthal: The arrogance of pleasure - body art, Carolee Schneemann. In: Art in America. Oktober 1997 (findarticles.com [abgerufen am 24. November 2007]).
- ↑ a b c Carolee Schneemann: The Obscene Body/Politic. In: Art Journal. 50. Jahrgang, Nr. 4, S. 28–35, doi:10.2307/777320 (jstor.org [abgerufen am 31. Januar 2007]).
- ↑ Eye Body: 36 Transformative Actions 1963. In: Caroleeschneemann.com. Abgerufen am 31. Januar 2007.
- ↑ ND, p. 121.
- ↑ Valie Export: Aspects of Feminist Actionism. In: New German Critique. 47. Jahrgang, S. 69–92, doi:10.2307/488108 (jstor.org).
- ↑ a b c d Grace Glueck: Of a Woman's Body as Both Subject and Object In: New York Times, 6. Dezember 1996. Abgerufen am 24. November 2007
- ↑ a b c d e f g h Scott MacDonald: Carolee Schneemann’s "Autobiographical Trilogy". In: Film Quarterly. 34. Jahrgang, Nr. 1, S. 27–32, doi:10.1525/fq.1980.34.1.04a00060 (jstor.org [abgerufen am 9. November 2007]).
- ↑ NSRC staff: Hear Her Roar: Carolee Schneemann transforms art and discourse on the body, sexuality, and gender. In: American Sexuality. National Sexuality Resource Center, 22. März 2005, abgerufen am 27. März 2007.
- ↑ Johannes Birringer: Imprints and Re-Visions: Carolee Schneemann’s Visual Archeology. In: PAJ. 15. Jahrgang, Nr. 2, Mai 1993, S. 45–46 (jstor.org [abgerufen am 9. November 2007]).
- ↑ ND, p. 125.
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- ↑ Kim Q. Hall: Queerness, Disability, and The Vagina Monologues. In: Hypatia. 20. Jahrgang, Nr. 1, 2005, S. 110–111 (jhu.edu [abgerufen am 5. November 2007]).
- ↑ An Evening with Carolee Schneemann. CALARTS, April 2008, S. 1,14, abgerufen am 24. April 2009 (englisch).
- ↑ Carolee Schneemann: Cycladic Imprints. S. 1, abgerufen am 13. April 2009 (englisch).
- ↑ Sarah Valdez: Carolee Schneemann at P.P.O.W. In: Art in America. (findarticles.com [abgerufen am 9. November 2007]).
- ↑ Cate McQuaid: Taking control with her bodies of work In: The Boston Globe, 8. November 2007. Abgerufen am 9. November 2007
- ↑ Schneemann wie übersetzt in Ilka Scobie: Corporeal. In: artnet.com. Abgerufen am 9. November 2007: „The sequences personalize individuals who in their normal workday were thrown by impact into a gravitational plunge, or chose to escape incineration by leaping into space.“
- ↑ Stephanie Buhmann: Carolee Schneemann: P.P.O.W. In: The Brooklyn Rail. Februar 2006 (brooklynrail.org [abgerufen am 9. November 2007]).
- ↑ Barbara Leon: Carolee Schneemann Exhibit: More Wrong Things. In: caroleeschneemann.com. 21. Mai 2001, S. 1,2 -1,11, abgerufen am 8. Mai 2009 (englisch).
- ↑ Electronic Arts Intermix: Devour, Carolee Schneemann. Electronic Arts Intermix, abgerufen am 8. Mai 2009 (englisch).
- ↑ Petra Reichensperger: Carolee Schneemann re visited. Humanities and Social Sciences Net Online, Oktober 2003, abgerufen am 8. Mai 2009 (Buchbesprechung von Annette Kubitza, „Fluxus, Flirt, Feminismus?“).
- ↑ Bonnie Marranca: Performance, a Personal History. In: PAJ. 28. Jahrgang, Nr. 1, 2005, S. 16 (jhu.edu [abgerufen am 7. November 2007]).
- ↑ Chris Thompson, Katarina Weslien: Pure Raw: Performance, Pedagogy, and (Re)presentation - Marina Abramovic. In: PAJ. 28. Jahrgang, Nr. 1, 2005, S. 40 (jhu.edu [abgerufen am 7. November 2007]).
- ↑ Stiles, p. 8.
- ↑ Stiles, p. 11.
- ↑ a b c Caroline Koebel: From Danger to Ascendancy: Notes Toward Carolee Schneemann. In: Wide Angle. 20. Jahrgang, Nr. 1, 1998, S. 50–57 (jhu.edu [abgerufen am 5. November 2007]).
- ↑ Carolee Schneemann: “Remains to Be Seen: New and Restored Films and Videos”. In: Time Out New York. 25. Oktober 2007, abgerufen am 9. November 2007.
- ↑ Kristine Stiles: Imaging Her Erotics: Essays, Interviews, Projects. MIT Press, Cambridge, Massachusetts 2003, ISBN 0-262-69297-X, The Painter as an Instrument of Real Time, S. 3.
- ↑ „A painter who has left the canvas to activate actual space and lived time.“
- ↑ Stiles, p. 4.
- ↑ Bonnie Marranca: Book Review: Bodies of Action, Bodies of Thought: Performance and Its Critics. In: PAJ. 21. Jahrgang, Nr. 1, 1999, S. 20 (jhu.edu [abgerufen am 7. November 2007]).
- ↑ a b Birringer, S. 34–35, 44.
- ↑ a b Cezanne, She Was A Great Painter wie zitiert in Joan Semmel, April Kingsley: Sexual Imagery in Women's Art. In: Woman's Art Journal. 1. Jahrgang, Nr. 1, S. 6 (jstor.org [abgerufen am 8. November 2007]).
Personendaten | |
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NAME | Schneemann, Carolee |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanische Künstlerin |
GEBURTSDATUM | 12. Oktober 1939 |
GEBURTSORT | Fox Chase, Pennsylvania |
- Aktionskünstler
- Filmschaffender
- Installationskünstler
- Künstler der Bildenden Kunst
- Künstler der Darstellenden Kunst
- Medienkünstler
- Performancekünstler
- US-amerikanischer Maler
- Videokünstler
- Hochschullehrer (Valencia, Kalifornien)
- Hochschullehrer (Chicago)
- Hochschullehrer (Hunter College)
- Hochschullehrer (New Brunswick, New Jersey)
- Geboren 1939
- Frau