Andreas Dietsch
Anton Andreas Dietsch, auch Andres Dietsch, (* 13. Oktober 1807 in Mühlhausen; † 1845 in Neu-Helvetia, Missouri) war Bürstenbinder, Schriftsteller, Früh-Sozialist und Auswanderer.
Herkunft
Andreas Dietsch wurde als Sohn des Rechtsagenten André Dietsch in Mühlhausen geboren. Er besuchte nach eigenem Zeugnis die beiden "geringsten Schulen" seiner Vaterstadt und lernte das Handwerk eines Bürstenbinders. Am 13. April 1835 erhielt er vom Stadtrat Aarau die Niederlassungsbewilligung als Geselle des Bürstenmachers Gabriel Hagnauer, Pelzgasse 26 in Aarau. Am 13. Mai 1836 heiratete er dessen Tochter Susanne. Zwei Mädchen wurden geboren, die Frau starb bei der Geburt des dritten Kindes.
Publizistische Tätigkeit
Seine erste Veröffentlichung war 1841 Der Aarauer Bachfischet, humoristisch dargestellt von A. Dietsch, die älteste Schrift über den Aarauer Bachfischet. Es folgten über 50 Beiträge, teilweise in Gedichtform in der politisch kritischen Wochenschrift "Das Posthörnchen" die seit 1835 von Samuel Landolt in Aarau herausgegeben wurde.
Im Juli 1842 veröffentlichte er dort in acht Fortsetzungen Das Tausendjährige Reich sowie Gleicheit und Einigkeit, der Weg zur Freiheit und zum ewigen Frieden und Die Gründung von Neu-Helvetia, ein sicherer Wegweiser für Auswanderungslustige, welche in Amerika ihr Glück suchen und begründen wollen.
1844 wurde das Separatum Das Tausendjährige Reich nebst Plan und Statuten zur Gründung von Neu-Helvetia im Staate Missouri in Nordamerika veröffentlicht. Eine Mischung aus Idealismus, Sachlichkeit und wohlwollender Despotie Zitat Prof. Georg Schulz-Behrend, Texas University 1950
Beeinflusst von den Schriften des Fourier, Cabet, Considèrant und seinem Bekannten Wilhelm Weitling schwebte Andreas Dietsch eine egalitäre, auf Gemeinbesitz beruhende Kommune ohne Habgier und Neid vor. Wilhelm Weitling wirkte damals eine Zeitlang in Langenthal wo er den Schweizerischen Volksboten redigierte bis ihn die Berner Regierung auswies.
Zum Bekanntenkreis von Andreas Dietsch gehörten auch die beiden Aerzte Sutermeister (Zofingen) und Glur (Langenthal). Die beiden wiederum kannten sich von ihrer gemeinsamen Zeit an der Kantonsschule Aarau und befassten sich als Weltverbesserer auch mit frühsozialistischen Ideen. Johannes Glur publizierte 1844 in Langenthal den Der Führer nach Amerika mit Anweisungen für Auswanderer.
Dietschs Idee zur Gründung von Neu-Helvetia stiess auf grosses Interesse und am 24. März 1844 wurden im Saal des Rössli in Aarau von über 60 Auswanderungswilligen die Statuten des Auswanderungsvereins angenommen. Im Gegensatz zu den Grossen der sozialökonomischen Dialektik erreichte der gelernte Bürstenbinder in Aarau was anderen versagt blieb; eine zu aktivem Handeln entschlossene Gesellschaft.
Auswanderung in die USA
Andreas Dietsch verließ am Sonntag den 2. Juni 1844 mit einer ersten Gruppe von 43 Personen Aarau. Die Verschiffung erfolgte am 25. Juni 1844 in Le Havre auf das Schiff Albany mit Zielhafen New York. Die Ankunft in New York erfolgte am 6. August 1844 und die Gruppe erreichte St. Louis am 31. August 1844. Streit, Krankheit und Erschöpfung führten zur teilweisen Auflösung der Gruppe, so dass schlussendlich nur sieben Erwachsene und elf Kinder das inzwischen gekaufte Siedlungsgebiet für New Helvetia / New Aarau im Osage County Missouri USA erreichten. Die Position der Siedlung war zwei Meilen nordwestlich von Westphalia, ein Kilometer vom Fluss Osage River, Township 43 Sektion 20/21.
Der Wintereinbruch, die Erschöpfung, die Krankheiten und der Geldmangel forderten Ihren Tribut. Die ersten Todesfälle schwächten die Gruppe im provisorischen gemeinschaftlichen Log-House Neu Aarau bis Ende 1844. Der letzte Brief und der Abschluss der detaillierten Reiseberichte und Tagebücher des Andreas Dietsch datieren vom 15. Dezember 1844. Andreas Dietsch starb vermutlich kurz nach der letzten Briefabgabe in der nächstgelegen Siedlung Westphalia Ende Januar 1845 im Alter von 37 Jahren.
„Wo wir gefehlt haben ist nicht böser Wille, wohl aber Unkenntnis Schuld daran; wir müssen nun sagen, wir verstanden es nicht besser, denn jeder verliess sich zu viel auf den anderen“
In der Zeit vom Herbst 1844 bis im Mai 1845 verliessen dann noch 82 Personen in nachfolgenden Gruppen der selben durch Andreas Dietsch gegründeten Auswanderungsgesellschaft die Schweiz. Sicherlich fanden aber diese Auswanderer Andreas Dietsch nicht mehr am Leben, sofern sie Neu-Helvetia überhaupt erreichten.
Die Veröffentlichung dieser zusammengefassten Berichte und Tagebücher von Andreas Dietsch wurde durch Rudolf Blattner in Aarau um Mitte 1845 vorgenommen.
Ueberlebende Kolonisten zogen mit Mitgliedern einer später eingetroffenen Schar gegen Norden nach Iowa und gründeten dort die Kolonie Communia. Diese wurde zeitweise von Wilhelm Weitling nach Verbüssung seiner Haft im Kanton Zürich selbst geleitet. Aber auch sie scheiterte und löste sich in Hass und Zwietracht auf.
Epilog
1947 fand der damalige Landbesitzer William Vogel die Gräber von Erwachsenen und Kindern auf seinem Land. Ein Apfelbaum und einige Rebstöcke sowie ein rostige Schere waren die letzten Hinterlassenschaften des durch Andreas Dietsch geplanten "Tausendjährigen Reiches". Das Gebiet ist bis heute unbesiedeltes Land.
Literatur
- "Die grossartige Auswanderung des Andreas Dietsch und seiner Gesellschaft " Limmat Verlag 1978 ISBN 3 85791 0178
- "Andreas Dietsch und seine Utopistenkolonie in Neu Helvetia Missouri", Ein Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Emigration und des Frühkommunismus in der Schweiz, Nold Halder Buchdruckerei Aargauer Tagblatt 1961 ISBN 3 85791 017 8
- "Tagebuch und Reisenotizen der Auswanderungsgesellschaft zur Gründung von Neu-Helvetia", Rudolf Blattner, 1845 Selbstverlag
- "New Helvetia Community" Historical Society Osage County Missouri USA. Newsletter June 1990, Sharon Gulick, University Missouri USA
- "Andreas Dietsch and Helvetia, Missouri" ISBN 978 0 8262 11700 4 Prof. Schulz-Behrend Texas University.
- Schneider, Jürg: Sozialismus und Utopie. Andreas Dietsch (1807–1845), in: Bruno Abegg/Barbara Lüthi (Hg.): Small Number - Big Impact: Schweizer Auswanderung in die USA. Zürich 2006, 53-58.
- Biographisches Lexikon des Kanton Aargau 1803-1957 Verlag Sauerländer, Aarau 1958
- Jahrbuch des Oberaargaus Bd.19 1976 Emil Anliker "Johannes Glur Auswanderungsbüchlein von 1844"
Weitere Schriftstücke und Forschungsmaterial befinden sich in der Kantonsbibliothek Aarau.
Weblinks
- {{{Autor}}}: Andreas Dietsch. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Literatur von und über Andreas Dietsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
---|---|
NAME | Dietsch, Andreas |
ALTERNATIVNAMEN | Dietsch, Anton Andreas |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Bürstenbinder |
GEBURTSDATUM | 13. Oktober 1807 |
GEBURTSORT | Mühlhausen |
STERBEDATUM | 1845 |
STERBEORT | Neu-Helvetia, Missouri |