Sozialismus
Sozialismus ist die Bezeichnung für politische Theorien, deren zentrale Werte Gerechtigkeit und die Befreiung des Individuums in der Gemeinschaft sind.
Im Gegensatz zum ideengeschichtlich verwandten Liberalismus bezieht sich der Sozialismus nicht hauptsächlich auf formale Gerechtigkeit, sondern auf Gerechtigkeit im Ergebnis. Freiheit wird als Möglichkeit zur Emanzipation verstanden, die sich nur durch eine soziale Integration aller Menschen in die Gesellschaft erreichen lässt.
Gesellschaftsformen, die sich mit einiger Berechtigung als sozialistisch bezeichnen ließen, lassen sich schon in der menschlichen Frühzeit nachweisen. Eine explizit sozialistische Bewegung entwickelt sich erst in Folge von Aufklärung und industrieller Revolution. Sie ist eng verwoben mit der Entstehung der Arbeiterbewegung. Wie bei allen -ismen trat der Sozialismus historisch in vielfältigen Formen auf
Frühsozialismus
Thomas Morus (Utopia) und Jean-Jacques Rousseau werden von vielen Sozialisten als gedankliche Vorläufer bezeichnet.
Gerade in der Ausbildung des eigentlichen Sozialismus gab es vielfältige Varianten desselben. Frühsozialisten wie François Noël Babeuf, Claude-Henri Comte de Saint-Simon, Louis-Auguste Blanqui Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon, William Godwin, Robert Owen oder Moses Heß legten politische Konzepte von quasi-absolutistischen Diktaturen bis hin zu einem anarchistischen Föderalismus vor. Einig waren sie sich einerseits in einer abwehrenden Reaktion gegen Effekte des Frühkapitalismus wie in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die mittelalterliche Standesunterschiede ebenso überwinden würde wie modernere Klassengegensätze. Oftmals argumentierten sie sehr moralisch, eine sozialwissenschaftlich inspirierte Analyse wie sie von Marx geleistet wurde, fehlte. Sozialstrukturell gesehen wurde der Frühsozialismus nicht von der Arbeiterklasse getragen, sondern von Handwerkern und Kleinbürgertum. Diese begannen bereits die Verwerfungen der industriellen Revolution zu spüren, ohne dass es schon zur Bildung eines Industrieproletariats gekommen wäre. Einige wie Robert Owen versuchten den Aufbau abgeschlossener sozialistischer Gemeinschaften in einer so empfundenen feindlichen Umwelt. Die meisten Sozialisten zielten auf eine grundlegende Veränderung der gesamten Gesellschaft. Sozialistisch inspirierte Aktivisten beteiligten sich an der französischen Revolution und an den europäischen Revolutionen von 1848; einen letzten Höhepunkt hatten diese Bewegungen in der Pariser Kommune von 1871, die überaus blutig endete. Durch die historische Entwicklung bedingt wurden die Diskussionslinien danach klarer: Die vielfältigen Ansätze des Frühsozialismus spalteten sich in drei Hauptlinien, den Anarchismus und die vom Marxismus inspirierten kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegungen.
Sozialismus im Marxismus
Der Marxismus hatte lange Zeit die Deutungshoheit in der sozialistischen Bewegung. Seit dem Verfall der Internationale, über den größten Teil des gesamten 20. Jahrhunderts, wurden Diskussionen innerhalb des und über den Sozialismus überwiegend in dem von Karl Marx und Friedrich Engels geprägten Vokabular geführt. Dazu gehört die Bezeichnung des Frühsozialismus als ’’Utopischer Sozialismus’’ ebenso wie die Gegenüberstellung des Marxismus als ’’wissenschaftlicher Sozialismus’’. Aus diesem Anspruch folgt die absolute Prognosefähigkeit für die zukünftige Entwicklung: Da der Kommunismus nicht unmittelbar zu erreichen ist, sei der Sozialismus eine erste (niedere) Phase des Kommunismus. Bei Marx selber ist die Entwicklung über den Sozialismus zum Kommunismus unaufhaltbar. Ziel des Kommunismus wie des Sozialismus ist die Überwindung des Kapitalismus. In der ersten Phase (Sozialismus) sind dabei noch nicht alle Merkmale der bürgerlichen Gesellschaft überwunden, aber Ausbeutung und das Privateigentum an Produktionsmitteln sind bereits aufgehoben.
Während Marx selbst noch eine ausgefeilte sozialwissenschaftliche Technik benutzte, um seine Analysen zu belegen, geriet seine Theorie immer mehr zum politischen Machtinstrument. Der in seinem Anspruch auf ’’Wissenschaftlichkeit’’ schon gegebene Absolutheitsanspruch wurde nach der Machtübernahme sozialistischer Bewegungen immer mehr zum Mittel, um (politisch gewünschte) wahre Weltanschauung und (politisch unerwünschte) falsche Ideologie zu unterscheiden.
Realsozialismus
Der Begriff des Realsozialismus wurde in den sich so nennenden Staaten geprägt. Mit der Oktoberrevolution 1917 bot sich die Gelegenheit die Ideen des Sozialismus in die Praxis umzusetzen. Der Begriff des Realsozialismus sollte erklären, warum viele Vorhersagen der Marxschen Theorie wie zum Beispiel das ’’Absterben des Staates’’ nicht eintraten. Er sollte weiterhin darauf hinweisen, dass sich diese Staaten weiterhin auf dem Weg zum Kommunismus befanden, allerdings mit Problemen der Realpolitik ebenso wie mit feindlicher Einflussnahme durch ’’konterrevolutionäre Kräfte’’ zu kämpfen hatten. Spätestens seitdem sich Stalin in der Sowjetunion gegen Trotzki durchsetzte, wurden die utopischen Hoffnungen der sozialistischen Bewegungen in den realsozialistischen Staaten de facto aufgegeben. Der Realsozialismus geriet zu seiner Mischung aus Machtpolitik der Sowjetunion und einer diktatorisch-technokratischen Variante der Sozialdemokratie. Spätestens seit den Wende von 1989 gilt der Realsozialismus als endgültig diskreditiert. Die Ursachen für das Scheitern des Realsozialismus gelten als vielfältig. Als Hauptursachen werden u. a. die folgenden Entwicklungen angesehen: Entgegen der Voraussagen des Marxismus entwickelten die kapitalistisch geprägten Staaten einen Sozialstaat, der die schlimmsten sozialen Unterschiede und die Armut abfederte; der Staatsapparat der realsozialistischen Staaten erwies sich als zunehmend unflexibel und unfähig mit dem höheren Komplexitätsgrad hochmoderner Gesellschaften umzugehen; die Staaten des realen Sozialismus orientierten sich an einem stets kapitalistisch geprägten Modernisierungsmodell, nur konnten sie den Grad der Modernisierung dieser Staaten niemals aufholen.
Sozialdemokratie
Die Sozialdemokratie versuchte in ihren Anfängen eine kommunistisch inspirierte Umgestaltung der Gesellschaft. Im Gegensatz zu revolutionären Gruppen, bemühte sie sich aber um eine schrittweise Umgestaltung der Gesellschaft auf dem Weg zu diesem Ziel. Eine explizite Unterscheidung zu kommunistischen Parteien trat erst mit dem Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution auf. Sozialdemokraten waren nicht bereit, bürgerliche Grundrechte aufzugeben und, zumindest im Kernland der frühen Sozialdemokratie, in Deutschland, auch nicht in der Lage vollständig mit den überkommenen Funktionseliten des Deutschen Kaiserreichs zu brechen.
Demokratischer Sozialismus
Der Demokratische Sozialismus war lange Zeit praktisch ein Synonym für Sozialdemokratie. Die SPD beispielsweise hat diesen Begriff bis heute in ihrem Grundsatzprogramm stehen. Erst mit dem Scheitern des Realsozialismus und zunehmender Liberalisierung der Sozialdemokratie nehmen die Bestrebungen nach einem eigenständigen Demokratischen Sozialismus zu. Viele sich explizit nicht als sozialdemokratisch empfindene Sozialisten sind auf der Suche nach neuen politischen Konzepten. Die Sozialdemokratie selbst rückt immer weiter von Marxistischen Gesellschaftsanalysen und dem damit verbundenen Konzept des Sozialismus ab. Demokratischer Sozialismus in diesen neuen Varianten setzt zum einen auf einen Ausbau des Sozialstaats, auf der anderen Seite auf eine stärkere Orientierung des Parlamentarismus hin zu Elementen direkter Demokratie.
Faschistischer Sozialismus
Unter diesem Namen sind die beiden Staatsformen des Sozialismus im 20. Jahrhundert zu nennen: Die NSPAP bezeichnete sich als eine nationale sozialistische Arbeiterpartei und versuchte eine soziale Gerechtigkeit innerhalb eines (extremen) nationalen Systems (Hitler-Diktatur) herzustellen. Sie bezeichneten sich als Volksgenossen und übernamen (wie die Kommunisten) Elemente des Sozialismus. Ihrem Rassenwahn fielen Millionen unschuldiger Menschen zum Opfer.
Der Stalinismus in den sogen. Ostblockstaaten der Nachkriegszeit prägte wie der Nationalsozialismus eine faschistische (verbrecherische) Form des Sozialismus. Sie bezeichneten sich als Genossen. Während der sozialistisch-kommunistsichen Diktatur wurden Millionen von Menschen ermordet.
Der Sozialismus des 20. Jahrhunderts entfesselte den größten Krieg, den die Menschheit je gesehen hat. Der österreichische National-Sozialist Hitler und der georgische kommunistische Sozialistenführer Stalin und vor ihm Lenin sind die größten Verbrecher der bisherigen Menschheitsgeschichte.
Der Begriff Sozialismus ist heute durch die in seinem Namen in der Vergangenheit begangenen Verbrechen (ob von politisch links oder politisch rechts) deskreditiert und wird vornehmlich nur noch von linksextremen Parteien in Deutschland verwendet (z. B. die PDS -SED, Bd.90/ Grüne, ..). Die "Demokratischen Linken" bezeichnen sich hingegen nur noch als Sozialdemokraten auf dem politischen Weg zur Sozialdemokratie. Die "Demokratischen Rechten" sehen ihre politische Richtung einer sozialen Demokratie in einem sozialen Rechtsstaat (Bürgerparteien).
Literatur
- Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien. 1789-1945. Wiesbaden, Westdeutscher Verlag. 2002. ISBN 3-531-13875-8
- B. Crick: Socialism. Milton Keynes, Open University Press. 1989.
- S. Mukherjee / S. Ranaswamy: A History of Socialist Thought. London. Sage. 2000.
- Eric Hobsbawm: Revolution und Revolte. Aufsätze zu Kommunismus, Anarchismus und Umsturz im 20. Jahrhundert. Frankfurt, Suhrkamp. 1972.
- J.L. Talmon: Geschichte der totalitären Demokratie. Köln, Westdeutscher Verlag. 1961/1963 (2 Bände).
- P. Weber: Sozialismus als Kulturbewegung. Frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus. Düsseldorf, Droste. 2000.