Otto Graf Lambsdorff

Otto Friedrich Wilhelm Freiherr von der Wenge Graf Lambsdorff (* 20. Dezember 1926 in Aachen; † 5. Dezember 2009 in Bonn[1]) war ein deutscher Politiker (FDP).
Er war von 1977 bis 1982 und von 1982 bis 1984 Bundesminister für Wirtschaft sowie von 1988 bis 1993 Bundesvorsitzender der FDP.
Ausbildung und Beruf
Lambsdorff besuchte ab 1932 zunächst Schulen in Berlin, von 1941 bis 1944 die Ritterakademie in Brandenburg an der Havel. Im Zweiten Weltkrieg diente er ab Frühjahr 1944 als Offizieranwärter bei der Wehrmacht und wurde kurz vor Kriegsende in Thüringen bei einem Tieffliegerangriff schwer verwundet. Infolge der Verwundung musste ihm der linke Unterschenkel amputiert werden, weswegen er in späteren Jahren einen Gehstock benutzte.[2] Nach der Kriegsgefangenschaft bestand Lambsdorff dann 1946 das Abitur am Pestalozzi-Gymnasium Unna und absolvierte anschließend ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn und Köln, welches er 1950 mit dem ersten juristischen Staatsexamen beendete. 1952 erfolgte seine Promotion mit der Arbeit Abschied vom Reichsleistungsgesetz unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zum RLG. 1955 legte er das zweite Staatsexamen ab.
Von 1955 bis 1971 war er im Kreditgewerbe tätig, zuletzt als Generalbevollmächtigter der Düsseldorfer Privatbank Trinkaus. Seit 1960 war er als Rechtsanwalt zugelassen. Von 1971 bis 1977 war er Mitglied des Vorstandes der Victoria-Rückversicherung AG. 1978 trat er in die Düsseldorfer Anwaltssozietät Wessing/von der Goltz ein. Von 1988 bis Juli 2008 war er Aufsichtsratsvorsitzender der Iveco Magirus AG. Lambsdorff bekleidete einen Posten im Advisory Board der GML (Group Menatep), deren Mehrheitsaktionär Michail Chodorkowski war.
Familie
Otto Graf Lambsdorff war das älteste von drei Kindern von Herbert Graf Lambsdorff (1899–1976) und Eva von Schmid (1904–1978). Sein Bruder Hagen Graf Lambsdorff (* 1935) war deutscher Botschafter in Tschechien und Lettland. Lambsdorff war in zweiter Ehe verheiratet mit Alexandra von Quistorp (* 1945) und hatte drei Kinder aus erster Ehe. Er lebte in Bad Münstereifel und vorübergehend auch in Bonn.
Sein Neffe Alexander Graf Lambsdorff vertritt die FDP seit 2004 im Europaparlament.
Partei
Seit 1951 war er Mitglied der FDP. Von 1968 bis 1978 war er als Schatzmeister Mitglied im geschäftsführenden FDP-Landesvorstand von Nordrhein-Westfalen. Seit 1972 gehörte er dem FDP-Bundesvorstand an, seit 1982 auch dem Präsidium der FDP. Von 1988 bis 1993 war er FDP-Bundesvorsitzender und seit 1993 war er Ehrenvorsitzender der FDP.
Von 1991 bis 1994 war er Präsident der Liberalen Internationale. Von 1995 bis 2006 war er Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Abgeordneter
Von 1972 bis 1998 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von 1972 bis 1977 und von 1984 bis 1997 wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Öffentliche Ämter und politische Ziele

Am 7. Oktober 1977 wurde er als Bundesminister für Wirtschaft in die von Bundeskanzler Helmut Schmidt geführte Bundesregierung berufen. Vom Ordoliberalismus und der Marktwirtschaft überzeugt, stritt Lambsdorff zum einen für eine Neuregelung der Mitbestimmungsgesetzgebung. Er versuchte dabei, die aus seiner Sicht zu weitgehenden Mitwirkungsrechte, die in Folge der Biedenkopf-Kommission ins Mitbestimmungsgesetz von 1976 eingebracht worden waren, zu verhindern. Zum anderen wandte er gegen die immer höher werdende Schuldenlast des Staates, die auch durch die keynesianistische Idee des "deficit spending" schon in den siebziger Jahren erheblich anstieg.[3]
Nach der Bundestagswahl 1980 war Lambsdorff unter anderem durch das Abfassen des sogenannten Lambsdorff-Papiers (auch als Scheidungspapier bekannt) maßgeblich am Bruch der sozialliberalen Koalition beteiligt. Am 17. September 1982 trat er gemeinsam mit den anderen FDP-Bundesministern zurück.
Nach der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler wurde Lambsdorff am 4. Oktober 1982 erneut zum Bundesminister für Wirtschaft ernannt. Am 27. Juni 1984 schied er wegen seiner Verwicklungen in die sog. Flick-Affäre aus der Bundesregierung aus. Drei Jahre später wurde er gemeinsam mit dem Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch („Pflege der politischen Landschaft“) sowie dem vormaligen Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 180.000 Mark[4] verurteilt.
Als bekannter Verfechter der Marktwirtschaft blieb Lambsdorff in seiner Partei populär und konnte sich 1988 als Nachfolger von Martin Bangemann bei der Neuwahl des FDP-Parteivorsitzenden gegen Irmgard Adam-Schwaetzer durchsetzen. In seiner Amtszeit kam im August 1990 der Zusammenschluss der FDP mit der LDPD und anderen liberalen Gruppierungen in der DDR zustande. Nach der deutschen Wiedervereinigung erreichte die FDP eines der besten Wahlergebnisse bisher. Bereits zu diesem Zeitpunkt forderte er als einer der ersten eine Abkehr von der bisherigen „Umverteilungspolitik“ und die „Rückkehr zu mehr marktwirtschaftlichen Prinzipien und Grundsätzen“, was später auch die Wiesbadener Grundsätze der FDP bestimmen sollte.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag begann er 1999 als Beauftragter des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder die Verhandlungen über Art und Höhe der Entschädigung für ehemalige NS-Zwangsarbeiter zu führen. Mit Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurde diese Wiedergutmachung im Sommer 2001 begonnen. Lambsdorff erhielt für seine Rolle hierbei den Toleranzpreis des jüdischen Museums Berlin.
Flick-Affäre
Im Zuge der Flick-Affäre hob der Bundestag am 2. Dezember 1983 auf Ersuchen der ermittelnden Bonner Staatsanwaltschaft die Immunität des amtierenden Bundeswirtschaftsministers Lambsdorff auf, der dann, als die Anklage zugelassen wurde, am 27. Juni 1984 zurücktrat. Der Prozess vor dem Bonner Landgericht zog sich rund anderthalb Jahre hin. Am 16. Februar 1987 wurde Otto Graf Lambsdorff wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt. Lambsdorff erhielt eine Geldstrafe in Höhe von 180.000 D-Mark.
Eine Beeinflussung politischer Entscheidungen durch die Geldzahlungen ließ sich nicht nachweisen.
Nichtöffentliche Ämter
Otto Graf Lambsdorff war Ehrenpräsident der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz). Seit 2006 war er Internationaler Berater der Japan Art Association für die Verleihung des Praemium Imperiale.
Mitgliedschaften
1962 war Otto Graf Lambsdorff Gründungsmitglied des Rotary-Clubs Düsseldorf-Süd. 1995 war er Mitbegründer und bis 2003 Kuratoriumsvorsitzender des Fördervereins Dom zu Brandenburg. Er war Mitglied des Domkapitels des Doms zu Brandenburg/Havel.
Von 1992 bis 2001 war er European Chairman der Trilateralen Kommission und seit 2001 Honorary Chairman.
Er war Mitglied der Jury des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises.
Otto Graf Lambsdorff war Mitglied des protestantischen Johanniterordens.
Kabinette
Preise und Auszeichnungen
Weblinks
- Vorlage:PND
- Biografie beim Deutschen Bundestag
- Lambsdorff-Papier (PDF-Datei; 200 kB)
- Spiegel Online: FDP-Chef Lambsdorff – Feldherr des Wirtschaftsbürgertums
- Gerd Langguth: Abschied vom gelben Grafen auf Spiegel Online vom 6. Dezember 2009
Einzelnachweise
- ↑ Otto Graf Lambsdorff gestorben. In: Die Welt vom 6. Dezember 2009
- ↑ rp-online.de: Lambsdorff - der rheinische Preuße (6. Dezember 2009)
- ↑ Vgl. Sattar, Majid: Zum Tode von Otto Graf Lambsdorff - Ordnung aus Freiheitsliebe, in: Frankfurter Allgemeine - FAZ.Net, vom 6.12./7.12.2009, abgerufen unter [1]
- ↑ http://www.handelsblatt.com/News/Default.aspx?_p=300036&_t=ig_p_text&ig_xmlfile=hb_steuerhinterziehung.xml&ig_page=3
- ↑ Vgl. ZDF-Sendung zum Nachruf über Otto Graf Lambsdorf vom 7.12.2009
- ↑ Vgl. Sattar, Majid: Zum Tode von Otto Graf Lambsdorff - Ordnung aus Freiheitsliebe, in: Frankfurter Allgemeine - FAZ.Net, vom 6.12./7.12.2009, abgerufen unter [2]
Personendaten | |
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NAME | Lambsdorff, Otto Graf |
ALTERNATIVNAMEN | Wenge Graf Lambsdorff, Otto Freiherr von der |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (FDP) |
GEBURTSDATUM | 20. Dezember 1926 |
GEBURTSORT | Aachen |
STERBEDATUM | 5. Dezember 2009 |
STERBEORT | Bonn |
- Wirtschaftsminister (Bundesrepublik Deutschland)
- Bundestagsabgeordneter
- Bundesvorsitzender der FDP
- Politiker (20. Jahrhundert)
- Politiker (21. Jahrhundert)
- Träger des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen
- Rechtsanwalt (Deutschland)
- Person (Brandenburg an der Havel)
- Deutscher
- Geboren 1926
- Gestorben 2009
- Mann