Scharfschütze
Als Scharfschützen werden Soldaten oder Polizeibeamte bezeichnet, die durch selektiven, gezielten Schusswaffeneinsatz ihren Kampfauftrag bzw. Einsatzzweck erreichen. Rahmenbedingungen des Einsatzes, Verlauf, Ziele und Rechtsgrundlagen des Einsatzes unterscheiden sich dabei grundlegend. Gemeinsam ist Militär- und Polizeischarfschützen, dass sie eine hochspezialisierte Ausbildung durchlaufen und auf sehr spezielle Einsatzmittel (v.a. Scharfschützenwaffen) zurückgreifen.
Militärscharfschützen
Militärscharfschützen bekämpfen "wertvolle" Einzelziele des Gegners aus einer gut getarnten Stellung heraus. Sie wirken i.a. auf große Distanzen, nicht selten hinter den feindlichen Linien. In Zweierteams operieren sie vergleichsweise unabhängig. Diese Zweierteams bestehen aus einem Scharfschützen (engl."Sniper") und einem Beobachter (engl."Spotter") mit Fernglas. Ziel ist, die Kampfmoral des Feindes zu mindern, wertvolles Material oder Schlüsselpersonal zu neutralisieren und Feindkräfte zu binden / zu behindern (wie etwa beim Transport). Das Überleben des militärischen Scharfschützen hängt von perfekter Tarnung und Geländeausnutzung bei Annäherung und Absetzen ab, vom Vorhandensein ausreichend getarnter und gedeckt erreichbarer Wechselstellungen u.v.m. So fertigt normalerweise jeder Scharfschütze seinen Tarnkittel selbst. Die Reichweite der Militärscharfschützen kann bis zu 1800m betragen. Die geringste Distanz hängt von den Versteck- und Tarnmöglichkeiten ab. Es wurden schon erfolgreiche Einsätze mit nur 90m Entfernung durchgeführt. Die besten Gegenmaßnahmen gegen Scharfschützen sind wiederum Scharfschützen und das Täuschen und Verstecken von militärischen Rängen. So sollte das militärische Grüßen unterbleiben, genauso wie das Tragen von Offiziersuniformen. Nelson wurde von einem französischen Scharfschützen erschossen, weil dieser ihn an seiner Admiralsuniform erkannte.
Polizeischarfschützen
Polizeischarfschützen haben die Aufgabe, durch unmittelbaren Zwang eine extreme Gefahrensituation abzuwenden, also z.B. Verbrechensopfer zu retten. Dadurch ergeben sich für ihren Einsatz - im Vergleich mit dem Militär - völlig andere Restriktionen und Rechtsgrundsätze (Polizeirecht vs. Kriegsrecht). Sie schießen auf vergleichsweise kurze Entfernungen (gemessen an den Distanzen von bis zu 1800 m, die militärische Scharfschützen abdecken) und auf sehr kleine Ziele. Sie müssen mit dem ersten Schuss unabdingbar den Verbrecher an der Fortsetzung der Tat hindern. Durch Feindaufklärung und Beschuss sind sie jedoch nicht bedroht.
Siehe auch: Präzisionsschützenkommando
Geschichte
Historische Wurzeln der Scharfschützen liegen bei den Tirailleurs und Jägereinheiten der napoleonischen Ära/der Befreiungskriege, und v.a. im amerikanischen Bürgerkrieg. Erstmals wurden hier eigenständige Scharfschützeneinheiten gebildet, z.B. die Freiwilligen der "Berdan-Sharpshooters".
Die Entwicklung des modernen Scharfschützenwesens i.e.S. beginnt mit dem Ersten Weltkrieg. Zumeist wurde hier aber noch auf mit Zielfernrohren bestückte Jagdwaffen zurückgegriffen. Im Zweiten Weltkrieg, im Korea- und im Vietnamkrieg setzte sich die Einsicht in die Bedeutung spezialisierter Scharfschützen durch. Mit der Anpassung der deutschen Streitkräfte an die Erfordernisse der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges ist auch in der Bundeswehr die Bedeutung der Scharfschützen enorm gewachsen. Entsprechende Bemühungen um Ausbildung und Ausrüstung werden unternommen.
Die Entwicklung des polizeilichen Scharfschützenwesens lässt sich mit dem Aufkommen des Terrorismus und ähnlicher Schwerstkriminalität in den 70er Jahren ansetzen.
Nicht selten wurden (und werden) Scharfschützen - bewusst oder unbewusst - mit "Menschenjägern" oder kaltblütigen Mördern aus dem Hinterhalt gleichgesetzt (man denke an z.B. an Exzesse während der Balkankriege; siehe auch: Heckenschütze). Dies ist nicht gerechtfertigt und verkennt das Bemühen, gerade durch den Einsatz von Scharfschützen selektiv und mit möglichst wenig Waffeneinsatz militärische Ziele zu erreichen (oder, im polizeilichen Einsatz, Menschenleben zu retten). Entscheidender Unterschied ist aber, dass ein sogenannter Heckenschütze ohne jede offizielle Rechtsgundlage handelt, während diese Scharfschützen der Polizei und des Militärs auf einer Rechtsgrundlage mit einer entsprechenden Befugnis handeln.
Der inzwischen auch im Deutschen und z.B. im Russischen (z.B. für das Dragunow-Scharfschützengewehr Snaiperskaja wintowka Dragunowa - Снайперская винтовка Драгунова) gebräuchliche englische Begriff "Sniper" geht auf das englische Wort "Snipe"(Schnepfe) und die für die Jagd auf diesen Vogel notwendigen Schießkünste zurück.
Siehe auch: Scharfschützengewehr
Literatur
- Peter Brookesmith: Scharfschützen. Geschichte - Taktik - Waffen, Stuttgart 2003, ISBN 3-61302-247-8
- Christopher Whitcomb: Eiskalt am Abzug, München 2003, ISBN 3-44215-192-9
- Ian V. Hogg/Ray Hutchins: Moderne Scharfschützengewehre, Stuttgart 2000, ISBN 3-61302-014-9
- Jan Boger: Jäger und Gejagte, Stuttgart 1997, ISBN 3-87943-373-9
- Peter Senich: Deutsche Scharfschützen-Waffen 1914 - 1945, 1996, ISBN 3-61301-732-6
- Charles Henderson: Todesfalle, München 1991, ISBN 3-45303-687-5
Filme
- 2001 - Duell - Enemy at the Gates, ein Film über Scharfschützen in Stalingrad (siehe auch: Wassili Grigorjewitsch Saizew)