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Hans Blumenberg

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Hans Blumenberg (* 13. Juli 1920 in Lübeck; † 28. März 1996 in Altenberge bei Münster) war ein deutscher Philosoph.

Leben

Hans Blumenberg legte 1939 - als einziger Schüler mit „Auszeichnung“ - die Reifeprüfung am Katharineum zu Lübeck ab, durfte jedoch als (katholisch getaufter) „Halbjude“ keine reguläre deutsche Hochschule besuchen. Folglich studierte Blumenberg zwischen 1939 und 1941 Philosophie an theologisch-philosophischen Hochschulen in Paderborn und Frankfurt am Main, musste diese jedoch schließlich ebenfalls verlassen. Zurück in Lübeck wurde er zunächst zum Arbeitsdienst eingezogen und arbeitete danach bei der Drägerwerk AG in Lübeck. 1945 wurde er in Zerbst interniert, konnte jedoch auf Initiative Heinrich Drägers freikommen und konnte sich bis Kriegsende bei der Familie seiner späteren Ehefrau Ursula verstecken. Nach 1945 setzte er sein Studium der Philosophie, Germanistik und klassischen Philologie an der Universität Hamburg fort. 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe „Poetik und Hermeneutik“.

Hans Blumenberg hat vier Kinder, darunter die Schriftstellerin und Übersetzerin Bettina Blumenberg.

Werk

Blumenbergs Werk ist überwiegend historisch ausgerichtet und zeichnet sich durch umfassende philosophische und theologische Bildung und einen ebenso präzisen wie pointierten Stil aus. Die frühe Schrift „Paradigmen zu einer Metaphorologie“ verfolgt anhand ausgewählter Beispiele aus der Geistes- und Philosophiegeschichte den Gedanken, dass bestimmte Metaphern (wie etwa die der „'nackten' Wahrheit“) als „Grundbestände der philosophischen Sprache“ anzusehen sind, die sich nicht durch Begriffe ersetzen und so „ins Eigentliche, in die Logizität zurückholen lassen“. Solche „absoluten Metaphern“ konstituieren nach Blumenberg eine in ihrer Anschaulichkeit und ihrem Sinngehalt begrifflich nie vollständig einholbare Vorstellung von Wirklichkeit als Ganzer, an der sich menschliches Denken und Handeln orientieren kann und muss. Dieser Ansatz wird in folgenden Einzeldarstellungen u. a. zur Lichtmetaphorik in erkenntnistheoretischen Zusammenhängen, der „Daseinsmetapher“ der Schifffahrt („Schiffbruch mit Zuschauer“, 1979) sowie der Metapher des Buches („Die Lesbarkeit der Welt“) weiter ausgeführt.

Einen Schwerpunkt der vielfältigen philosophiegeschichtlichen Untersuchungen Blumenbergs bildet die „Epochenschwelle“ zwischen Mittelalter und Neuzeit („Die Legitimität der Neuzeit“, „Die Genesis der kopernikanischen Welt“). Aus einer u. a. von Ernst Cassirer inspirierten funktionalistischen Perspektive auf die Geistes- und Philosophiegeschichte, die mit epochenspezifischen „Umbesetzungen“ innerhalb eines formalen Beziehungsgefüges geistiger Gehalte rechnet, wird ein substantialistisches Verständnis historischer Kontinuität zurückgewiesen, wie es z. B. dem Säkularisierungstheorem vielfach zu Grunde liegt. Die Neuzeit wird als eine gegenüber Antike und Mittelalter eigenständige Epoche dargestellt, deren Ausbildung u. a. auf eine Rehabilitierung der theoretischen Neugierde und auf die Notwendigkeit menschlicher Selbstbehauptung angesichts der Zuspitzung des „theologischen Absolutismus“ im spätmittelalterlichen Nominalismus zurückzuführen ist.

In späteren Studien („Arbeit am Mythos“, „Höhlenausgänge“) profiliert Blumenberg zunehmend den anthropologischen Hintergrund seines Denkens. Dabei ist die an Arnold Gehlen angelehnte Annahme leitend, dass der Mensch als endliches und hinfälliges Mängelwesen bestimmter Hilfsmittel bedarf, um sich angesichts der Übermacht, des „Absolutismus der Wirklichkeit“ behaupten zu können. Unter diesem Aspekt werden nun auch Metaphern und Mythen auf Grund ihrer die Wirklichkeit distanzierenden, in ihr orientierenden und den Menschen so entlastenden Leistungen als ein funktionales Äquivalent zu Institutionen im Sinne Gehlens interpretiert.

Siehe auch

Auszeichnungen

Werke

  • 2009 Geistesgeschichte der Technik. Aus dem Nachlass herausgegeben von Alexander Schmitz und Bernd Stiegler. 152 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-58533-9
  • 2007 Der Mann vom Mond. Über Ernst Jünger. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Alexander Schmitz und Marcel Lepper. Suhrkamp. ISBN 978-3-518-58483-5
  • 2007 Hans Blumenberg, Carl Schmitt: Briefwechsel 1971-1978 und weitere Materialien. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Marcel Lepper und Alexander Schmitz. Suhrkamp. ISBN 3-518-58482-0
  • 2007 Theorie der Unbegrifflichkeit. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Anselm Haverkamp. 122 Seiten. Suhrkamp. ISBN 978-3-518-58480-4
  • 2006 Beschreibung des Menschen. Herausgegeben von Manfred Sommer. 900 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-58467-7
  • 2002 Zu den Sachen und zurück. Aus dem Nachlaß. Herausgegeben von Manfred Sommer. 354 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-58328-X
  • 2002 Vor allem Fontane. Glossen zu einem Klassiker. Insel. ISBN 3-458-34540-X
  • 2001 Löwen. 118 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-22336-4
  • 2001 Ästhetische und metaphorologische Schriften. Auswahl und Nachwort von Anselm Haverkamp. 461 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-29113-0
  • 2000 Die Verführbarkeit des Philosophen. 208 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-29355-9
  • 1999 Goethe zum Beispiel. In Verbindung mit Manfred Sommer herausgegeben vom Hans Blumenberg-Archiv. Insel. ISBN 3-458-16976-8
  • 1998 Lebensthemen. 172 Seiten. Reclam. ISBN 3-15-009651-0
  • 1998 Gerade noch Klassiker. Glossen zu Fontane. Hanser. ISBN 3-446-19473-8
  • 1998 Begriffe in Geschichten. Suhrkamp. ISBN 3-518-22303-8
  • 1997 Die Vollzähligkeit der Sterne. Suhrkamp. ISBN 978-3-518-58251-0
  • 1997 Ein mögliches Selbstverständnis. 219 Seiten. Reclam. ISBN 3-15-009650-2
  • 1989 Höhlenausgänge. 827 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-28900-4
  • 1988 Matthäuspassion. 306 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-01998-8
  • 1987 Die Sorge geht über den Fluß. 222 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-01965-1
  • 1987 Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie. Suhrkamp. ISBN 3-518-28252-2
  • 1986 Lebenszeit und Weltzeit. 378 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-29114-9
  • 1981 Wirklichkeiten, in denen wir leben. Reclam: Ditzingen. ISBN 3-15-007715-X
  • 1979 Arbeit am Mythos. 699 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-57515-5
  • 1979 Die Lesbarkeit der Welt. 415 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-06741-9
  • 1979 Schiffbruch mit Zuschauer. Suhrkamp.
  • 1975 Die Genesis der kopernikanischen Welt. 803 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-27952-1
  • 1966 Die Legitimität der Neuzeit. 707 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-28868-7
  • 1965 Die kopernikanische Wende. Suhrkamp.
  • 1962 »Säkularisation«. Kritik einer Kategorie historischer Illegitimität, in: Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt, hrsg. von Helmut Kuhn und Franz Wiedmann, München: Pustet 1964, 240—265 [Diskussionsbericht von Hermann Braun, ebd., 333—338].
  • 1960 Paradigmen zu einer Metaphorologie. 199 Seiten. Suhrkamp. ISBN 3-518-28901-2
  • 1950 Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Habilitationsschrift, Kiel (unveröffentlicht)
  • 1947 Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie. Dissertation, Kiel (unveröffentlicht)

Außerdem zahlreiche Beiträge in Enzyklopädien, Sammelbänden, Fachzeitschriften und Zeitungen.

Sekundärliteratur

Monographien

  • D.Adams und P.Behrenberg: Bibliographie. In: Franz Josef Wetz u. Hermann Timm (siehe dort).
  • Peter Behrenberg: Endliche Unsterblichkeit. Studien zur Theologiekritik Hans Blumenbergs. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1994. (Dissertation)
  • Jürgen Goldstein: Nominalismus und Moderne: zur Konstitution neuzeitlicher Subjektivität bei Hans Blumenberg und Wilhelm von Ockham. Freiburg (Breisgau); München: Alber, 1998. ISBN 3-495-47863-9 (Dissertation)
  • Jürg Haefliger: Imaginationssysteme: erkenntnistheoretische, anthropologische und mentalitätshistorische Aspekte der Metaphorologie Hans Blumenbergs. Bern; Berlin; Frankfurt/M.; New York; Paris; Wien: Lang, 1996. ISBN 3-906756-83-1 (Dissertation)
  • Felix Heidenreich: Mensch und Moderne bei Hans Blumenberg. München 2005.
  • Markus Hundeck: Welt und Zeit: Hans Blumenbergs Philosophie zwischen Schöpfungs- und Erlösungslehre. Würzburg: Echter, 2000. ISBN 3-429-02281-9 (Dissertation)
  • Marcel Lepper u. Alexander Schmitz: Hans Blumenberg, Carl Schmitt. Briefwechsel 1971-1978 und weitere Materialien. Suhrkamp, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-518-58482-8.
  • Oliver Müller: Sorge um die Vernunft. Hans Blumenbergs phänomenologische Anthropologie. Paderborn: Mentis Verlag, 2005 (Dissertation)
  • Philipp Stoellger: Metapher und Lebenswelt : Hans Blumenbergs Metaphorologie als Lebenswelthermeneutik und ihr religionsphänomenologischer Horizont. Tübingen: Mohr Siebeck, 2000. ISBN 3-16-147302-7 (Dissertation)
  • Franz Josef Wetz: Hans Blumenberg zur Einführung. Hamburg: Junius-Verl., 2004, 2. Aufl., ISBN 3-88506-389-1 (Beschreibung)
  • Franz Josef Wetz u. Hermann Timm (Hrsg.): Die Kunst des Überlebens : Nachdenken über Hans Blumenberg. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999. ISBN 3-518-29022-3

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