Muzio Clementi

Muzio Clementi (* 23. Januar 1752 in Rom; † 10. März 1832 in Evesham) war ein italienischer Komponist, Pianist und Musikpädagoge, ferner auch Dirigent, Klavierbauer und Musikverleger.
Leben
Kindheit
Mutius Philippus Vincentius Franciscus Xaverius Clementi wurde 1752 in Rom als Sohn des angesehenen Silberschmieds Niccolo Clementi (1720–1789) und dessen zweiter Ehefrau Magdalena Kaiser (vermutlich deutscher Herkunft) geboren. Von seinen sieben Geschwistern überlebten nur drei: Gaetano (1757–1806), welcher später ebenfalls Musiker werden sollte, Maria Luigia (geb. 1759) und Regina (geb. 1764).
Im Alter von sechs Jahren erhielt er Musikunterricht bei einem Verwandten, dem Musiker Antonio Boroni (1738–1792); danach lernte er bei Giuseppe Santarelli (1720–1790) und Gaetano Carpani (1692–1785). Clementi war so begabt, dass er bereits im Alter von neun Jahren eine Anstellung als Organist erhielt und schon mit zwölf Jahren eine vierstimmige Messe und das Oratorium Martirio de´ gloriosi Santi Giuliano e Celso WO 1 komponierte, von dem heute leider nur noch das Libretto existiert. (Die Bezeichnung „WO“ bezieht sich auf den Werkkatalog von Alan Tyson und ist eine Abkürzung des englischen Ausdrucks „work without opus number“, zu deutsch „Werk ohne Opuszahl“.)
Ausbildung in England
Der Engländer Sir Peter Beckford (1740–1811) hielt sich 1765 und 1766 in Rom auf, bemerkte das musikalische Talent Clementis und nahm den Vierzehnjährigen, mit dem Einverständnis der Eltern, mit auf seinen Landsitz in Dorset im Südwesten Englands. Dort erhielt Clementi auf Wunsch seines Mäzens eine gründliche Schulausbildung, übte viel Cembalo, hauptsächlich die Werke von Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach und Domenico Scarlatti, und komponierte die Klaviersonate G-dur WO 14 und die 6 Klaviersonaten Op. 1.
1774 ging Clementi nach London, wo er als Pianist und Komponist am Konzertleben teilnahm und Aufführungen des King´s Theatre leitete.
Europäische Konzertreise
Ermutigt von seinen Erfolgen in der britischen Hauptstadt brach er zu einer Konzertreise ins Ausland auf. 1780 trat er vor Königin Marie Antoinette in Paris auf und spielte 1781, nachdem er auch in München und Salzburg konzertiert hatte, für deren Bruder Kaiser Joseph II. in Wien.
Joseph II. arrangierte auch einen Klavierwettstreit Clementis mit Wolfgang Amadeus Mozart, der am Weihnachtsabend des Jahres 1781 in der Wiener Hofburg stattfand. Mozart äußerte sich im Januar des folgenden Jahres in einem Brief an seinen Vater Leopold Mozart zwar abfällig über Clementi, verwendete später aber eine Melodie aus dessen Klaviersonate B-dur Op. 24 Nr. 2 in der Ouvertüre zu seinem Singspiel Die Zauberflöte.
Komponist und Lehrer in England
1783 kehrte Clementi nach England zurück. Im Herbst desselben Jahres wurde der Komponist, Pianist, Klavierpädagoge und Klavierbauer Johann Baptist Cramer sein Schüler. 1786 komponierte Clementi die 3 Violinsonaten Op. 15, 1787 das Capriccio für Klavier B-dur Op. 17 sowie die 2 Sinfonien Op. 18, 1790 schrieb er das Klavierkonzert C-dur WO 37, und 1791 entstanden die 6 Klaviersonaten Op. 25.
1794 wurde der Komponist und Pianist John Field sein Schüler. 1797 komponierte Clementi die 6 Klaviersonatinen Op. 36. In den 1790er Jahren hatte Clementi begonnen, sich auch als Musikverleger und Klavierbauer zu profilieren. 1798 wurde die berühmte Klavierbaufirma „Longman & Broderip“ in „Clementi & Co.“ umbenannt. Doch unter Clementis Leitung baute das Unternehmen nicht nur Klaviere, sondern veröffentlichte auch Werke von allen berühmten Musikern jener Zeit, darunter eigene Werke.
Unterwegs
Mit Field begann Clementi 1802 eine Reise, die insgesamt acht Jahre dauerte. Zuerst gingen sie nach Paris, nach Wien, wo sie Joseph Haydn besuchten, und Sankt Petersburg. Sein Schüler blieb in der russischen Stadt, doch Clementi reiste weiter; er ging nach Dresden, Prag, Zürich, Leipzig und Berlin, wo er Caroline Lehmann, Tochter des Musikers Johann Georg Gottfried Lehmann, kennenlernte. Er heiratete sie am 18. September 1804 und reiste nachfolgend mit ihr nach Rom und Neapel. Am 8. August 1805 wurde ihr gemeinsamer Sohn Carl geboren, doch neun Tage nach der Geburt starb sie. Nach diesem Schicksalsschlag ging Clementi über Riga und Sankt Petersburg nach Wien, wo er mit Ludwig van Beethoven, der seine Kompositionen sehr schätzte, in geschäftliche Beziehungen trat. Danach reiste er über Rom und Mailand nach England bzw. London zurück, wo er im Sommer 1810 ankam.
Zurück in England
Am 6. Juli 1811 heiratete er in der St. Pancras Church Emma Gisborne, mit der er eine glückliche Ehe führte und vier Kinder hatte: Vincent, Caecilia Susannah, Caroline und John.
1813 beteiligte er sich an der Gründung der „Royal Philharmonic Society“, zu deren Direktor er ernannt wurde. Ungefähr in dieser Zeit lernte er weitere Musiker kennen: den Komponisten und Organisten Samuel Wesley, den Komponisten, Pianisten und Dirigenten Ferdinand Ries und den Komponisten und Pianisten Friedrich Kalkbrenner.
1801 hatte Clementi die Sinfonie C-dur WoO 32 komponiert, 1815 die Sinfonie G-dur WO 34. 1817 begann er die Arbeit an einem seiner berühmtesten Werke: Gradus ad Parnassum Op. 44, ein aus 100 Etüden bestehendes Unterrichtswerk für Klavier, das er 1826 vollendete. 1821, drei Jahre nach einer Reise nach Paris und Frankfurt am Main, komponierte er die Fantasie für Klavier C-dur Op. 48. Seine letzte Reise unternahm er 1822 nach Leipzig, wo er im Gewandhaus erfolgreich einige Konzerte dirigierte. Ab 1823, dem Entstehungsjahr der 3 Klaviersonaten Op. 50, blieb er in England. Im Juni 1824 besuchte ihn Franz Liszt, 1826 lernte er den Komponisten, Pianisten und Dirigenten Ignaz Moscheles kennen, und 1829 besuchte ihn Felix Mendelssohn Bartholdy.
Nach vielen Triumphen zog sich Clementi schließlich mit seiner Familie auf seinen Landsitz in Evesham zurück, wo er am 10. März 1832 im Alter von 80 Jahren starb. An seiner Beisetzung, die am 29. März 1832 stattfand, nahmen zahlreiche Menschen teil, darunter auch einige seiner früheren Schüler. Sein Grab befindet sich im Südkloster der Londoner Westminster Abbey.
Werke
Orchesterwerke
- Sinfonie Op. 18 Nr. 1 B-Dur
- Sinfonie Op. 18 Nr. 2 D-Dur
- Sinfonie Nr. 1 WO 32 C-Dur (unvollständig; „rekonstruiert“ und hgg. von Alfredo Casella)
- Sinfonie Nr. 2 WO 33 D-Dur (unvollständig; in Teilen hgg. von Alfredo Casella)
- Sinfonie Nr. 3 (?) WO 34 G-Dur („Great National Symphony“; unvollständig)
- Sinfonie Nr. 4 WO 35 D-Dur (unvollständig; in Teilen hgg. von Alfredo Casella)
- Ouvertüre C-Dur
- Ouvertüre D-Dur
- Minuetto pastorale WO 36
Solokonzerte
- Klavierkonzert C-Dur (später zur Klaviersonate Op. 33 Nr. 3 umgearbeitet)
- 15 Violinkonzerte
Klavierwerke
- 72 Klaviersonaten
- 12 Klaviersonatinen
- 7 Klaviersonaten zu 4 Händen
- 2 Duette für 2 Klaviere Op. 14
- 5 Capriccios für Klavier
- Toccata für Klavier Op. 11
- Fantasie mit Variationen über „Au clair de la lune“ Op. 48
- Zwölf Variationen für das Hammerklavier Op. 49
- Introduction to the Art of Playing the Piano Forte Op. 42 (eine Klavierschule)
- Anhang zur fünften Auflage der Introduction to the Art of Playing the Piano Forte Op. 43 (eine Sammlung von instruktiven Stücken)
- Gradus ad Parnassum, or The Art of Playing on the Piano Forte Op. 44 (eine 100 Nummern umfassende Sammlung von Präludien und Fugen, Kanons, Sonatensätzen und Charakterstücken)
Kammermusikwerke
- 3 Sonaten Op. 2 Nr. 1, 3 und 5 für Pianoforte/Cembalo und Flöte/Violine
- 3 Sonaten Op. 3 für Pianoforte/Cembalo und Flöte/Violine
- 4 Sonaten Op. 4 für Pianoforte/Cembalo und Flöte/Violine
- 3 Sonaten Op. 13 für Pianoforte/Cembalo und Flöte/Violine
- Sonate Op. 31 für Pianoforte/Cembalo und Flöte (Überarbeitung der Klaviersonate Op. 2 Nr. 4)
- 3 Sonaten für Pianoforte/Cembalo, Flöte und Violoncello Op. 21
- 3 Sonaten für Pianoforte/Cembalo, Flöte und Violoncello Op. 22
Vokalwerke
- Martirio de’ gloriosi Santi Giuliano e Celso (Oratorium; nur der Text ist überliefert)
- Vierstimmige Messe
Clementi in der Gegenwart
Der Pianist Wladimir Horowitz entwickelte eine besondere Vorliebe für Clementis Kompositionen, wobei er die besten auf eine Ebene mit den Werken Ludwig van Beethovens stellte. Die Wiederherstellung von Clementis Ansehen als ernsthafter Künstler ist nicht zuletzt dieser Passion zu verdanken.
Es existiert eine Einspielung des gesamten Klavierwerks auf 18 CDs durch den italienischen Pianisten Pietro Spada (mit George Darden in den 4-händigen Werken). Hörenswerte Interpretationen einzelner Werke gibt es außerdem von Pianisten wie Lilya Zilberstein, Maria Tipo, Andreas Staier, Andrea Coen, Howard Shelley, Costantino Mastroprimiano und Stefan Irmer.
Literatur
- Max Unger: Muzio Clementis Leben. Reprint der Erstausgabe Langensalza 1914. Da Capo, New York 1971.
- Alan Tyson: Thematic Catalogue of the Works of Muzio Clementi. Schneider, Tutzing 1967.
- Leon Plantinga: Clementi. His Life and Music. Oxford University Press, London 1977.
- Marianne Stoelzel: Die Anfänge vierhändiger Klaviermusik. Studien zur Satztypik in den Sonaten Muzio Clementis. Peter Lang, Frankfurt am Main 1984.
- Anselm Gerhard: London und der Klassizismus in der Musik. Die Idee der „absoluten Musik“ und Muzio Clementis Klavierwerk. Metzler, Stuttgart 2002.
- R. Illiano, L. Sala und M. Sala (Hg.): Muzio Clementi. Studies and Prospects. Orpheus, Bologna 2002.
- M. Sala und R. Bösel (Hg.): Muzio Clementi Cosmopolita della Musica. Orpheus, Bologna 2004.
- R. H. Stewart-MacDonald: New Perspectives on the Keyboard Sonatas of Muzio Clementi. Orpheus, Bologna 2006.
- Helge Kreisköther: Muzio Clementi (1752–1832). Ein vergessenes Musikgenie. Re Di Roma, Essen 2009.
Weblinks
Personendaten | |
---|---|
NAME | Clementi, Muzio |
KURZBESCHREIBUNG | klassischer Komponist |
GEBURTSDATUM | 23. Januar 1752 |
GEBURTSORT | Rom |
STERBEDATUM | 10. März 1832 |
STERBEORT | Evesham bei Worcester |