Zum Inhalt springen

Lothar Bisky

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Dezember 2009 um 20:28 Uhr durch Sir James (Diskussion | Beiträge) (Warum entfernst Du diesen Satz? Siehe http://www.neues-deutschland.de/kontakt/1). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Lothar Bisky (2004)

Lothar Bisky (* 17. August 1941 in Zollbrück, Kreis Rummelsburg in Pommern) ist ein deutscher Politiker (Die Linke) und Abgeordneter des Europaparlaments. Er war von 1993 bis 2000 und erneut von 2003 bis 2007 Bundesvorsitzender der PDS. Seitdem ist er gemeinsam mit Oskar Lafontaine Vorsitzender der Partei Die Linke. Zur Europawahl 2009 war er Spitzenkandidat für seine Partei. Im Europaparlament ist er seit 2009 der Vorsitzende seiner Fraktion, der GUE/NGL. Seit ihrem 2. Kongress 2007 ist Bisky ebenfalls Vorsitzender der Europäischen Linken. Außerdem ist er Herausgeber der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland.

Ausbildung und Beruf

Nach der Flucht der Familie aus Pommern ist Bisky in Brekendorf, Schleswig-Holstein, aufgewachsen. 1959 ging er als 18-Jähriger alleine in die DDR, da ihm nach seiner Aussage das Ablegen des Abiturs in der Bundesrepublik aufgrund der finanziellen Verhältnisse seiner Familie nicht möglich war. Nach dem Abitur studierte er dort von 1962 bis 1963 Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und von 1963 bis 1966 Kulturwissenschaften an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Er beendete sein Studium als Diplom-Kulturwissenschaftler und war anschließend ab 1966 zunächst als wissenschaftlicher Assistent und im Folgendem von 1967 bis 1980 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Abteilungsleiter am Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig tätig. 1969 erfolgte seine Promotion zum Dr. phil. an der Universität Leipzig mit der Arbeit Massenkommunikation und Jugend – Studien zu theoretischen und methodischen Problemen und 1975 schließlich seine Habilitation zum Dr. sc. phil. mit der Arbeit Zur Kritik der bürgerlichen Massenkommunikationsforschung. 1979 nahm er den Ruf der Humboldt-Universität als Honorarprofessor an und war anschließend von 1980 bis 1986 Dozent an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED. 1986 folgte er dem Ruf als ordentlicher Professor für Film- und Fernsehwissenschaft an die Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam, deren Rektor er ebenfalls von 1986 bis 1990 war. Von April 2007 bis November 2009 erschien Lothar Bisky im Impressum der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland als Herausgeber.[1]

Familie

Lothar Bisky ist verheiratet und hat mit seiner Frau Almuth drei Söhne. Der älteste Sohn, Jens Bisky, ist Journalist und Schriftsteller; der zweitgeborene Sohn, Norbert Bisky, ist Maler. Der jüngste Sohn Stephan Bisky starb im Dezember 2008 im Alter von 23 Jahren in Edinburgh.[2]

Bisky wohnt nördlich von Berlin in Hohen Neuendorf, Landkreis Oberhavel.

Wende

Bisky spricht bei der Alexanderplatz-Demonstration am 4. November 1989

Während der Wende nach der Öffnung der Berliner Mauer geriet Bisky ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, nachdem er am 4. November 1989 eine Rede vor rund 500.000 Demonstranten auf dem Berliner Alexanderplatz gehalten hatte. In der Rede plädierte er für den Fortbestand der DDR auf der Basis eines demokratisch reformierten Sozialismus. Auf dem außerordentlichen Parteitag der SED-PDS im Dezember 1989, in dessen von den Weisungen des ZK der SED unabhängigen Vorbereitungsausschuss Bisky mitarbeitete, wurde er als Vertreter der Reformer in den Vorstand der Partei gewählt. Als Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam hatte Bisky bereits zu den Kommunalwahlen 1989 an seiner Hochschule durchgesetzt, dass dort das in der Verfassung der DDR beschriebene Recht auf geheime Wahlen mittels Wahlkabinen umgesetzt wurde, was sich im Vergleich zu den Wahlergebnissen der übrigen DDR in äußerst abweichenden Stimmverhältnissen ausgedrückt hatte.

Partei

1963 wurde Bisky Mitglied der SED. Von 1989 bis 1991 gehörte er dem Präsidium der zwischenzeitlich in PDS umbenannten Partei an. Von 1991 bis 1993 war er PDS-Landesvorsitzender in Brandenburg. Von 1993 bis 2000 sowie von 2003 bis zum 15. Juni 2007 war er Bundesvorsitzender der mittlerweile aufgelösten PDS beziehungsweise der Linkspartei.PDS. Seit dem 16. Juni 2007 ist er Vorsitzender der neu gegründeten Partei Die Linke.

Abgeordneter

Bisky gehörte von März bis Oktober 1990 der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an. Von 1990 bis 2005 war er Mitglied des Landtages von Brandenburg und bis zur Landtagswahl 2004 Vorsitzender der PDS-Landtagsfraktion. Von 1992 bis 1994 leitete er als Vorsitzender den Landtags-Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Vorwurfes der IM-Tätigkeit gegen den damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe.

Von Oktober 2004 bis 2005 war er Vizepräsident des Brandenburger Landtages.

Er wurde für die vorgezogene Bundestagswahl 2005 als Spitzenkandidat der Linkspartei in Brandenburg gewählt.

In einer internen Abstimmung setzte er seine Ambition auf das Amt des Bundestagsvizepräsidenten mit Zwei-Drittel-Zustimmung gegen Gesine Lötzsch durch. Bei den Wahlen der Vizepräsidenten bei der konstituierenden Sitzung am 18. Oktober 2005 erreichte er bis zum Abbruch der Wahlen nach dem dritten Wahlgang nicht die jeweils nötige Mehrheit. Dies war ein einmaliger Vorgang im Deutschen Bundestag, da nach der aktuellen Geschäftsordnung jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein soll. Bis zu dieser Wahl bestand die ungeschriebene Übereinkunft, bei der Wahl Vorschläge anderer Fraktionen ohne Vorbehalt und im Vorfeld stattfindende Übereinkünfte zu akzeptieren.

In einem vierten Wahlgang am 8. November erreichte Lothar Bisky wiederum nicht die nötige Mehrheit. Über das weitere Vorgehen musste Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mit den parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen beraten, da die Geschäftsordnung des Bundestages für einen solchen Fall keine Regelung vorsah. In einer Fraktionssitzung der Linkspartei nach der erneuten Nichtwahl von Bisky erfolgte der Beschluss, den dieser Fraktion zustehenden Posten des Bundestagsvizepräsidenten bis zu einer anderslautenden Fraktionsentscheidung unbesetzt zu lassen. Am 7. April 2006 wurde Petra Pau als Vertreterin der Linksfraktion auf den bis dahin freigebliebenen Posten des Bundestagsvizepräsidenten gewählt.

Das Abstimmungsverhalten der meisten Bundestagsabgeordneten war wohl Ausdruck der Ablehnung Biskys Vergangenheit in der SED. Außerdem wurde als Grund angebracht, dass er als Parteichef nicht noch Bundestagsvizepräsident sein könnte.[3]

Am 7. Juni 2009 wurde Bisky als Spitzenkandidat der Linken ins Europäische Parlament gewählt. Am 24. Juni fand die Wahl zum Vorsitzenden der Fraktion GUE/NGL statt, die Bisky deutlich gewann. Um sein neues Mandat auszuüben, gab er am 14. Juli seinen Sitz im Deutschen Bundestag an Steffen Hultsch ab.

Stasi-Vorwürfe

Der Verdacht gegen Bisky, Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen zu sein, tauchte 1995 auf, als in der Stasi-Akte seiner Ehefrau entsprechende Hinweise gefunden wurden. Sie sei, so hieß es darin, vom Staatssicherheitsdienst zur »Absicherung der inoffiziellen Zusammenarbeit« mit ihrem Ehemann erfasst worden.[4] Die daraufhin stattfindende erneute Überprüfung führte zum Auffinden zweier bisher unbekannter Einträge, denn die Rosenholz-Akten enthielten zwei Karteikarten, nach der Lothar Bisky in Verbindung mit dem Decknamen Bienert ab 1966 als IMA und ab 1987 als GMS mit dem Decknamen Klaus Heine beim MfS der DDR registriert war. Die Führungsoffiziere stuften den IM als »zuverlässig« ein – die beste Kategorie der Stasi.

Lothar Bisky gab an, „die für seine Position üblichen“ offiziellen Kontakte zum MfS gehabt zu haben, jedoch habe er nie eine Verpflichtungserklärung unterschrieben, die unter anderem Voraussetzung für eine inoffizielle Mitarbeit gewesen wäre. Bisky erklärte weiter, dass er über Reisen ins westliche Ausland „die üblichen Reiseberichte für meine zuständigen Leitungen angefertigt und an sie weitergeleitet“ habe. Er fügte hinzu: „Wer sich diese zusätzlich angeeignet hat, entzieht sich meiner Kenntnis.“ Was die Reiseberichte enthielten, ist nicht bekannt. Die Hauptverwaltung Aufklärung des MfS (konkret der zuständige Oberleutnant Körner) gab im Rahmen der bevorstehenden Berufung Biskys an die Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Berlin eine Beurteilung über ihn ab, die ihn als „ein zuverlässiger Genosse“, der sich „strikt an die gegebenen Anweisungen hält und gegenüber dem MfS stets ehrlich war“, beschreibt.[5][6]

Schießbefehl

2007 bezweifelte Bisky öffentlich, dass es einen allgemeinen Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze gegeben habe, bezeichnete die Todesopfer an der innerdeutschen Grenze aber als die „schlimmste Seite der DDR“. Kritik an seinen Äußerungen kam von innerhalb und außerhalb seiner Partei.[7]

Veröffentlichungen

  • Massenmedien und ideologische Erziehung der Jugend. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1976.
  • Geheime Verführer: Geschäft mit Shows, Stars, Reklame, Horror, Sex. Verlag Neues Leben, Berlin 1982 (3. Auflage).
  • The show must go on: Unterhaltung am Konzernkabel: Film, Rock, Fernsehen, neue Medien. Verlag Neues Leben, Berlin 1984.
  • Mit Dieter Wiedemann: Der Spielfilm, Rezeption und Wirkung: kultursoziologische Analysen. Henschelverlag Kunst & Gesellschaft, Berlin 1985.
  • Wut im Bauch: Kampf um die PDS, 29. November bis 7. Dezember 1994; Erlebnisse, Dokumente, Chronologie. Dietz, Berlin 1995, ISBN 3-320-01881-7.
  • So viele Träume: mein Leben. Rowohlt, Berlin 2005, ISBN 3-87134-474-5.
 Wikinews: Lothar Bisky – in den Nachrichten
Commons: Lothar Bisky – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Lothar Bisky beendet Herausgeberschaft Neues Deutschland 21. November 2009
  2. Spiegel Online: „Sohn von Lothar Bisky tot aufgefunden“, 31. Dezember 2008
  3. Die Zeit: Bisky hat verstanden, 8. November 2005.
  4. Hubertus Knabe:Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur, Propyläen 2007, S. 63.
  5. Frankfurter Allgemeine Zeitung:Akte Bisky: „Ein zuverlässiger Genosse“, 7. November 2005]
  6. Stern :Stasi-Akte Bisky, Die Sache mit "IM Bienert", 20. Oktober 2005
  7. netzeitung.de: Schießbefehl bereitet Bisky ein Problem, 28. August 2007.