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Wahhabiten

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Die Wahhabiten sind eine Gruppierung des Islams. Als Begründer gilt Scheich Muhammad ibn Abd al-Wahhab, der im 18. Jahrhundert im heutigen Saudi-Arabien lebte. Wahhabiten wenden sich gegen jeden fremden Kultureinfluss und unabhängige Wissenschaft. In konservativer Auslegung dürfen Frauen kein Auto steuern, und es sind ihnen beispielsweise Gesang und Parfüm verboten. Das vielfältige orientalische Kulturerbe ist ihnen suspekt.

Ursprung und Lehre

Der Gründer Muhammad ibn Abd al-Wahhab stammte aus der Oasenstadt Uyaina im Nadschd (Zentralarabien). Er studierte in Bagdad den islamischen Rechtsgelehrten Ahmad Ibn Hanbal. Er wandte sich im 8. und 9. Jahrhundert gegen die Islamische Wissenschaft und forderte einen einfachen, unanfechtbaren Islam, den die Menschen verstehen können, ohne die komplexen Systeme zur Betrachtung der Aussprüche des Propheten (Hadith) und weitere verschiedene Wissenschaften. Mit der Verwerfung der Hadith Wissenschaft verwarf er auch die Lehren der restlichen Islamischen Gelehrten des traditionellen Sunnitentums. Der Koran sollte so als monolithisches Werk des Himmels erscheinen, dem Menschen nichts hinzufügen dürften. Abduhl Wahhab fasste diese Lehren im Buch der Einheit (arabisch kitab at-tauhid) zusammen, das eine einfache Natur Gottes und seiner Offenbarung verkündete. Die Anhänger Wahhabs nennen sich selbst deshalb Unitarier (arabisch al-Muwahhidun).

Abd al-Wahhab übernahm auch die Lehren Ibn Taimiyas, eines anderen Schülers Hanbals, der im 14. Jahrhundert lebte. Taymiya wandte sich gegen eine Schwächung des Islam durch fremde Einflüsse. Er geißelte die Logik und die empirische Wissenschaft Griechenlands sowie die islamische Mystik, die er für ein feindliches, dem christlichen Glauben entlehntes Element hielt. Ibn Taimiya wurde später auf Mehrheitsbeschluss der Sunnitischen Gelehrten in den Kerker geworfen, da sie sich durch seine Ansichten zu weit vom Sunnitentum abspalteten.

Wahhabiten betrachten sich als die einzig wahren Muslime. Sie lehnen alle anderen Richtungen des Islam, insbesondere den Sufismus (islamische Mystik) und die Schia, ab. Bezüglich des Sufismus sei erwähnt, daß bis heute (Stand: 2005) in Saudi-Arabien die Todesstrafe ausgesprochen wird, sollte sich ein Sufi-Sheikh als solcher benennen. Diese Haltung wurde wie erwähnt von den traditionellen Sunniten nicht eingenommen, da viele Große Gelehrte der Sunniten ebenfalls Sufi-Sheikhs bzw. Sufis waren.

Geschichtliche Entwicklung

Die Schule wurde von Muhammad ibn Abd al-Wahhab (1699-1792 n.Chr.) gegründet. Er entstammt dem östlichen Teil des heutigen Saudi Arabiens aus dem Nadschd. Sein Vater soll ein sehr rechtschaffener und reiner Mensch gewesen sein, wie auch sein Bruder Suleyman, die beide in der Tradition der Hanbalitischen Rechtsschule standen.

Muhammad ibn Abd al-Wahhab studierte Religion in Medina. Er war stark beeinflusst von der Lehre Ibn Taymiyyas (661-728 H./ 1263-1328 n.Chr.) und Ibn Kayyim al-Jawiziyyas (691-751 H./ 1292-1350 n.Chr.). Beide Gelehrten wichen von der Lehre der Ehli Sunna wel Dschemaat ab, indem sie sagten, es sei nicht nötig, den Gelehrten oder den 4 Rechtsschulen zu folgen. Sie verkündeten, dass diejenigen, die ihrer Schule nicht folgen, Ungläubige seien. Ihre Schule ist bekannt als die Salafi Schule und bildet sozusagen die fünfte Schule neben der Maliki, Hanbali, Schafi und Abu Hanife.

Sein Vater und sein Bruder warnten die Muslime vor Muhammad ibn Abd al-Wahhabs Erneuerungen, seinem neuen und gefährlichen Glauben, und seine für die Mehrheit der Sunniten irregeleiteten Lehre. Trotzdem gelingt ihnen bis heute immer wieder Anhänger für ihre Lehre über Einheit (Tawhid), Irrglauben (Schirk) und Unglauben (kufr) zu gewinnen. Seine Lehren widersprechen allerdings denen der anderen sunnitischen Imame und Gelehrten, von der Zeit des Propheten Muhammed bis heute. Dennoch erklärte er jeden zum Ungläubigen der seiner Schule nicht folgt.

Er begann seine Missionierung 1143 H. (1731 n.Chr.) und sein Glaube verbreitete sich durch die Wüste Nadschd nach 1150 H. (1738 n.Chr.). Muhammed b. Saud Prinz von Dariya und sein Sohn Abdulaziz unterstützten ihn bei der Verbreitung seiner Lehre.

Viele von Muhammad ibn Abd al-Wahhabs Lehrern sagten: „seine Lehre wird viele Menschen von den Sunniten trennen und den wahren Praktiken des Islams.“ Dies schließt auch seinen Vater und sein Bruder Scheich Suleyman ein, welcher das Buch „Göttlicher Donnerschlag im Widerlegen der Wahabitischen Lehre“ schrieb, erschienen 1888 n.Chr. im Irak.

Muhammad ibn Abd al-Wahhab behauptete seine Absicht sei es eine beschränkte Interpretation der Einheit(Tawhid) zu festigen und den Schirk (Irrglauben) zu eliminieren. Er beschuldigte alle Muslime, von vor 1000 Jahren bis heute, Muschrik zu sein und seine Lehre korrigiere den falschen Glauben der Mehrheit der Muslime.

Er berief sich auf Suren des Korans, die zu Zeiten Mohammeds vor einem Abfallen von der Lehre Mohammeds warnten und diese Abtrünnigen zu Ungläubigen erklärt. Für die Wahhabiten sind damit natürlich die vier anderen Schulen gemeint.

Muhammad ibn Abd al-Wahhab und seine Anhänger kontrollierten immer mehr Volksstämme, sei es durch Überzeugung oder durch Krieg. Als ihr Reich groß und mächtig war griffen sie Mekka und Medina an und blockierten die Pilgerwege. Sie schickten Imame zu den beiden Heiligen Moscheen um die dortigen Imame von ihrer Lehre zu überzeugen. Bis heute gelang es ihnen nicht.

Dem Prinz von Hidschas, Masud b. Said, gelang die Rückeroberung der heiligen Moscheen und trieb die Wahhabiten zurück in den Nadschd. Aber der Sieg war nur vorübergehend. Muhammad ibn Abd al-Wahhab erklärte eine Fatwa gegen die beiden Heiligen Moscheen, obwohl Gott im Koran die Orte als unantastbar verkündet hatte. Und wieder blockierten sie die Pilgerwege nach Mekka.

Im Jahre 1217 H. (10 Jahre nach dem Tod Muhammad ibn Abd al-Wahhabs) marschierten sie in Ta’if bei Mekka ein, schleiften es und massakrierten alle Männer, Frauen und Kinder, weil sie Sunniten waren. Die Bewohner von Mekka befürchteten, dass ihnen das gleiche wie in Ta’if widerfahren würde und übergaben 1218 H. Mekka den Angreifern. Die Eindringlinge blieben in Mekka, zwangen die Leute ihrem Schirk abzusagen und einen nach ihrem Vorbild reformierten Islam anzunehmen.

Bereits 1218 H. wurden sei wieder von den Prinzen Scharif Ghalib und Scharif Pascha vertrieben. Aber 1220 H. kehrten sie erneut zurück und vernichteten Mekka und Medina. Sie schändeten alle Frauen, verkauften ihre Kinder in die Sklaverei und schlachteten grausam alle Männer, ob alt oder jung. Dann setzten sie Prinz Mubarak bin Madya als Machthaber in Medina ein. Die Regentschaft über die beiden Heiligtümer dauerte sieben Jahre lang an. Sie hielten die Pilger aus Syrien und Ägypten davor ab, die Heiligtümer zu besuchen, da sie Ungläubige seien.

Im Jahre 1226 H. befahl der osmanische Sultan Muhammed Ali Pascha seinem ägyptischen Gouverneur "er solle sie bekämpfen und sie aus den Heiligen Stätten vertreiben." Eine Armee aus allen islamischen Ländern eroberte erst Medina, danach Mekka und schließlich Anfang des Jahres 1228 H. Ta’if. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit ließ Sultan Muhammed Ali Pascha eine Armee unter seinem Sohn Ibrahim Pascha 1231 H. nach Nadschd einmarschieren. Mit seinem Gegner Abdullah bin Saud, Prinz von Dariya, lieferte er sich viele Schlachten. Im Jahre 1233 H. wurde er endgültig besiegt.

Die wahhabitischen Feldzüge gelten als die schrecklichsten und unheiligsten Kriege der Moslems und zeigen ein grausam verzerrtes Gesicht des Islam.

Nach dem Ersten Weltkrieg

Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg entstanden durch die Vereinbarungen zwischen dem Völkerbund, dem Vereinigten Königreich und Frankreich im Nahen Osten die bis heute bestehenden Staaten. Die beabsichtigte Aufspaltung der Arabischen Halbinsel in einen Teil im Osten und einen im Westen (Transjordanien, unter dem Haschemitischen Königshaus) wurde durch die militärischen Erfolge der Al-Saud-Dynastie zunichte gemacht. Mit der Eroberung von Mekka und Medina entstand mit Saudi-Arabien 1932 ein dominanter Staat.

Saudi-Arabiens Gründer, König Abd al-Asis Ibn Saud, nutzte den Wahhabismus zur Begründung seiner Herrschaft und entschuldigte damit 1975 den Mord am saudischen König Feisal. 1979 erstürmten Wahhabiten die Große Moschee in Mekka und hielten sie zwei Wochen besetzt.

Wahhabiten heute

Viele islamistische Organisationen, sowohl in islamisch dominierten Ländern als auch in Europa und Amerika, haben Verbindungen zum Wahhabitismus oder stehen ihm nahe. Trotz des puritanischen Alleinvertretungsanspruchs der Wahhabiten unterstützen sie aus taktischen Überlegungen andere fundamentalistische Strömungen des Islam.

Zu nennen ist die der Salafiya nahestehende Muslimbruderschaft in Ägypten, die von Saudi-Arabien als Gegengewicht zum säkularen Staat Nassers begünstigt wurde. Aus ihr ging später unter anderem die Palästinenserorganisation Hamas als Nachfolgegruppierung des in den 40er Jahren entstandenen palästinensischen Ablegers hervor, der ebenfalls enge Kontakte zur saudischen Theokratie nachgesagt werden.

Die Taliban waren bislang die bekannteste wahhabitische Organisation außerhalb Saudi-Arabiens. Die Terrororganisation Al-Qaida leitet sich von dieser Richtung des Islam ab.

Die Bezeichnung „Wahhabiten“ wird in Russland, besonders auf dem Kaukasus, für islamische Fundamentalisten gebraucht, die – häufig aus dem arabischen Ausland kommend – einen von lokalen Bräuchen gereinigten Islam predigen. In der Zeit der Zerstörung und Orientierungslosigkeit nach dem Ersten Tschetschenienkrieg 1994-1996 gelang es ihnen, viele – besonders junge – Leute in Dagestan und Tschetschenien für sich zu gewinnen. Prominente Rebellenführer wie Schamil Bassajew schlossen sich den Wahhabiten an und sind verantwortlich für Aktionen wie die Geiselnahme von Beslan. Im Konflikt zwischen Aslan Alijewitsch Mashadow und Achmad Kadyrow ging es auch darum, wie man den Wahhabiten begegnen sollte.

Wahhabiten in Saudi-Arabien heute

In Saudi-Arabien ist der Wahhabitismus heute Staatsreligion. Gleichzeitig fördert der saudi-arabische Staat wahhabitische Organisationen in allen Teilen der Welt.

Als Hochburg der Wahhabiten im heutigen Saudi-Arabien darf Riad und Buraida genannt werden. Insbesondere in den südlichen Altbaustadtvierteln, das von armen Einwanderern aus Pakistan und Afghanistan dominert wird, ist der Einfluß groß.

Ein besonderer Auswuchs der saudischen Wahhabiten ist die Religionspolizei, die Mutawas. Mutawas sind, neben der regulären Polizei, Wächter, die die Einhaltung sittlicher Normen in der Öffentlichkeit kontrollieren sollen. Ungewöhnlich ist ferner, dass während des Freitaggebetes die Predigt auf sehr laut gestellt wird, so dass das gesamte Umfeld der Moschee beschallt wird. Dabei ist antiwestliche Propaganda nicht selten.

Wie in vielen anderen arabischen Ländern obliegt die Justiz den Religionsgelehrten, d.h. den Wahhabiten.

Die dem Islam widersprechende Lebensweise einer Reihe von Mitgliedern des Saudischen Königshauses polarisiert die Gesellschaft. Kommentatoren halten einen religiös motivierten Staatsstreich durch fundamentalistische Geistliche für denkbar.

Imame der Wahhabiten