Reinheitsgebot
Gesetzliche Regelung(en) über erlaubte Inhaltsstoffe im Bier, vorwiegend im deutschsprachigen Raum. Das Reinheitsgebot lässt sich im Wesentlichen auf folgenden Nenner bringen: "Ins Bier gehören nur Hopfen, Malz und Wasser"
Geschichte
Das Reinheitsgebot hat eine mittlerweile fast fünfhundert Jahre alte Geschichte. Im Laufe dieser Zeit hat es drei wesentliche Ausprägungen durchlebt.
- Das bayerische Reinheitsgebot von 1516, eine der ältesten lebensmittelrechtlichen Regelungen überhaupt.
- Die Übernahme in nationales Recht, insbesondere das Deutsche Reinheitsgebot, definiert im deutsches Biersteuergesetz
- Die Überführung in EU-Recht im Zuge der Liberalisierung des EG-Binnenmarktes. Die erlaubten Zusatzstoffe werden in der "Zusatzstoffverordnung" geregelt, Bier nach "Deutsche Reinheitsgebot" wird als sog. "traditionelles Lebensmittel" geschützt.
Das Bayerische Reinheitsgebot
Das bayerische Reinheitsgebot wurde im Jahr 1516 von dem bayerischen Herzog Wilhelm IV erlassen. (Es hatte allerdings Vorläufer, unter anderem eine Verordnung der freien Reichsstatt Nürnberg von 1290, die allerdings auf das Sparen von wertvollem, zu Brot verarbeitbaren Getreide und nicht auf die Reinheit des Bieres abzielte.)
Dieser Erlass regulierte einerseits die Preise, andererseits die Inhaltsstoffe des Bieres:
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Item wir ordnen, setzen und wollen mit Rathe unnser Lanndtschaft das füran allenthalben in dem Fürstenthumb Bayrn auff dem Lande auch in unsern Stettn vie Märckthen da desáhalb hieuor kain sonndere ordnung gilt von Michaelis bis auff Georij ain mass über zwen pfennig müncher werung un von Sant Jorgentag biß auf Michaelis die mass über zwen pfennig derselben werung und derenden der kopff ist über drey haller bey nachgeferter Pene nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. Wo auch ainer nit Merrzn sonder annder pier prawen oder sonst haben würde sol erd och das kains weg häher dann die maß umb ainen pfennig schenken und verkauffen. Wir wollen auch sonderlichhen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stüchh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn. Welcher aber dise unsere Ordnung wissendlich überfaren unnd nie hallten wurde den sol von seiner gerichtsobrigkait dasselbig vas pier zustraff unnachläßlich so offt es geschieht genommen werden. jedoch wo ain brüwirt von ainem ainem pierprewen in unnsern stettn märckten oder aufm lande jezuzeutn ainen Emer piers zwen oder drey kauffen und wider unnter den gemaynen pawrfuolck ausschenken würde dem selben allain aber sonstnyemandes soldyemaßs oder der kopfpiers umb ainen haller häher dann oben gesetzt ist zugeben un ausschenken erlaube unnd unuerpotn.
Im Deutschen Biersteuergesetz sind neben steuerrechtlichen Vorschriften auch die Anforderungen an das Bierbrauen aus dem Reinheitsgebot von 1516 enthalten:
Zur Bereitung von untergärigem Bier darf, abgesehen von den Vorschriften in den Absätzen 4 bis 6, nur Gestenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser verwendet werden. Die Bereitung von obergärigem Bier unterliegt derselben Vorschrift; es ist hierbei jedoch auch die Verwendung von anderem Malz und die Verwendung von technisch reinem Rohr- Rüben- oder Invertzucker sowie von Stärkezucker und aus Zucker der bezeichneten Art hergestellten Farbmitteln zulässig.
Unter Malz wird alles künstlich zum Keimen gebrachte Getreide verstanden. Die Verwendung von Farbebieren, die nur aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt sind, ist bei der Bierbereitung gestattet, unterliegt jedoch besonderen Überwachungsmaßnahmen.
An Stelle von Hopfen dürfen bei der Bierbereitung auch Hopfenpulver oder Hopfen in anderweit zerkleinerter Form oder Hopfenauszüge verwendet werden, sofern diese Erzeugnisse den nachstehenden Anforderungen entsprechen: Hopfenpulver und anderweit zerkleinerter Hopfen sowie Hopfenauszüge müssen ausschließlich aus Hopfen gewonnen sein.
Hopfenauszüge müssen die beim Sudverfahren in die Bierwürze übergehenden Stoffe des Hopfens oder dessen Aroma- und Bitterstoffe in einer Beschaffenheit enthalten, wie sie Hopfen vor oder bei dem Kochen in der Bierwürze aufweist, den Vorschriften des Lebensmittelrechts entsprechend. Die Hopfenauszüge dürfen der Bierwürze nur vor Beginn oder während der Dauer des Würzekochens beigegeben werden.
Als Klärmittel (zum Beispiel Kieselgur) für Würze und Bier dürfen nur solche Stoffe verwendet werden, die mechanisch oder absorbierend wirken und bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden. Auf Antrag kann im einzelnen Fall zugelassen werden, dass bei der Bereitung von besonderen Bieren und von Bier, das zur Ausfuhr oder zu wissenschaftlichen Versuchen bestimmt ist, von den Absätzen 1 und 2 abgewichen wird.
Die Vorschriften in den Absätzen 1 und 2 finden keinerlei Verwendung für diejenigen Brauereien, die Bier nur für den Hausgebrauch herstellen (Hausbrauer)
Der Zusatz von Wasser zum Bier durch Brauer nach Feststellung des Extraktgehaltes der Stammwürze im Gärkeller oder durch Bierhändler oder durch Wirte ist untersagt. Das Hauptzollamt kann Brauern unter den erforderlichen Sicherungsmaßnahmen den Zusatz von Wasser zum Bier nach Feststellung des Extraktgehaltes der Stammwürze im Gärkeller gestatten. Die Vermischung von Einfachbier, Schankbier, Vollbier und Starkbier miteinander sowie der Zusatz von Zucker zum Bier nach Entstehung der Steuer oder durch Bierhändler oder Wirte ist untersagt. Der Bundesminister für Finanzen kann Ausnahmen erlassen.
Zur Herstellung von obergärigem Einfachbier kann nach Maßgabe der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung [...]
Bayrisches Reinheitsgebot
Inhaltlich gibt es zwischen dem deutschen und dem (engeren) Bayerischen Reinheitsgebot Unterschiede:
Zum einen ist die außerhalb Bayerns bei der Herstellung obergäriger Biere zulässige Verwendung von „technisch reinem Rohr-, Rüben- oder Invertzucker" in Bayern verboten, zum anderen gilt dieses Reinheitsgebot in Bayern selbstverständlich zwingend auch für solche Biere, die zur Ausfuhr bestimmt sind, wohingegen außerbayerischen Brauereien bei für den Export produzierten Bieren die Möglichkeit einer Abweichnung vom Reinheitsgebot eingeräumt wird (§9 Abs. (7) Satz 1 Vorl. BierG).
Bei Eintritt Bayerns in die Weimarer Rupblik 1918 sicherte sich der Freistaat Bayern den Fortbestand dieser ihm aus dem Eintritt in das Deutsche Reich zustehenden „Reservatrechte" für die künftige Bierherstellung auf der Grundlage des strengen, Bayerischen Reinheitsgebotes.
Selbst in Zeiten größter Not wie während und kurz nach den Weltkriegen haben Bayerns Brauer diese Grundsätze nie verletzt.
Dies gilt im besonderen für Zusatzstoffe, die beispielsweise Geschmack, Farbe oder Haltbarkeit des Bieres wie auch die Stabilität seines Schaumes künstlich beeinflussen sollen, und deren Verwendung sich in den zurückliegenden bald 500 Jahren als für die Bierproduktion völlig überflüssig erwiesen hat.
Die Beschränkung auf die Verwendung ausschließlich von Wasser, Malz, Hopfen und Hefe für die Bierproduktion in Bayern ist damit nicht nur ein Zeichen besonders hoher Braukunst; sie steht auch für ein Bekenntnis zum aktiven Verbraucherschutz, steht für ein in höchstem Maße reines, bekömmliches Qualitätsprodukt.
Diese Bedeutung des Reinheitsgebotes findet sich schon in der Begründung zum Entwurf des Biersteuergesetzes vom 26. Juli 1918 eindrucksvoll bestätigt:
„Die Erfahrungen haben gelehrt, dass das Reinheitsgebot ein stets gleichbleibendes und einwandfreies Produkt mit größter Sicherheit zu gewährleisten vermag und gesundheitliche Schädigungen des Verbrauchers, wie sie bei der Verwendung von Ersatzstoffen nicht selten zu beobachten waren, nicht herbeiführt!".
Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer sieht einen Grund, warum die Obrigkeit 1516 in Bayern das berühmte »Reinheitsgebot« erließ, darin den beruhigenden und zugleich konservierenden Hopfen zum Brauen zu verwenden und andere "aufmüpfigen" Zutaten, etwa Rosmarin, zu verbieten.
Buch
- Prost Mahlzeit. Krank durch gesunde Ernährung. von Udo Pollmer (Herausgeber), ua
Kiepenheuer & Witsch (1994) ISBN 3462030124