Exorzismus
Der Exorzismus (latinisiert aus griechisch εξορκισμός, exorkismós - das Hinausbeschwören) ist in den Religionen die Praxis des Austreibens von Dämonen bzw. des Teufels aus Menschen, Tieren oder Dingen. Wenn Menschen oder Tiere betroffen sind, bezeichnet man sie als besessen. Der Exorzist tritt der religiösen Überzeugung nach in eine direkte Kommunikation mit dem unerwünschten Geist und sucht durch dessen Beseitigung eine Reintegration des Besessenen herbeizuführen. Die äußerlich erkennbare Form des Exorzismus variiert, kulturbedingt, vom intellektuellen Dialog bis zum Tanz im Trancezustand, sollte aber keinesfalls bezüglich geistigen Gehaltes außer Acht gelassen sein. (Auch hier gilt fort: Die Form ist nichts, der Inhalt ist alles!)
Der Exorzismus ist im allgemeinen, insbesondere nach "katholischer Lesart", aber eben nicht zwingend, nach einem bestimmten Schema gegliedert:
- Bedrohung
- Namenserfragung
- Ausfahrwort
- Rückkehrverbot
Alte Religionen
Sowohl im Hellenismus als auch im Judentum gab es Exorzisten (z.B. Magier oder bestimmte Rabbiner), die in dieser Eigenschaft durchs Land zogen. In christlicher Zeit gebrauchten sie, aufgrund bekannter Wirksamkeit, den Namen Jesu für ihre Zwecke erfolgreich - und das unabhängig davon, ob sie Heiden oder Juden waren.
Christentum
Altes Testament
Im Alten Testament werden Dämonen und Besessenheit noch kaum thematisiert. Exorzismus ist überhaupt kein Thema.
Neues Testament
Das Neue Testament setzt die Existenz von Dämonen als selbstverständlich voraus. Im Epheserbrief 6,12 werden sie Beherrscher dieser finsteren Welt genannt. Jesus von Nazareth praktiziert seinen Exorzismus vornehmlich als Heilung bestimmter Krankheiten. Besonders das Markusevangelium (Mk) schildert eindrücklich solche Exorzismen. Es lässt Jesu öffentliches Wirken mit einem Exorzismus (Mk 1,23-39) beginnen. "Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus." (Mk 1,39) Weiter wird berichtet, wie Jesus gleich eine ganze Legion von Dämonen einem Besessenen austreibt (Mk 5,1-20). Auch Jesu Jünger erhalten die Macht, Dämonen auszutreiben (Mk 3,15).
Kirchengeschichte
In der Frühzeit des Christentums war der Glaube an Dämonen und an die Notwendigkeit von Exorzismen weit verbreitet, teilweise übernommen aus heidnischer Tradition und fest verwurzelt im Volksglauben. Aber auch für die Kleriker war der Dämonenglaube selbstverständlich und so wurde das kirchliche Amt des Exorzisten speziell für diese Aufgabe geschaffen. Die meisten größeren Gemeinden hatten zumindest einen Exorzisten. Exorzismus wurde auch an abtrünnigen Christen wie der Prophetin Priscilla ausgeübt, da man die Abwendung vom christlichen Glauben als vom Teufel verursacht ansah, der so einen Menschen an der Erlangung des ewigen Heils hindern wollte.
Kirchliche Würdenträger wie Antoninus, Kyrill von Jerusalem und Johannes Chrysostomos empfahlen das Kreuzzeichen als Mittel zur Austreibung von Dämonen. Auch der Kirchenvater Origenes beschrieb detailliert die Möglichkeiten der Dämonenaustreibung. Als weitere Mittel wurden und werden genannt: Der Name Christi, das Taufsiegel, Anblasen, Ausspucken, Räuchern (auch andere Gerüche), Erz, Eisen, Feuer, Knoblauch, Zwiebeln, Verzicht auf Schweinefleisch, Glockenläuten etc.
Katholische Kirche
Der Exorzismus ist noch heute Bestandteil katholischer Lehre und Liturgie. Es wird dabei der einfache Exorzismus vom sog. Großen Exorzismus unterschieden. So beinhaltet der Taufritus einen kleinen Exorzismus, da er den Täufling von seinen Sünden und dessen Anstifter, dem Teufel, vom dem sich der Täufling - oder dessen Paten für ihn - lossagt, befreit. Der Vollzug des Großen Exorzismus ist einem Priester vorbehalten und bedarf der besonderen Genehmigung des Bischofs. Der Ritus ist im neu überarbeiteten Teil des Rituale Romanum De exorcismis et supplicationibus quibusdam von 1999 geregelt. Nach dem Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) dient der Große Exorzismus dazu, "Dämonen auszutreiben oder vom Einfluss von Dämonen zu befreien, und zwar kraft der geistigen Autorität, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat" (KKK Nr. 1673). Von Besessenheit unterschieden werden ausdrücklich Geisteskrankheiten. Diese "zu behandeln ist Sache der ärztlichen Heilkunde" (Ebd.). Vor dem Vollzug eines Großen Exorzismus muss sich die Kirche Gewissheit verschaffen, dass wirklich eine Besessenheit vorliegt und keine Krankheit. So ist unbedingt das Urteil unabhängiger Ärzte und Psychologen einzuholen.
Andere christliche Kirchen
Die orthodoxe Kirche hat eine eigene Tradition des Exorzismus, während die meisten älteren protestantischen Kirchen diesen nicht oder nicht mehr ausüben. Wegen der fortschreitenden Erforschung von Geisteskrankheiten steht der Vollzug des Großen Exorzismus in den Großkirchen Europas eher am Rande. Anders in Afrika, wo die charismatische Bewegung Massenerweckungen auslöst, die mit weithin beachteten exorzistischen Heilungen einhergehen.
Probleme
Katholische Exorzisten unterscheiden zwischen Besessenheit (bzw. Infestation oder Umsessenheit) einerseits und religiöser Hysterie und diversen Geisteskrankheiten andererseits. Der Exorzismus solle nur bei Besessenheit und deren Abstufungen zur Anwendung kommen. Es wird zugestanden, dass ein "Besessener" auch Anzeichen einer Geisteskrankheit zeigen kann. Aus nichtreligiöser Sicht gibt es allerdings keinen Zustand der Besessenheit, und so werden oft Vorwürfe erhoben, die Exorzisten behandelten religiös Hysterische und Geisteskranke und verschlechterten deren Zustand. Das Verweigern der Heilbehandlung einer Geisteserkrankung durch kompetente Ärzte und Therapeuten, um ein Exorzismus-Ritual durchzuführen, kann sowohl geistige wie auch körperliche Schäden bewirken.
Es kam bei Exorzismen auch zu Todesfällen. Der letzte kirchlich genehmigte "große Exorzismus" in Deutschland forderte ein Todesopfer - Anneliese Michel. Die an Epilepsie leidende angehende Lehrerin starb 1976 nach einer vom Würzburger Bischof Josef Stangl angeordneten und von Pater Arnold Renz und Pfarrer Alt durchgeführten Teufelsaustreibung an den Folgen von Unterernährung und Entkräftung. Gegen Ende des über 10 Monate andauernden Exorzismus an ihr hatte sie sich jeglicher Nahrungsaufnahme widersetzt. Juristisch hatte dieser Vorfall ein Nachspiel. Wegen "fahrlässiger Tötung durch Unterlassung" wurden die Eltern, Pater Renz und Pfarrer Alt im April 1978 zu einer dreijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht wirft ihnen vor, sie hätten für medizinische Hilfe sorgen und einen Arzt hinzuziehen müssen.
In den USA sind seit 1995 mindestens fünf Menschen in der Folge von Exorzismen gestorben.
Mit "Der Exorzist" (1973) und seinen Nachfolgern haben sich mehrere Filme mit diesem Thema beschäftigt und einen großen Publikumserfolg erzielt. Stets wird hier die Besessenheit einer Person als Tatsache dargestellt.
Quellen
- Die Bibel (Einheitsübersetzung)
- Katechismus der Katholischen Kirche
- De exorcismis et supplicationibus quibusdam ISBN 88-209-4822-2
- Karlheinz Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Bd. 3, ISBN 3-499-60244-X
Literatur
- Gabriele Amorth: Ein Exorzist erzählt (2001) - ISBN 3717110454
- Gabriele Amorth: Neue Berichte eines Exorzisten (1998) - ISBN 3717110675