Zum Inhalt springen

Beatmung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Februar 2004 um 23:58 Uhr durch Robodoc (Diskussion | Beiträge) (so ist es richtig). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Beatmung dient der Unterstützung oder dem Ersatz unzureichender oder nicht vorhandener Spontanatmung. Ihre lebensrettende Funktion ist zentraler Bestandteil von Notfallmedizin, Intensivmedizin und Anästhesiologie.

Klinische Anwendung

Beatmung wird dann angewandt, wenn die Spontanatmung ausfällt (Apnoe) oder insuffizient wird. Dies kann u.a. bei Vergiftungen, Kreislaufstillständen, neurologischen Erkrankungen oder Kopfverletzungen auftreten, außerdem bei Lähmung der Atemmuskulatur aufgrund von Rückenmarksläsionen oder der Wirkung von Medikamenten. Eine Reihe von Lungenerkrankungen oder Thoraxverletzungen, sowie Herzkrankheiten, Schock und Sepsis können ebenfalls eine Beatmung erforderlich machen.

Abhängig von der klinischen Situation kann die Beatmung über wenige Minuten aber auch über Monate hinweg fortgeführt werden. Während die Rückkehr zur Spontanatmung in der Routine-Anästhesie selten ein Problem darstellt, ist das Weaning eines Intensivpatienten nach längerer Beatmungsdauer ein schwieriger Prozess, der Tage oder Wochen in Anspruch nehmen kann.

Einige Patienten mit schweren Hirnschäden, Rückenmarksverletzungen oder neurologischen Erkrankungen erlangen die Fähigkeit zur Spontanatmung nicht zurück und bedürfen daher der andauernden Beatmung (Heimbeatmung).

Techniken

Über- und Unterdruck-Beatmung

Während der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Blut und Alveolen durch Diffusion stattfindet und keine äußere Anstrengung erfordert, muß die Atemluft durch die Atemwege aktiv dem Gasaustausch zugeführt werden. Bei der Spontanatmung wird in der Pleurahöhle durch die Atemmuskulatur ein Unterdruck erzeugt. Der dabei entstehende Druckunterschied zwischen atmosphärischem Druck und intrathorakalem Druck erzeugt einen Luftstrom. Bei der Unterdruck-Beatmung mit Eisernen Lungen wird genau dieser Mechanismus imitiert. Die eiserne Lunge erzeugt einen Unterdruck in einer Kammer, die den Körper umschliesst und am Hals abgedichtet wird.

Alle anderen Techniken der Beatmung sind Überdruck-Beatmungen, d.h. Luft wird durch externen Überdruck in die Lungen gepresst.

Mund-zu-Mund- und Beutelbeatmung

Die einfachste Form der Beatmung ist die Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung, die in der Laienreanimation angewandt wird. Diese Technik ist jedoch begrenzt, da mit ihr keine mit Sauerstoff angereicherte Luft gegeben werden kann: Nur 16 Prozent Sauerstoffanteil können so erreicht werden; im Vergleich dazu hat Raumluft 21 Prozent Sauerstoff, Beatmungsgeräte können bis zu 100 Prozent Sauerstoff verabreichen. Durch den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten besteht bei der Mund-zu-... Beatmung außerdem das Risiko der Krankheitsübertragung. Wenn möglich sollte daher mechanischen Hilfsmitteln wie z.B. einem Beatmungsbeutel der Vorzug gegeben werden.

Ein Beatmungsbeutel besteht aus einer Gesichtsmaske, die über Mund und Nase des Patienten gestülpt wird, um einen dichten Abschluss zu erreichen; einem elastischen, kompressiblen Beutel und einem Ventil, welches den Luftstrom lenkt. Eine Sauerstoffquelle kann an ein Reservoir am Beutel angeschlossen werden, um eine höhere Sauerstoffkonzentration zu erreichen. Diese einfache Technik kann ausreichen, einen ateminsuffizienten oder apnoeischen Patienten über Stunden zu beatmen.

Mechanische Ventilatoren / Beatmungsgeräte

In der Anästhesie und Intensivmedizin werden routinemässig Beatmungsgeräte benutzt. Diese Ventilatoren ermöglichen eine Vielzahl unterschiedlicher Beatmungsmodi, die von der assistierten Spontanatmung (ASB) zur vollständig kontrollierten Beatmung reichen. Moderne Ventilatoren erlauben eine kontinuierliche Adaption der Invasivität entsprechend dem Zustand des Patienten.

Bei beatmeten Patienten besteht eine Neigung zum Kollaps von Alveolen (Atelektasebildung). Durch Nutzung eines PEEP (Positiv-endexpiratorischen Druckes) versucht man, die Lunge am Ende eines Atemzyklus offenzuhalten. Darüberhinaus kommt PEEP bei Krankheitsbildern wie z.B. Pneumonie, ARDS und Lungenödem zum Einsatz.

Sichern der Atemwege

Mechanische Beatmung kann nur dann erfolgreich und sicher erfolgen, wenn die Atemwege des Patienten offengehalten werden, d.h. wenn die Luft ungehindert in die und aus den Lungen strömen kann. Außerdem müssen Leckagen vermieden werden, damit Luftstrom und Druckverhältnisse den eingestellten Werten entsprechen.

Ein weiteres Risiko ist die Aspirationspneumonie. Bei der Aspiration gelangt Mageninhalt über Ösophagus und Trachea in die Lungen. Durch die schiere Menge oder auch durch den Säuregehalt des Mageninhalts kann es zu schweren Beeinträchtigungen der Lungenfunktion kommen. Maßnahmen zur Vermeidung der Aspiration hängen von der Situation des individuellen Patienten ab - den wirksamsten Schutz bietet allerdings die endotracheale Intubation.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen und Geräten bieten Schutz gegen den Kollaps der Atemwege, Luftleckagen und Aspiration:

  • Gesichtsmaske - Bei der CPR und der Anästhesie kleiner Eingriffe ist eine Gesichtsmaske oftmals ausreichend um Luftleckagen zu verhindern. Die Atemwege des bewusstlosen Patienten werden entweder durch Manipulation des Unterkiefers oder durch Anwendung von nasopharyngealen oder oropharyngealen Tuben offengehalten. Diese garantieren einen Luftstrom durch Nase bzw. Mund zum Pharynx. Eine Gesichtsmaske bietet allerdings keinerlei Schutz vor Aspiration.Gesichtsmasken werden darüberhinaus auch bei wachen Patienten zur "non-invasiven" Beatmung benutzt. Ziel der non-invasiven Beatmung ist ein Minimum an Unwohlsein des Patienten sowie an beatmungsinduzierten Komplikationen. Die NIV kommt oft bei kardialen oder pulmonalen Erkrankungen zum Einsatz.
  • Larynxmasken - Die Larynxmaske (LMA) besteht aus einem Tubus mit aufblasbarem Cuff, welcher in den Pharynx eingeführt wird. Sie verursacht weniger Schmerzen und Husten als ein Endotrachealtubus; allerdings ist ihr Aspirationsschutz dem Endotrachealtubus unterlegen, daher erfordert der Einsatz der LMA eine sorgfältige Auswahl und Beobachtung der in Frage kommenden Patienten. Die Larynxmaske wird in der Anästhesie und manchmal in der Notfallmedizin eingesetzt.
  • Kombitubus
  • Endotracheale Intubation oder ugs. "Intubation" wird oft angewandt bei einer Beatmungsdauer von Stunden bis zu Wochen (Anm.: aber eher Tagen!). Ein Tubus wird durch entweder die Nase (nasotracheale Intubation) oder den Mund (orotracheale Intubation) eingeführt und in die Trachea vorgeschoben. In den meisten Fällen kommen Tuben mit aufblasbarem Cuff zum Leckage- und Aspirationsschutz zum Einsatz. Endotrachealtuben verursachen unweigerlich Schmerzen und Hustenreiz. Sofern ein Patient also nicht bewusstlos oder aus anderen Gründen anästhesiert ist, werden zur besseren Toleranz des Tubus Medikamente gegeben (z.B. Sedativa, Opiate, selten Muskelrelaxantien).
  • Tracheotomie - Wenn klar wird, daß eine Beatmung über einen längeren Zeitraum erforderlich ist, sollte der Tracheotomie als bester Methode der Vorzug gegeben werden. Eine Tracheotomie ist ein chirurgisch angelegter Zugang zur Trachea. Trachealkanülen werden gut toleriert, oftmals auch ohne Gabe von Sedativa.
(Anm.: Die Terminologie für diese Prozedur ist u.U. verwirrend. Als "Tracheotomie" wird oft der chirurgische Eingriff bezeichnet, als "Tracheostomie die minimalinvasive Variante dieses Eingriffs (Dilatationstracheostomie), während das "Tracheostoma" das Ergebnis der Operation ist.)

Beatmungsinduzierte Lungenschäden und lungenprotektive Beatmung

Im Allgemeinen wird die Prognose des Beatmungspatienten von der zugrundeliegenden Erkankungen und deren Antwort auf die Therapie bestimmt. Aber auch die Beatmung selbst kann ernsthafte Probleme verursachen, die ihrerseits den Aufenthalt auf einer Intensivstation verlängern und manchmal zu bleibenden Schäden oder gar zum Tod führen können. Daher ist es wünschenswert, die Beatmungsdauer so kurz wie möglich zu halten.

Infektiöse Komplikationen, hier besonders Pneumonien, treten bei einer Vielzahl von Patienten, die länger als einige Tage beatmet bleiben, auf. Die endotracheale Intubation unterläuft die natürlichen Abwehrmechanismen gegen Lungeninfektionen, insbesondere den Prozess der "mukozilliären Clearance". Dieser kontinuierliche Transport von Sekreten aus den Lungen in die oberen Luftwege dient der Abfuhr von Bakterien und Fremkörpern. Die intubationsbedingte Ausschaltung dieses Mechanismus gilt als Hauptfaktor bei der Entstehung von Pneumonien.

Es gibt Hinweise darauf, daß Sauerstoff in höheren Konzentrationen (>40%) auf Dauer selbst zu Schäden am Lungengewebe beatmeter Patienten führen kann. Daher empfiehlt es sich, die niedrigste angemessene Sauerstoff-Konzentration einzustellen. Allerdings kann bei Patienten mit schweren Störungen des pulmonalen Gausaustausches eine hohe Sauerstoffkonzentration überlebensnotwendig sein.

Die meisten Beatmungsformen gründen auf der Anwendung von Überdruck auf die Lungen. Das Gewebe erkrankter Lungen kann durch die dabei entstehende mechanische Belastung (Überdehnung, Scherkräfte, hohe Spitzendrücke) sowie durch entzündliche Prozesse zusätzlich geschädigt werden. Die dadurch verursachte Verschlechterung des pulmonalen Gasaustauschs erfordert dann wiederum eine noch aggresivere Beatmung.

"Lungenprotektive Beatmung" ist ein Sammelbegriff für Strategien zur Minimierung der beatmungsinduzierten Lungenschäden. Viele von ihnen basieren auf Ventilatoreinstellungen zur Vermeidung der Überdehnung der Lungen.

Beatmungsformen

  • CPAP Continuous Positive Airway Pressure
  • ASB Assisted Spontanuous Breathing
  • MMV Mandatory Minute Volume
  • SIMV Synchronized Intermediate Mandatory Ventilation
  • BIPAP Biphasic Positive Airway Pressure
  • IPPV Intermediate Positive Pressure Ventilation
  • APRV Airway Pressure Release Ventilation
  • HFOV High Frequency Oscillating Ventilation
  • PSV Pressure Support Ventilation

Beatmungsparameter

Die Einstellung der Beatmungsparameter erfolgt ausgehend von Größe, Gewicht und klinischem Zustand des Patienten und wird anhand von Klinik, Vitalzeichen und Blutgasanalysen validiert.

(Fortsetzung folgt)

Adjuvante Maßnahmen

  • Lagerungsdrainagen
  • Physiotherapie
  • Bauchlagerung
  • Extrakorporale Membranoxygenation
  • pECLA - Pumpenlose extrakorporale Membranoxygenation

Geschichte

Frühe Beschreibungen verschiedener Maßnahmen zur künstlichen Beatmung finden sich bei Hippokrates, Avicenna und Paracelsus. Aus dem 1. Jahrhundert v.Chr. berichten römische Ärzte sogar von einer Tracheotomie. 1763 wandte Smellie ein flexibles Metallröhrchen zur Intubation der Trachea an, Fothergill nahm einen Blasebalg zu Hilfe. 1876 wurde die erste Eiserne Lunge gebaut, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein von grosser Bedeutung sein sollte. Um die Jahrhundertwende entstand die Laryngoskopie und bereitete den Weg für die heute übliche endotracheale Intubation. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden die ersten maschinellen Respiratoren der Firmen Engström, Dräger, Bennet usw.


Siehe auch

Atmung - Kardiopulmonale Reanimation - Intensivstation - Liste_der_Krankheiten


Literatur

  • Larsen, R., Ziegenfuß, T.: Beatmung - Grundlagen und Praxis Springer, Heidelberg (1999)ISBN 3540654364
  • Oczenski, W., Andel, H., Werba, A.: Atmen - Atemhilfen Thieme, Stuttgart (2003) ISBN 3131376961
  • Müller, E.: Beatmung Thieme, Stuttgart (2000) ISBN 3131102411
  • Becker, H., Schönhofer, B., Burchardi, H.: Nicht-invasive Beatmung Thieme, Stuttgart (2002) ISBN 3131378514

- Zum Portal Medizin