Ein Prophet
Film | |
Titel | Un prophète |
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Produktionsland | Frankreich, Italien |
Originalsprache | Französisch, Korsisch |
Erscheinungsjahr | 2009 |
Länge | 150 Minuten |
Stab | |
Regie | Jacques Audiard |
Drehbuch | Jacques Audiard, Thomas Bidegain, Abdel Raouf Dafri, Nicolas Peufaillit |
Produktion | Martine Cassinelli |
Musik | Alexandre Desplat |
Kamera | Stéphane Fontaine |
Besetzung | |
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Un prophète (dt.: „Ein Prophet“) ist ein Spielfilm des französischen Regisseurs Jacques Audiard aus dem Jahr 2009. Das Krimidrama handelt von einem jungen arabischstämmigen Gefängnisinsassen, der mit Hilfe der korsischen Mafia zum einflussreichen Kriminellen aufsteigt. Der Film feierte seine Uraufführung im Wettbewerb der 62. Filmfestspiele von Cannes und lief am 26. August 2009 in den französischen Kinos an. Ein Kinostart in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist noch nicht bekannt.
Handlung
Der allein stehende 19-jährige Malik wird zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Franzose maghrebinischer Abstammung landet daraufhin in einem Gefängnis, dass von einer korsischen Mafiagruppe unter Führung von César Luciano kontrolliert wird. Dem mächtigen Luciano gelingt es mittels Bestechung ungestört seinen Geschäften nachzugehen, während ihm die muslimischen Mitinsassen verhasst sind. Der Mafiapate bietet dem ungebildeten, unreligiösen Jungen von der Straße an, einen arabischen Mithäftling zu töten und ihm im Gegenzug dafür Schutz unter den Schwerstkriminellen zu gewähren. Erst unter dem gewaltsamen Druck der Korsen schneidet der Junge dem Zellenachbarn, der ihm zuvor noch geraten hatte die Zeit zu nutzen, um klüger aus dem Gefängnis herauszukommen, die Kehle durch. Der Mord bedeutet den Einstieg in ein privilegiertes Leben. Malik bekommt eine bessere Zelle mit Fernseher zugewiesen, wird aber von den Korsen nicht als der Ihre anerkannt, die sich von ihm bedienen lassen. Für die Araber im Gefängnis bleibt er der Korse.
In den nächsten Monaten lernt sich Malik gut anzupassen. Erfolgreich nimmt der Analphabet an einem Lese- und Schreibkurs teil und erlernt auch die korsische Sprache. Als Luciano davon erfährt, trägt er dem neugierigen Malik auf, heimlich seine eigenen Leute zu bespitzeln, die nichts über die Fortschritte des jungen Arabers wissen. Er trägt ihm bald Botengänge auf und organisiert Freigänge. Nebenher kümmert sich Malik, der immer skrupelloser und brutaler wird, um seine eigenen Geschäfte. Er organisiert einen Drogendeal und knüpft Kontakte zur muslimischen Gefängnisgruppe. Als er den Auftrag erhält einen konkurrierenden italienischen Paten aus dem Weg zu räumen, lässt Malik ihn am Leben und verrät ihm den Auftraggeber. So gelingt es ihm die verschiedenen Clans gegeneinander auszuspielen. Malik gewinnt schließlich auch das Vertrauen der muslimischen Gefängnisgruppe zurück, als er dem Imam einer Moschee eine größere Summe Geldes zukommen lässt. Bei seiner Haftentlassung ist er mühelos zum einflussreichen Kriminellen aufgestiegen und hat den alternden Luciano in den Schatten gestellt.
Entstehungsgeschichte
Die Handlung basiert auf einer Geschichte von Abdel Raouf Dafri. Der französische Produzent Marco Cherqui wurde auf das Skript des relativ unbekannten Autoren aus Nordfrankreich aufmerksam und bot ihm sofort einen Vertrag an, noch bevor die Finanzierung des Films festgestanden hatte. Cherqui gab die Geschichte an Jacques Audiard weiter, der es als seine fünfte Regiearbeit verfilmte.[1] Die Dreharbeiten begannen Anfang September 2008. Für die Produktion zeigten sich Chic Films und Why Not Productions verantwortlich. Der Dreh war auf 15 Wochen angesetzt. Als Schauplätze dienten hauptsächlich die Stadt Gennevilliers, nordwestlich von Paris, sowie Marseille und die Regionen von Var und Vaucluse.[2] Audiard vertraute auf den Schauspieler Niels Arestrup, Kameramann Stéphane Fontaine und Filmkomponist Alexandre Desplat, mit denen er bereits 2005 an seinem vorherigen Film und César-Gewinner Der wilde Schlag meines Herzens zusammen gearbeitet hatte.
Für die Hauptrolle wurde der relativ unbekannte 27-jährige Schauspieler Tahar Rahim verpflichtet, der in der Fernsehserie La commune (2007) mitgespielt hatte, für die Abdel Raouf Dafri die Drehbücher geschrieben hatte. Audiard traf Rahim bei einer gemeinsamen Fahrt von einem anderen Filmset: „Ich sah ihn an und das war es, obwohl ich meinen Instinkten nicht vertraute und 40 weitere Schauspieler für die Rolle vorsprechen ließ, bevor ich ihn auswählte“, so der Regisseur. „Als ich in seine Augen sah, erkannte ich keine Melancholie, keine Tragik, nur jemanden sehr Aufrichtigen, [...] voller Leben“, so Audiard.[3]
Die Produktionskosten werden auf 12 Millionen Euro geschätzt. Um Authentizität bemüht heuerte Audiard ehemalige Strafgefangene an, die beim Filmdreh als Berater fungierten und gab an, dass ihn die Dreharbeiten noch lange nach dem Ende verfolgt hätten. „Ich erkannte mich selbst nicht wieder, ich erkannte meine Stimme nicht wieder, ich sah aus wie ein besessener Irrer, ein afrikanischer Hexendoktor“, so Audiard. „Ich wollte meine Kinder es nicht sehen lassen.“[3]
Rezeption
Der Film feierte seine Uraufführung am 16. Mai 2009 auf den 62. Filmfestspielen von Cannes, wo Un prophète im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten war. Auf der Pressekonferenz zum Film gab Audiard an, dass das Interessante an dem Film war, das Gefängnis als Metapher der Gesellschaft darzustellen: „Eine Person geht rein, raus, rein, raus. Da gibt es eine Analogie zur Gesellschaft, drinnen – draußen. Nach einer bestimmten Zeit kommt das auf dasselbe heraus“, so Audiard.[4] Sein Film erhielt großes Lob seitens der Kritiker und galt laut Umfragen unter internationalen Filmkritikern als Favorit auf den Hauptpreis des Filmfestivals.[5] Auch soll Un prophète bei den internationalen Verleihern auf dem Filmmarkt von Cannes stark umworben gewesen sein.[6]
Jacques Mandelbaum (Le Monde) pries die Schauspielleistung von Tahar Rahim als „atemberaubend“ und Un prophète als bisher besten Film des Regisseurs, den der Kritiker mit Jacques Beckers Gefängnisfilm Das Loch (1960) verglich. Der „reiche, komplexe, scharfzüngige unter permanenter Spannung“ stehende Werk sei aber viel mehr als ein Gefängnisfilm. „Es ist auch eine Racheerzählung, eine Erziehungsroman, eine politische Allegorie“.[7] Sein Kollege Gérard Leforet (Libération) lobte die „visionäre“ Kameraarbeit von Stéphane Fontaine: „Es ist Kafka der die Kamera hält, auf die Strafkolonie, wo die Urteile in die Epidermis der Verurteilten geritzt werden.“[8]
Ähnlich begeistert zeigte sich die deutsche Fachpresse. Hanns-Georg Rodek (Die Welt) war wie Mandelbaum der Meinung, dass es sich bei Un prophèt um ein Genrewerk handle, der über die Genregrenzen hinausreiche. „Un prophéte" ist vieles auf einmal und alles gelingt: ein Knastfilm, ein Soziogramm, eine Rassenstudie, die Geschichte der Findung und Abnabelung eines Adoptivvaters – und, perverserweise, eine Erfolgsstory“, so Rodek.[9] Gleiches bemerkte Verena Lueken (FAZ) und verwies auf die Hauptfigur: „Das Ganze hat einen erheblichen poetischen Anteil, der nichts mit Romantik zu tun hat, sondern mit Audiards Ansatz, einen Genrestoff mit einer komplexen, ganz ungewohnten Zentralfigur zu erzählen, sie auf eine Bildungsreise zu schicken und mit Phantasien auszustatten, wie sie das Genre eigentlich nicht vorsieht.“[10] Den Begriff der „Bildungsreise“ griff auch die österreichische Tageszeitung Der Standard auf, kritisierte aber die metaphysische Note des Films, „die den jungen Araber zum Vorboten eines neuen Zeitalters stilisiert“, als „ein wenig überzogen“.[11] Katja Nicodemus (Die Zeit) beobachtete eine „geballte, extreme Gewalt“ im diesjährigen Wettbewerb und kritisierte, das Audiards Film, wie auch dem philippinischen Beitrag Kinatay, „die Haltung, der künstlerische Filter für ihre Bestialität“ fehle.[12]
Mitte September 2009 wurde Audiards Film vom Centre national de la cinématographie (CNC) als offizieller französischer Beitrag für die Nominierung um den besten fremdsprachigen Film bei der Oscarverleihung 2010 präsentiert. Für die Wahl zeigte sich eine siebenköpfige Jury um Florence Malraux (Präsidentin der Commission d'avance sur recettes des CNC), Thierry Frémaux (künstlerischer Leiter der Filmfestspiele von Cannes), Alain Terzian (Präsident der Académie des Césars) und die Filmschaffenden Jeanne Moreau, Jean-Jacques Annaud, Constantin Costa-Gavras und Régis Wargnier verantwortlich.[13]
Auszeichnungen
Un prophète erhielt 2009 eine Einladung in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes, wo Audiard mit seinem Film um die Goldene Palme konkurrierte, aber gegenüber Michael Hanekes Das weiße Band das Nachsehen hatte. Un prophète wurde mit dem zweitwichtigsten Preis des Filmfestivals, dem Großen Preis der Jury, ausgezeichnet.[14] Im selben Jahr wurde der Film in sechs Kategorien für den Europäischen Filmpreis nominiert.
Weblinks
- Profil bei festival-cannes.fr (englisch)
- Vorlage:IMDb Titel
- Profil bei allocine.fr (französisch)
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Carrière, Christophe: Maux d'auteurs. In: L'Express, 11. September 2008, S. 106
- ↑ vgl. Bodissey, Baron: Audiard's Un Prophète Starts Shoot. In: Gates of Vienna News Feed, 1. September 2008, 11:52 PM EST
- ↑ a b vgl. Turan, Kenneth: Jacques Audiard's 'A Prophet' has a buzz building in der Los Angeles Times, 19. Mai 2009 (aufgerufen am 24. Mai 2009 via calendarlive.com)
- ↑ vgl. Beitrag in Arte Kultur, 16. Mai 2009
- ↑ vgl. "Ein Prophet" ist Favorit in Cannes. In: EuroNews, 24. Mai 2009
- ↑ vgl. Lueken, Verena: Alle Gewalt geht vom Kino aus bei faz.net, 24. Mai 2009 (aufgerufen am 10. Juni 2009)
- ↑ vgl. Mandelbaum, Jacques: Jacques Audiard galvanise Cannes avec son film "Un prophète". In: Le Monde, 19. Mai 2009, Editorial – Analyses, S. 1
- ↑ vgl. Leforet, Gérard: "Un prophète", taule froissée. In: Libération, 18. Mai 2009, S. 26
- ↑ vgl. Rodek, Hanns-Georg: In diesem Jahr triumphiert in Cannes der Genrefilm bei welt.de, 18. Mai 2009 (aufgerufen am 24. Mai 2009)
- ↑ vgl. Lueken, Verena: An den Rändern des Kinos bei faz.net, 18. Mai 2009 (aufgerufen am 24. Mai 2009)
- ↑ vgl. Kamalzadeh, Dominik: Der Antichrist als alberne Nummernrevue. In: Der Standard, 19. Mai 2009 (aufgerufen am 24. Mai 2009)
- ↑ vgl. Nicodemus, Katja: Im Schneideraum der Seele. In: Die Zeit, 20. Mai 2009, Nr. 22, S. 47
- ↑ vgl. "Un prophète" retenu pour représenter la France aux Oscars bei lemonde.fr, 17. September 2009 (aufgerufen am 18. September 2009)
- ↑ vgl. Preisträger bei festival-cannes.fr (englisch; aufgerufen am 24. Mai 2009)