Arzneimittel
Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
- Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,
- die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
- vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
- Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder
- die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
(§ 2 des Arzneimittelgesetz (AMG))
Geschichte
Für eine Reihe von Heilpflanzen finden sich Hinweise auf ihre Anwendung schon aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Bereits in einem Grab eines Neandertalers (Shanidar IV., im heutigen Irak) das vor ca. 70.000 - 40.000 Jahren angelegt wurde, finden sich Beigaben, die nach Pollenuntersuchungen sieben Heilpflanzen zuzuordnen sind, weswegen hier das Grab eines Heilkundigen, eines Schamanen mit Attributen seiner Tätigkeit vermutet wird. Steht dieser Fund aus frühester Zeit noch isoliert, so sind aus dem Neolithikum, der Jüngeren Steinzeit, eine Reihe von Funden bekannt, die auf die Anwendung von Heilpflanzen schließen lassen.
Aus den frühen Hochkulturen gibt es dann zahlreiche schrifliche Zeugnisse für deren umfangreichen Arzneischatz, in Assyrien und Ägypten waren einige hundert pflanzliche, tierische und mineralische Arzneimittel in Gebrauch.
Für die Arzneien der westlichen Medizin sind folgende Autoren der griechisch-römischen Überlieferung besonders wichtig:
- Theophrastos von Eresos (371- 287 v. Chr.) beschrieb 550 Pflanzen, darunter zahlreiche Arznei- und Giftpflanzen.
- Plinius (Gaius Secundus d. Ältere, lebte von 23/24 bis 79 n. Chr.) schrieb eine höchst umfangreiche enzyklopädische Naturkunde, die Naturalis historiae. Die Heilmittel nehmen einen breiten Raum ein, es werden beinahe 1000 aus dem Pflanzenreich beschrieben.
- Die in fünf Büchern abgefaßte Arzneimittellehre 'De materia medica' des Dioskurides (ein römischer Militärarzt, der im 1. Jh. lebte) ist die umfangreichste des Altertums. Er behandelt Arzneimittel aus allen drei Naturreichen, es werden 102 mineralische, 101 tierische und 813 pflanzliche Arzneimittel beschrieben. Das Werk erschien um 78 n. Chr. und wirkte über Jahrhunderte. Besonders im Mittelalter diente es als Vorbild und Fundgrube für andere einschlägige Kompendien.
Die mittelalterlichen Quellen zum Arzneischatz sind sehr zahlreich.
- Dazu gehört u.a. sogenannte Hortulus des Walahfrid Strabo (9. Jahrhundert), der Abt des Klosters Reichenau war. Das Wissen über die Heilkräfte der Pflanzen wird in Gedichtform (Hexameter) vermittelt.
- Ebenfalls ein Lehrgedicht über Heilpflanzen und durch den 'Hortulus' beeinflusst ist der 'Macer floridus'. Der Verfasser, Odo von Meung, lebte im 11. Jahrhundert. Eine vom 13. Jahrhundert an überlieferte thüringisch-schlesische Prosaübersetzung und -bearbeitung, der 'Ältere deutsche Macer' war weit verbreitet und diente neben anderen Quellen als Textgrundlage für den 'Gart der gesuntheit' von 1485, eines der einflußreichsten gedruckten Kräuterbuch.
- Zudem wird das europäische Mittelalter ca. vom Jahr 1000 an mit verloren geglaubten bzw. in Vergessenheit geratenen Schriften der Antike durch Übersetzungen aus dem Arabischen ins Lateinische bekannt. Die Zentren der Übersetzertätigkeit liegen in Süditalien (Salerno) und Spanien (Toledo). Dazu kommen eigenständige Erkenntnisse arabischer Gelehrter. Rhazes (865 - um 930), Avicenna (980 - 1037) und andere arabische Autoren zählen zu den hochgeachteten Autoritäten der europäischen Heilkunde. In ihren Schriften werden bislang unbekannte Arzneidrogen beschrieben, z.B. Ambra, Benzoeharz, Cubeben, Galgant, Kampfer, Moschus, Muskat, Mumie, Sandelholz, Sennesblätter u.a.
- Aber auch unabhängig vom antiken oder arabischen Einfluss werden hier und da neue, eigenständige Beobachtungen gemacht, die das Wissen über den Arzneischatz bereichern. Herausragend sind die "Physica" der Hildegard von Bingen und eine Schrift des Albertus Magnus mit dem Titel "De vegetabilibus".
Seit der frühen Neuzeit wurde der europäische Arzneischatz durch Produkte alchemistischer Tätigkeit erheblich erweitert. Besonders wichtig war die Alchemie der Araber, da hier eine medizinische Zielrichtung in den Vordergrund trat: die Suche nach der Panazee, der Universalmedizin. Der wichtigste Wegbereiter für den Einsatz (al)chemischer Präparate in der Medizin wurde Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim genannt Paracelsus (1493 - 1541).