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Otto Muehl

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Otto Mühl(* 16. Juni 1925 Grodnau, Burgenland) ist einer der wichtigsten Vertreter des Wiener Aktionismus. In den 70er Jahren machte er durch die Gründung einer reichianisch inspirierten Kommune, des Friedrichshofs, von sich reden. 1991 in Österreich wegen sexueller Delikte zu sieben Jahren Haft verurteilt, lebt er seit seiner Freilassung in Portugal.

Biographisches

1943 wird Muehl als 18-jähriger zur deutschen Wehrmacht eingezogen und 1944 an die Front geschickt. Nach dem Krieg absolviert er ein Lehramtsstudium in Deutsch und Geschichte, danach auch Kunstpädagogik an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Schon während seines Studiums arbeitet er als Maltherapeut.

Anfang der 60er Jahre gelangt er in wilden Schritten von einer stark an Proportion und Komposition orientierten Malerei zur "Überwindung der Tafelmalerei durch die Darstellung ihres Vernichtungsprozesses", zu rhizomatischen, oft hängenden und ganze Räume durchziehenden Gebilden aus Schrott, die er "Gerümpelplastiken" nennt, und schließlich zur "Aktionsmalerei".

1962 findet in Muehls Keller-Atelier in der Perinetgasse (im 20. Wiener Gemeindebezirk) die erste aktionsähnliche Veranstaltung, "Die Blutorgel", statt, an der Muehl selber, Adolf Frohner und Hermann Nitsch beteiligt sind. Die Idee wird im Frühjahr 1963 zusammen mit Nitsch im "Fest des psycho-physischen Naturalismus" radikalisiert, und im Herbst führt Mühl in seinem Wohnatelier vor Freunden seine erste Einzelaktion, "Versumpfung einer Venus" durch. In einem programmatischen Aufsatz zum "psycho-physischen Naturalismus" heißt es u.a.: "manchmal [habe ich] das Bedürfnis, mich wie eine Sau im Schlamm zu wälzen. Mich provozierte jede glatte Fläche, sie mit intensivem Leben zu beschmutzen. Ich krieche auf allen Vieren darauf herum und schleudere den Dreck nach allen Richtungen."

Von 1964 bis 1966 führt Muehl zahlreiche sog. "Materialaktionen" durch, die z.T. vom Filmemacher Kurt Kren, z.T. vom Fotografen Ludwig Hoffenreich festgehalten werden. 1966 entwickelt er in enger Zusammenarbeit mit Günter Brus einen neuen Aktionstyp, bei dem der Körper selbst und seine Funktionen als das eigentliche Material begriffen werden. Diese Aktionsform ist stark politisiert, Muehl formuliert dazu das "aktions-politische" Programm "Zock".

Im Juni 1968 organisieren Muehl, Brus und Oswald Wiener im Hörsaal 1 der Wiener Universität die Aktionsveranstaltung "Kunst und Revolution", die der Boulevard-Presse Anlass gibt, einen Riesenskandal zu produzieren, und die schließlich zur Verurteilung von Brus wegen "Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole" und zu seiner Emigration nach Berlin führt.

Muehl führt einige psychodramatische Aktionen mit sexueller Dynamik durch und beginnt in einem Reflexionsprozess, seine Idee der "Aktion" von der sich als Kunstform etablierenden Happening- und Fluxus-Kunst abzugrenzen. Er sieht im "Happening eine durchaus bürgerliche Kunst, eben Kunst. Wie wollen diese blödsinnige Kunst überwinden." Diese Ideen und Reflexionen führen 1971 und 1972 in die Realisation der sog. Muehl-Kommune als Gegengesellschaft.

Angeregt v.a. durch Wilhelm Reich entwickelt Muehl bei den analytischen Sitzungen in seiner Gruppe die sog. Aktionsanalyse. Sie wird ein wesentlicher Bestandteil des auf freier Sexualität, kollektivem Eigentum, gemeinsamem Kinderaufziehen und Förderung der gestalterischen Kreativität aufgebauten Kommunenlebens (und im Lauf der Zeit zur sog. analytischen Selbstdarstellung weiterentwickelt).

Mit der Gründung seiner Kommune hat Muehl die Aktion, die in Gefahr war, "eben Kunst" zu werden, in das Leben zurückgeholt. Aktionen im Sinne des Wiener Aktionismus hat er seit 1971 nicht mehr durchgeführt, wohl aber hat er weiterhin und bis heute als Maler betätigt. Das Wiener MAK (Museum für angewandte Kunst) hat ihm seit 1998 zwei große Einzelausstellung gewidmet.

Literatur

  • Otto Muehl: Weg aus dem Sumpf. Nürnberg: AA-Verlag 1977 (Muehls Autobiographie)
  • Wiener Aktionismus. Wien 1960-1971. Hrsg. v. H. Klocker, Klagenfurt: Ritter 1989.