Zum Inhalt springen

Ernst Jünger

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. Juni 2005 um 13:10 Uhr durch 82.82.88.27 (Diskussion) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ernst Jünger (* 29. März 1895 in Heidelberg, † 17. Februar 1998 in Riedlingen) war ein deutscher Schriftsteller und Publizist, der noch heute heftig umstritten ist.

Datei:Ernst Jünger.jpg
Ernst Jünger als Soldat im Ersten Weltkrieg

Leben

1895–1918

Am 29. März 1895 wurde Ernst Jünger in Heidelberg als ältestes von sieben Kindern geboren. Jünger verbrachte seine Kindheit unter anderem in Hannover, Schwarzenberg und Rehburg, wo sein Vater jeweils eine Apotheke betrieb. 1913 meldete sich Jünger als Gymnasiast bei der Fremdenlegion und wurde in Algerien stationiert. Allerdings wurde er nach einer Intervention des Auswärtigen Amtes (betrieben durch seinen Vater) auf Grund seines Alters bald wieder entlassen. Diese Episode seines Lebens wird in dem Buch Afrikanische Spiele beschrieben.

1914 meldete sich Ernst Jünger als Kriegsfreiwilliger. Nach dem Notabitur diente er im 73. Füsilierregiment an der Westfront in Frankreich und Flandern. Er wurde zum Offizier befördert und diente ab 1917 als Chef diverser Kompanien des Regiments. Als Führer diverser Patrouillen und Stoßtrupps zeichnete er sich dabei aus. Insgesamt wurde er 14-mal verwundet und 1918 mit dem Orden Pour le Mérite, dem bedeutendsten militärischen Orden Preußens, sowie dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Das Kriegsende erlebte er im Lazarett.

1918–1933

Nach dem Krieg diente er zunächst noch in der Reichswehr, in der er mit der Ausarbeitung von Dienstvorschriften, unter anderem für den Infanteriekampf, befasst war. Seine Kriegserlebnisse verarbeitete er in den Werken In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers (1920), Das Wäldchen 125 (1925), Sturm (1923), Der Kampf als inneres Erlebnis (1922) und Feuer und Blut (1925). Jüngers Erstlingswerk In Stahlgewittern wurde von der rechten Presse mit Begeisterung aufgenommen und als "Siegfried-Buch" bezeichnet. Fortan haftete dem späteren Goethe-Preisträger Jünger der Vorwurf der Kriegs- und Gewaltverherrlichung an.

Nach seinem Ausscheiden aus der Reichswehr (1923) studierte er in Leipzig und Neapel Zoologie und Philosophie. Das Studium brach er jedoch ohne Abschluss ab und wandte sich ganz der Schriftstellerei zu. Er schrieb viele Artikel für rechte Publikationen wie Die Standarte, Stahlhelm oder Arminius. Von Hitler und der NSDAP hielt sich Jünger nach anfänglichen Sympathien jedoch bewusst fern, teilte allerdings, zumindest vor 1933, den Antisemitismus der Nazis. Als unpolitischer Esoteriker betrachtete er die so genannte "Judenfrage" als irrelevant. 1926 heiratete er Gretha von Jeinsen. 1932 erschien sein Werk Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt.

1933–1945

Nach der Machtübernahme der NSDAP versuchte diese erneut, Ernst Jünger für sich zu gewinnen. Ihm wurde ein Sitz im Reichstag angeboten, den er aber ablehnte. Im selben Jahr wurde Jünger aus der „Dichterakademie“ ausgeschlossen und sein Haus durch die Geheime Staatspolizei durchsucht, woraufhin Jünger sich nach Goslar zurückzog. 1939 erschien seine Erzählung Auf den Marmorklippen, in der kaum verhüllte Kritik an den blutigen Methoden des Oberförsters, der die Macht übernommen hat, geäußert wurde. Jünger selbst wehrt sich aber zeitlebens mehr oder minder vehement gegen die Interpretation der Marmorklippen als "Widerstandsbuch".

1939 wurde Jünger zum Hauptmann befördert und unmittelbar darauf zur Wehrmacht eingezogen und zunächst als Kompaniechef an der Rheinfront (Maginot-Linie) eingesetzt. Später fand er Verwendung im Stab des Militärbefehlshabers von Frankreich in Paris, wo er für die Briefzensur zuständig war. Als wichtiges Zeitdokument einer deutschen, gleichwohl anti-nazistischen Sicht des Zweiten Weltkrieges, entstanden die Pariser Tagebücher, die einige Jahre später in das Buch Strahlungen Eingang fanden. 1942 schickte der Militärbefehlshaber in Frankreich Karl-Heinrich von Stülpnagel Jünger in den Kaukasus, um die Truppenmoral vor einem eventuellen Attentat auf Adolf Hitler zu untersuchen. Dort setzte Jünger sein Tagebuchwerk unter dem Titel Kaukasische Aufzeichnungen fort, welche ebenfalls in die Strahlungen aufgenommen wurden. Nach dem Attentat vom 20. Juli wurde Jünger aus der Wehrmacht entlassen. Er zog sich nach Kirchhorst in Niedersachsen zurück, wo er gegen Kriegsende als Volkssturmkommandant befahl, keinen Widerstand gegen die anrückenden alliierten Truppen zu leisten.

Ernst Jüngers Schreibtisch in Wilflingen

1945–1998

Nach dem Krieg weigerte sich Jünger den Fragebogen der Alliierten auszufüllen und erhielt daraufhin bis 1949 Publikationsverbot. Er siedelte zunächst nach Ravensburg und danach in den Ort Wilflingen (heute Ortsteil der Gemeinde Langenenslingen, Landkreis Biberach) in Baden-Württemberg, über. Ernst Jünger wurde auf den jungen Journalisten Armin Mohler aufmerksam da dieser einen recht positiven Artikel über Jünger 1946 in der Weltwoche geschrieben hatte. Von 1949 bis 1953 war Mohler Privatsekretär von Jünger.

1959 erhielt Jünger das Große Bundesverdienstkreuz. 1960 starb seine Frau Gretha. 1962 heiratete Jünger Liselotte Lohrer. 1974 wurde ihm der Schiller-Gedächtnispreis und 1978 die Friedensmedaille der Stadt Verdun verliehen. 1982 folgte nach Kontroversen um seine Person die Verleihung des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt/Main. An der Seite von Helmut Kohl und François Mitterrand nahm Jünger 1984 in Verdun an der Ehrung der Opfer des Ersten Weltkriegs und 1988 an der 25-Jahr-Feier des deutsch-französischen Freundschafts-Vertrages in Paris teil. 1985 Verleihung des großen Bundesverdienskreuzes mit Stern und Schulterband. 1989 Ehrendoktorat der Universität von Bilbao. 1993 erhielt Jünger den Großen Preis der Jury der Kunstbiennale in Venedig. Jünger reiste und schrieb bis kurz vor seinem Tode am 17. Februar 1998. Seine Forschungsreisen schilderte Jünger in weiteren Tagebüchern, beispielsweise Zwei Mal Halley. Das diaristische Hauptwerk Siebzig verweht entstand ab 1965 und endete erst 1996. Weitere hervorzuhebende Veröffentlichungen sind die Romane Heliopolis (1949) und Eumeswil (1977).

Rezeption

Neben der bis heute nicht verstummenden Kritik an der Verherrlichung von Gewalt und einer wohl auch psychoanalytisch interpretierbaren Männlichkeitsidealisierung als "Krieger" wird das Werk Jüngers auch heute noch aus einer ästhetischen Perspektive rezipiert, wobei brisante politische Implikationen in seinem Werk marginalisiert werden. Im Dritten Reich selbst wurde freilich Auf den Marmorklippen auch als ziemlich leicht entschlüsselbare und also außerordentlich mutige Kritik am Hitlerrégime gelesen. So schätzen einige Kritiker insbesondere seine Texte aus der Nachkriegszeit als politisch irrelevant ein. (Siehe hierzu insbesondere: Bohrer, Karl Heinz: Ästhetik des Schreckens. Frankfurt am Main 1978.) Erst in jüngster Zeit mehren sich wieder Interpretationen, die den Nachweis subtiler, impliziter Subtexte im Werk Jüngers erbringen, und darstellen, wie es ihm gelingt, politische Auffassungen auf diese Weise gleichsam unbemerkt zu transportieren und Verbrechen ästhetisch zu vermitteln. (Siehe etwa: Horst Seferens: Leute von übermorgen und von vorgestern. Ernst Jüngers Ikonographie der Gegenaufklärung und die deutsche Rechte nach 1945. Bodenheim: Philo-Verlag 1998.) Schon früh versucht Alfred Andersch in Deutsche Literatur in der Entscheidung (1948) die Bedeutung Ernst Jüngers herauszustellen.
Erstaunlich übergangen wird seine oft kühne Themenwahl (Heliopolis ist eine Science Fiction mit Weltraumflug, Gläserne Bienen enthält eine Antizipation nanotechnisch betriebener Roboter), so auch seine lebenslange Behandlung des Rauschgiftes (belächelt seine nicht unverächtlichen Beiträge zur Insektenkunde). Überhaupt litt die ästhetische Beurteilung des Stilisten stets unter der sich vordrängenden politischen; seine durchaus unlyrische Sprache und die Tatsache, dass er sich in den Prosagattungen kaum über die Erzählung hinaus bewährt hat (typisch sein Insistieren auf dem Tagebuch, also auf einer Art 'Jäger-und-Sammler-Prosa'), ist wenig problematisiert worden.

Urteile über Jünger

"... der uns die Barbarei als neue Gesinnung vorgaukelt ... Dass er schreiben kann, erst das macht ihn gefährlich ... Ein Geist von der finsteren Glut Jüngers kann Unheil stiften." Klaus Mann,1930

"... ich finde bei ihm enorm viel inneren Kitsch und was er als 'Angriff' gesehen haben möchte, ist mehr Vorwölbung u. Blähung bei ihm als Front." Gottfried Benn, 1935

"... ist unstreitig das schönste Kriegsbuch, das ich kenne; vollständig gutgläubig, wahrheitsgemäß, ehrlich." Andre Gide über In Stahlgewittern, 1942

"Ich hasse ihn, nicht als Deutschen, sondern als Aristokraten." Jean-Paul Sartre

"Wie weit nun Jüngers Dichtungen und Prognosen ,stimmen', oder was von diesem oder jenem Standort aus Triftiges gegen sie vorgebracht werden kann, berührt mich nicht. Der Streit darüber wird Literatur und Geschwätz sein. Mir genügt es vollauf, an dieser Schau teilgenommen und fruchtbare Tage mit ihr verbracht zu haben." Hermann Hesse, 1960

"... der Elitedenker nicht imstande ist, den Menschen als Wert an sich ins Auge zu fassen, ohne Ränge und Stufungen diesseitigen und transzendenten Wertes: Weil seiner Weltanschauung insgesamt die historisch real begründete Humanität abgeht, so bleibt, trotz allem, das Schreiben des Hochbefähigten kahl und menschenleer." Annemarie Auer in DDR-Zeitschrift "Weimarer Beiträge", 1966

"... für das ... immerwährend rechtsgerichtete CDU-Bürgertum ... ist Jünger, den solche Leute niemals genau lesen, ganz einfach ein nationaler und konservativer Mann, dem Unrecht zugefügt wurde. Daran ist soviel wahr: Unrecht ist ihm geschehen; ein nationaler Mann ist er nicht, sondern er war einmal ein fürchterlicher Nationalist (ein Nationalist zum Fürchten!), heute ist er ein milder Patriot und Anhänger eines Weltstaats; konservativ war er nie. Niemals. Sein radikalstes Buch, "Der Arbeiter", ist das Gegenteil eines konservativen Buches; es ist eine bolschewistische Phantasie mit nihilistischem Vorzeichen." Alfred Andersch, 1975

"Jemand wie Ernst Jünger hat sicher die Todesangst überwunden (d. h. ,beschlossen, sich ihr nicht anheim zu geben'); und was hat er damit gewonnen? Selbstgefälligkeit und Auserwähltheitsdünkel." Peter Handke, 1982

"Jüngers Problem ist ein Jahrhundertproblem. Bevor Frauen für ihn eine Erfahrung sein konnten, war es der Krieg." Heiner Müller, 1992

Walter Jens warf Jünger 1993 "extrem antisemitische Äußerungen" vor, die er "nie zurückgenommen" habe (hat also Heliopolis nicht gelesen). Auch als "dezidierter Militarist" sei er bekannt geworden.

"... einer der größten Kriegsverherrlicher dieses Jahrhunderts." Johann Kresnik, 1994

"... befand er sich im Gegensatz zu den mehr oder minder begabten Nachläufern der epischen Moderne, die die literarische Szene beherrschten, den angeblich fabulöseren Autoren, deren groß angelegte Romanwerke oft auf einem gesinnungstüchtigen und gedanklichen Gehalt gründeten, der sie mittlerweile, auf einen Schlag, zu ,historischen Schinken' werden ließ. Jünger hingegen hat täglich Geheimnisse entdeckt und genannt ..." Botho Strauß, 1995

"Zu begreifen, was einen ergreift - darum geht es. So hat Ernst Jünger Fühlung mit Daseinsmächten, die den meisten verschlossen bleiben. Wie sonst hätte ein solches Leben, das die gefährlichen Zonen suchte, überleben können. Da wirkt ein Glutkern im Lebensentwurf und im Schreiben, der den Autor offenbar katastrophenresistent gemacht hat." Rüdiger Safranski, 1995

"Seine Werke zeugen in brillantem Stil von der ungewöhnlichen Tiefe seiner Erfahrung und seines Denkens" Friedrich Schlimbach, 2004

Werke

Literatur