R-36M


Die R-36M (NATO-Codename SS-18 Satan) ist eine ballistische Interkontinentalrakete aus sowjetischer Produktion. Der GRAU-Index lautet 15A14, die herstellerinterne Bezeichnung wird mit R-36M „Wojewoda“ angegeben. Der Systemindex der russischen Streitkräfte lautet RS-20.
Entwicklung
Die SS-18 Satan entstand als Nachfolgesystem der R-36 (SS-9 Scap). Das neue System wurde ab 1976 in Dienst gestellt und zur Bekämpfung von verbunkerten Zielen wie Raketensilos konzipiert. Die SS-18 war die größte jemals während des Kalten Krieges gebaute und in Dienst gestellte Interkontinentalrakete. Mit der SS-18 lassen sich sämtliche strategischen Ziele, wie gehärtete Raketensilos und unterirdische Kommandobunker bekämpfen.
Insgesamt wurden 380 Systeme hergestellt. Sämtliche Raketen wurden in speziellen Silos stationiert. In der damaligen Sowjetunion entstanden die folgenden SS-18 Garnisonen:
- Aleisk (30 Silos, stillgelegt)
- Imeni Gastello (52 Silos, stillgelegt; Gebiet Aqmola, Kasachstan)
- Kartaly-6 (46 Silos, stillgelegt; heute Lokomotiwny)
- Komarowski (früher Dombarowski-3) bei Jasny (64 Silos, 31 aktiv; unterstehen der 13. Raketendivision der RWSN)
- Schangystobe (52 Silos, stillgelegt; russisch Dschangis-Tobe, Ostkasachstan)
- Solnetschny (früher Uschur-4) bei Uschur (64 Silos, 28 aktiv; unterstehen der 62. Raketendivision der RWSN)
Die SS-18 wurde immer wieder der aktuellen Bedrohungslage angepasst. Es entstanden die folgenden Varianten:
- SS-18 Satan mod 1 (RS-20A) mit einem Multimegatonnen-Sprengkopf und einer Reichweite von 11.200 km
- SS-18 Satan mod 2 (RS-20A1) mit 8 MIRV Sprengköpfen und einer Reichweite von 10.200 km
- SS-18 Satan mod 3 (RS-20A2 Wojewoda) mit 8 MIRV Sprengköpfen und einer Reichweite von 16.000 km
- SS-18 Satan mod 4 (RS-20B) mit 10 MIRV Sprengköpfen und einer Reichweite von 11.000 km
- SS-18 Satan mod 5/6 (RS-20V Ikar) mit 10 MIRV Sprengköpfen und einer Reichweite von 11.000 km bzw. 1 x 20 MT
- Nicht realisierte Varianten
- Version RS-20A-1 mit 38 MIRV Sprengköpfen mit einer Sprengkraft zu je 250 kT
- Version RS-20A-2 mit 24 MIRV Sprengköpfen mit einer Sprengkraft zu je 500 kT
- Version RS-20S-3 mit 17 MIRV Sprengköpfen mit einer Sprengkraft zu je 1000 kT
- Weitere Projekte
- Projekt RS-20A2-12 mit 28 MARV Sprengköpfen mit einer Sprengkraft zu je 250 kT
- Projekt RS-20B-14 mit 19 MARV Sprengköpfen mit einer Sprengkraft zu je 500 kT
In den 1980er Jahren arbeitete man auch an einer Variante, welche mit 10 MIRV Sprengköpfen mit Milzbrand bestückt war.
- Zivile Version
- Ausgemusterte R-36MUTTCh (SS-18 Mod 4) werden durch die russisch-ukrainische Firma ISC Kosmotras als Dnepr-Trägerrakete gestartet.
Technik
Die R-36M ist Nachfolger der R-36. Alle Versionen sind zweistufige Flüssigtreibstoff-Raketen. Als Treibstoff verwendete die R-36M die lagerfähigen Flüssigtreibstoffe UDMH und Stickstofftetroxid. Die MIRV Sprengköpfe sind auf einem sogenannten Post-Boost-Vehicle (PBV) montiert. Die Steuerung der SS-18 erfolgt mittels einer Trägheitsnavigationsplattform. Es wird eine Präzision (CEP) von 250-500 m (je nach Version) erreicht. Die Lenkwaffen werden kalt aus speziell gepanzerten Silos gestartet, welche in der Nähe stattfindenden Nuklearexplosionen widerstehen können. Diese Silos können einem Außendruck von 422 kg/cm² (430 bar) standhalten.
Status
Die R-36M in ihren verschiedenen Varianten bildete während den 1980er und 1990er Jahren das Rückgrat der russischen Nuklearstreitkräfte. Im Juli des Jahres 2009 besaßen die russischen Streitkräfte noch 59 R-36MUTTCh/M2 Systeme. Die R-36MUTTCh (Mod 4) sollen komplett ausgemustert werden, während die R-36M2 (Mod 5) bis in den Zeitraum 2015 bis 2020 in Dienst bleiben soll. Die derzeit noch in Dienst befindlichen R-36MUTTCh wurden wahrscheinlich 1986 stationiert und tragen einen einzelnen 20MT Sprengkopf. Die aktiven R-36M2 stammen aus den Jahren 1988 bis 1992 und tragen jeweils 10 800 kT Sprengköpfe.[1][2] Zur Instandhaltung der Raketen wurde 2006 ein Vertrag zwischen der Ukraine und Russland geschlossen, welcher 2008 von der Duma ratifiziert werden soll. Der bisher letzte Start einer R-36 MUTTCh (Mod 4 als Dnepr) fand am 29. Juli 2009 von Baikonur statt, eine R-36M2 (Mod 5) wurde zuletzt am 21. Dezember 2006 ebenfalls von Baikonur gestartet. Laut Russischen Medien wird bereits ein Nachfolger entwickelt. [1]
Technische Daten
System | RS-20A | RS-20A1 | RS-20A2 Voevoda | RS-20B | RS-20V Ikar |
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Lenkwaffe | 15A14 | 15A14M | 15A18 | 15A18M | 15A18M1 |
NATO-Code | SS-18 Satan mod 1 | SS-18 Satan mod 2 | SS-18 Satan mod 3 | SS-18 Satan mod 4 | SS-18 Satan mod 5/6 |
Einführungsjahr | 1974 | 1978 | unbekannt | 1979 | 1988 |
Antrieb | 2 Stufen Flüssigtreibstoff plus PBV | 2 Stufen Flüssigtreibstoff plus PBV | 2 Stufen Flüssigtreibstoff plus PBV | 2 Stufen Flüssigtreibstoff plus PBV | 2 Stufen Flüssigtreibstoff plus PBV |
Länge | 32,61 m | 32,61 m | 32,61 m | 37,25 m | 36,20 m |
Rumpfdurchmesser | 3,00 m | 3,00 m | 3,00 m | 3,00 m | 3,00 m |
Gewicht | 209.600 kg | 209.600 kg | 210.000 kg | 211.000 kg | 211.100 kg |
Nutzlast | 7.200 kg | 7.575 kg | 8.800 kg | 8.800 kg | 7.575 kg |
Sprengkopf | 1 RV Nuklear 18 oder 25 MT | 8 MIRV Nuklear 550 kT | 8 MIRV Nuklear 800 kT | 10 MIRV Nuklear 500 kT plus Täuschkörper | 10 MIRV Nuklear 750 kT plus Täuschkörper (Mod 5) oder 1 x 20 MT (Mod 6) |
Einsatzreichweite | 11.200 km | 10.200 km | 16.000 km | 11.000 km | 11.000 km / 16.000 km |
Treffergenauigkeit (CEP) | 550 m | 500 m | 350 m | 250 m | 500 m |
Siehe auch
Quellenangaben
- ↑ Pavel Podvig, "The Window of Vulnerability That Wasn't: Soviet Military Buildup in the 1970s--A Research Note", International Security, Summer 2008, Vol. 33, No. 1: 118-138
- ↑ Nuclear Notebook: U.S. and Soviet/Russian intercontinental ballistic missiles, 1959–2008
- Russian Strategic Nuclear Forces by Frank von Hippel, Pavel Podvig
- JANE'S STRATEGIC WEAPON SYSTEMS Edition 2005 Jane's Verlag
- Landgestützte sowjetische/russische ballistische Lenkwaffen DTIG - Defense Threat Informations Group, Juli 2005
Weblinks
- Russianspaceweb.com
- Globalsecurity.org
- www.dtig.org Übersicht ballistischer Lenkwaffen aus russischer Produktion (deutsch)
- Warfare.ru