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Cholesterin

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Anmerkung: Die korrekte Bezeichnung der besprochenen Substanz lautet Cholesterol. Aufgrund des häufig und nicht nur umgangssprachlich synonym verwendeten Namens Cholesterin wird die Substanz unter diesem abgehandelt.
Strukturformel von Cholesterin
Strukturformel von Cholesterin

Das Cholesterin ist ein Steroid, das den Lipiden zugerechnet wird. Der Name leitet sich vom griechischen "chole" (Galle) und "stereos" (fest) ab, da es in Gallensteinen bereits im 18. Jahrhundert gefunden wurde. Cholesterin ist ein nur im Tierreich vorkommendes Lipid, Pflanzen enthalten kein Cholesterin, wohl aber andere, strukturell ähnliche Sterole.

Cholesterin ist für Menschen und Tiere lebenswichtig.

Beim Menschen wird Cholesterin zum Großteil im Körper produziert, beim Erwachsenen in einer Menge von 1 bis 2 g/Tag, und nur zum kleineren Teil mit der Nahrung aufgenommen. Die Cholesterinresorption kann höchstens 0,5 g/Tag betragen und liegt im Durchschnitt bei 0,1 bis 0,3 g/Tag. Das entspricht 30 bis 60 % des in der Nahrung enthaltenen Cholesterins. Der wichtigste Ort des Cholesterinstoffwechsels ist die Leber.

Der Cholesteringehalt des menschlichen Körper beträgt etwa 150 Gramm. Organe mit hohem Cholesterinumsatz sind das Gehirn, die Nebennieren, die Eierstöcke und die Hoden. Gehirntrockenmasse besteht zu ca. 10 bis 20 % aus Cholesterin.

Funktion

Cholesterin ist ein essenzieller Bestandteil aller tierischen Zellmembranen und erhöht deren Stabilität. Es ist, zusammen mit Proteinen, in der Zellmembran an der Ein- und Ausschleusung von Signalstoffen beteiligt. Zellwachstum und Zellteilung sind ohne genügend Cholesterin nicht möglich.

Es stellt den Ausgangsstoff für die Bildung von z. B. Gallensäuren, Hormonen (Aldosteron, Cortison, Testosteron, Östradiol) und Vitamin D dar.

Cholesterin ist essenziell für die Embryonalentwicklung. Die Missbildungen bei Säuglingen, deren Mütter das Medikament Contergan einnahmen, sind auf eine Störung der Cholesterinsynthese zurückzuführen.

Das Cholesterinmolekül ist evolutionsgeschichtlich sehr alt. Ähnliche Sterole finden sich in Pilzen und Pflanzenzellen. Nur in Bakterien sind kein Cholesterin oder ähnliche Moleküle nachweisbar.

Synthese und Abbau

Die Synthese des scheibenförmigen Moleküls erfolgt über aktivierte Essigsäurereste (Acetylcoenzym A) und über viele komplizierte Zwischenstufen. Im Blut liegt es zu ca. 70 % verestert mit Fettsäuren vor. Die Cholesterinbiosynthese erfolgt hauptsächlich in der Leber, aber Cholesterin kann von allen Zellen synthetisiert werden. Im Gehirn muss Cholesterin vollständig synthetisiert werden, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann.

Cholesterin wird vor allem in der Leber abgebaut und als Gallensäuren über den Darm ausgeschieden.

Ein wichtiges Enzym der Cholesterinsynthese ist die HMG-CoA-Reduktase, die spezifisch und effektiv durch Statine gehemmt werden kann. Die Bildung der HMG-CoA-Reduktase wird u.a. durch Insulin aktiviert. Cholesterin kann die Funktion der HMG-CoA-Reduktase inhibieren und der Körper regelt auf diese Weise die Konzentration von Cholesterin im Körper. So erhöht z. B. viel Zucker den Insulinspiegel und damit die Möglichkeit, Cholesterin zu synthetisieren, wenn der Cholesterinspiegel zu niedrig ist. Ist der Cholesterinspiegel zu hoch, wird die weitere Cholesterinsynthese gehemmt und die HMG-CoA-Reduktase nach einigen Stunden wieder abgebaut.

Blutspiegel

Cholesterin ist im Blut nicht löslich und braucht daher eine wasserlösliche Hülle aus Fett und Eiweiß, es liegt dann als Lipoprotein vor. Im Labor wurde lange Zeit nur das Gesamtcholesterin bestimmt, da die Bestimmung der verschiedenen Lipoproteinen wie HDL und LDL bedeutend aufwändiger ist. Heute wird zunehmend das LDL (low density lipoprotein) und des HDL (high density lipoprotein) getrennt bestimmt, mit dem Ziel, daraus eine Abschätzung des individuellen Herz-Kreislauf-Risikos zu gewinnen.

Entgegen der landläufigen Auffassung gibt es auf die Gesamtbevölkerung bezogen eindeutig kenerlei negative Korrelation zwischen Gesamt-Cholesterinspiegel und Lebenserwartung. Ein hoher Gesamt-Cholesterinspiegel geht zwar für unter 50-jährige Männer mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher, gleichzeitig reduziert sich jedoch insgesamt das Risiko für andere Todesursachen wie z.B. Krebserkrankungen.

Im Jahr 1990 wurden bei Männern zwischen 50 bis 80 in Europa Gesamtcholesterinwerte von je nach Land durchschnittlich 224-244 mg/dl gemessen.

In Österreich hatten 1997 ca. 72,5% der untersuchten Bevölkerung einen Gesamtcholesterinwert >200 mg/dl. In Deutschland waren von 1,2 Millionen Cholesterinmessungen 60% über dem Richtwert (200 mg/dl) und 20% hatten einen Cholesterinspiegel von über 250 mg/dl.

Cholesterintransport (Lipoproteine)

Das HDL-Cholesterin (High Density Lipoprotein) transportiert das Cholesterin von den Gefäßen weg zur Leber zurück (reverser Cholesterintransport). Es stellt einen Schutzfaktor gegen Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) und somit gegen den Herzinfarkt dar.

Veganer, die bei ihrer Ernährung völlig auf tierische Produkte inklusive Eier und Milch verzichten, nehmen kein Cholesterin mit der Nahrung auf. Solange sie auf eine ausreichende Vitamin- und Spurenelementzufuhr achten, hat der völlige Verzicht auf Cholesterin keine negativen Konsequenzen, da der Körper ausreichend Cholesterin produziert.

Die Höhe des Cholesterinspiegels hängt vor allem von der körpereigenen Produktion ab. Von der Zufuhr mit der Nahrung hängt der Cholesterinspiegel bei einem Teil der Menschen nicht ab. Dies belegt eine Studie an der Universität Missouri-Columbia, bei der selbst ein wöchentlicher Verzehr von 24 Eiern den Cholesterinspiegel nicht steigern konnte. Daneben gibt es eine Vielzahl genetisch bedingter Hypercholesterinämien. Auch als Folge anderer Erkrankungen kann der Cholesterinspiegel erhöht sein (z.B. Hypothyreose, Niereninsuffizienz, Metabolisches Syndrom).

Das LDL-Cholesterin transportiert Cholesterin zu den extrahepatischen (außerhalb der Leber) befindlichen Geweben und reguliert deren Cholesterinbiosynthese und steht im Verdacht, gefäßschädigend zu sein. Über den LDL-Rezeptor wird die Aktivität der HMG-CoA-Reduktase reduziert und die Aufnahme in die Zelle aktiviert.

Populärwissenschaftlich wird das HDL-Cholesterin oft als "Gutes Cholesterin", das LDL-Cholesterin als "Schlechtes" oder "Böses Cholesterin" bezeichnet. Richtig an dieser Sichtweise ist, das sie von der überholten Annahme einer generellen Schädlichkeit hoher Gesamtcholesterinwerte fortführt. Ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel gilt als eine der Hauptursachen für die Bildung von Atherosklerose, die allerdings durch zahlreiche andere Faktoren begleitet wird. Ein niedriger LDL-Cholesterinspiegel kann sich dagegen negativ auf die Gedächtnisleistung auswirken.

Zielwerte

Ursprung

Die in mittlerweile hunderten von wissenschaftlichen Studien ermittelten Erkenntnisse zum Cholesterinstoffwechsel wurden von den jeweiligen wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Kardiologen in Zielwerte zusammengefaßt, an denen sich die Behandlung von Patienten mit hohem Cholesterinspiegel orientieren sollte. Diese Werte werden jeweils nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand aktualisiert.

Die amerikanischen Kardiologen (American Heart Association (AHA)) haben hierzu bereits 1985 das National Cholesterol Education Program (NCEP) ins Leben gerufen, dessen aktuelle Richtlinien in den NCEP III-Guidelines von 2001 beschrieben werden; auf europäischer Ebene ist die European Society of Cardiology (ESC), in Deutschland die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) die entsprechende Fachgesellschaft, die eigene Zielwerte herausgeben, die sich aber in der Regel den amerikanischen Werten sehr ähnlich sind.

Richtlinien

Die grundlegenden Richtlinien der NCEP III, denen sich die europäischen und deutschen Gesellschaften angeschlossen haben, unterscheiden drei gestaffelte Risikogruppen. Zur Gruppe 1 zählen alle Patienten, die bereits eine KHK entwickelt haben oder ein vergleichbares Risiko aufweisen (dazu zählt z.B. auch eine Diabeteserkrankung). Diese Patienten haben ein 10-Jahres-Risiko für ein kardiales Ereignis von >20%. Zur Gruppe 2 zählen die Patienten, die mindestens 2 Risikofaktoren aufweisen, zur Gruppe 3 die Patienten, die weniger als 2 Risikofaktoren aufweisen.

Patienten der Gruppe 1 sollten bei LDL-Werten über 100 mg/dl Lebensstiländerungen vornehmen (Ernährung etc.), bei Werten über 130 mg/dl eine medikamentöse Therapie beginnen. Ziel sollte für sie sein, LDL-Werte unter 100 mg/dl zu erreichen.

Patienten der Gruppe 2 sollten bei LDL-Werten über 130 mg/dl Lebensstiländerungen vornehmen, bei Werten über 130 mg/dl oder 160 mg/dl (abhängig von der spezifischen Risikoberechnung) eine medikamentöse Therapie beginnen. Ziel sollte sein, LDL-Werte unter 130 mg/dl zu erreichen.

Patienten der Gruppe 3 sollten bei LDL-Werten über 160 mg/dl eine Lebensstiländerung vornehmen und eine medikamentöse Therapie erwägen, ab 190 mg/dl wird eine medikamentöse Therapie dringend empfohlen.

Als Risikofaktoren gelten:

  • Rauchen
  • erhöhter Blutdruck (über 140/90 mmHg oder eine aktuelle hypertensive Behandlung)
  • niedriges HDL-Cholesterin (< 40 mg/dl)
  • KHK-Erkrankungen in der Familie (bei männlichen Verwandten ersten Grades unter 55 Jahren oder weiblichen Verwandten ersten Grades unter 65 Jahren)
  • Alter (Männer über 45, Frauen über 55 Jahre)

Als Lebensstiländerungen werden empfohlen:

  • Reduktion der verzehrten gesättigten Fettsäuren (<7% der Gesamtkalorien) und Cholesterins
  • Nichtmedikamentöse Therapieoptionen zur LDL-Senkung (z.B. pflanzliche Sterole (2g/Tag) etc.)
  • Gewichtsreduktion
  • Erhöhte körperliche Betätigung

Die Anwendung dieser Zielwerte wird einhellig von allen Fachgesellschaften der Kardiologen und Internisten unterstützt und befürwortet.

Kritik

Ob diese Grenzwerte sinnvoll sind, ist aufgrund der völlig uneindeutigen Studienlage und der Tatsache, dass sie von einem Großteil der Bevölkerung überschritten werden, keinesfalls unumstritten.

Da der Cholesterinspiegel tatsächlich kaum durch die Ernährung beeinflussbar ist, ist diese Empfehlung umstritten. Nach Auffassung von Kritikern führt diese Empfehlung regelmäßig zur Einnahme von teuren Medikamenten mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen (vgl. z.B. den Lipobay-Skandal) auf wissenschaftlich fragwürdiger Grundlage.

Nach neueren Erkenntnissen spielt insbesondere das LDL-Cholesterin bei der Bildung der schädlichen Plaques in den Gefäßen zwar eine Rolle, aber kann nicht mehr als eigentliche Ursache hierfür angesehen werden. Nach der inzwischen überholten Vorstellung lagert sich das Cholesterin in ähnlicher Weise in den Gefäßen ab, wie Kalk in Wasserrohren. Weniger Cholesterin im Blut müsse deshalb zu einer Verringerung der Ablagerungen führen. Diese Sichtweise spiegelt sich heute noch in der umgangssprachlichen Bezeichnung "Arterienverkalkung" wieder. Tatsächlich spielen wohl unter anderem Entzündungsvorgänge bei der Arteriosklerose eine wesentlich entscheidendere Rolle. Weitere Untersuchungen zeigen, dass (LDL-)Cholesterin bei der Unterstützung des Immunsystems gegenüber z.B. Endotoxinen der Bakterien eine bedeutende Rolle spielt (Q. J. Med. 2003; 96: 927-934).

Arzneimittel

Eine medikamentöse Senkung des Cholsterinspiegels ist praktisch in allen Fällen möglich. Als die zur Zeit wirksamsten Medikamente zur Senkung des Cholsterinspiegels gilt die Gruppe der Statine. Die Auswirkungen dieser Medikamente auf das Herzinfarktrisiko sind allerdings nur gering. Eine Behandlung mit Antibiotika oder Aspirin bewirkt nach einem Herzinfarkt einen signifikant höheren Schutz gegen einen zweiten Infarkt als Statine.

Studien

In zahlreichen Studien wurde die Auswirkung des Cholesterinspiegels auf die Inzidenz von Herz-Kreislauferkrankungen untersucht.

Framingham

Eine der ersten wegweisenden Studien auf dem Gebiet des Lipidstoffwechsels war die Framingham-Studie, die heute als die wichtigste epidemiologische Studie der USA gilt. Sie untersuchte 6000 Personen zweier Generationen in Framingham/Massachusetts. Über die Framingham wurden bis zum heutigen Tag über 1000 wissenschaftliche Publikationen erstellt. Es ergab sich, daß sich bei Männern im Alter von 30-59 Jahren das Auftreten von KHK entsprechend dem Cholesteringehalt im Blut erhöhte. Bei Männern in den Dreißigern wiesen die Personen mit dem höchsten Gesamtcholesteringehalt im Blut ein viermal höheres Risiko auf als diejenigen mit dem geringsten Cholesterin.

Ein positiver Zusammenhang zwischen Cholesterinspiegel und Herzinfarktgefährdung wurde in der Studie nur für jüngere, nicht aber für Personen über 50 Jahren festgestellt. So zeigt eine Prüfung (Jama, 1987) der Framingham-Studie, dass eine Absenkung des Cholesterinspiegels um 1 mg/dl tatsächlich zu einer Steigerung der Gesamttodesrate von 11 % und zu einer Steigerung der Todesrate durch Herzkrankheiten um 14 % führt. Die Darstellung in der ursprünglichen Veröffentlichung wurde teilweise kritisiert, da in ihr der gegenteilige Eindruck erweckt worden sein soll. Die Framingham-Studie ist in der Zwischenzeit als eines der Musterbeispiele zum Interpretationsspielraum von Studien in die Lehrbücher eingegangen. In aktuellen Veröffentlichungen wird dies zunehmend bei der so genannten "Framingham Risiko Abschätzung" berücksichtigt und die negative Bedeutung von hohem Cholesterin nimmt mit zunehmenden Alter deutlich ab (BMC, 2004).

CARE

Die CARE-Studie ( Cholesterol And Recurrent Event Study) mit Patienten mit 3 bis 20 Monaten zurückliegenden Herzinfarkt zeigte als Folge einer LDL-Cholesterinsenkung zwischen 115 und 174 mg/dl eine statistisch nicht signifikante Reduktion von Reinfarktraten und der Frequenz des Koronartods (von 5.7% in der Kontrollgruppe auf 4.6% in der Behandlungsgruppe nach 5 Jahren). Der Rückgang der KHK-Toten wurde allerdings durch eine Zunahme anderer Todesursachen in der Behandlungsgruppe ausgeglichen. Bei den nicht-tödlichen Herzinfarkten und bei der Zahl der Schlaganfälle zeigten sich Vorteile in der Behandlungsgruppe.

4S

Die Scandinavian Simvastatin Survival Study wird kurz als 4S-Studie bezeichnet. Innerhalb der ersten 5 Behandlungsjahre wurden unter den beteiligten 4444 Patienten mit mindestens 6 Monate zurückliegenden Herzinfakt oder stabilen Angina Pectoris in der Vorgeschichte die LDL-Cholesterinspiegel um durchschnittlich 35% gesenkt und die HDL-Cholesterinspiegel um durchschnittlich 8% gesteigert. Im gleichen Zeitraum wurde die relative Rate definitiver Herzinfarkte um 40% und die KHK-Mortalität um 42% gesenkt.

An dieser Studie gibt es erhebliche methodische Kritik, z.B. vom anzeigenfreien Arznei-Telegramm (H8, 86, 1995) zur Bewertung von Medikamenten. Die Altersverteilung von Simvastatin- und Placebogruppe war aus den veröffentlichten Daten nicht entnehmbar, gleichzeitig traten typische altersabhängige Krankheiten in der Placebogruppe deutlich häufiger auf. Eine Standardisierung für andere gleichzeitig eingenommene Medikamente, wie z.B. Aspirin, wurde nicht vorgenommen. Und schließlich erschien es verdächtig, dass in einer angeblichen Doppelblindstudie bei den Patienten der Simvastatin-Gruppe die Dosis nach einem halben Jahr verdoppelt wurde, bei denen der Cholesterinspiegel nicht gesunken war. Die Autoren mussten später einräumen, dass zumindest 827 Teilnehmer der Studie "nicht randomisiert" waren. Damit ist nicht auszuschließen, dass die beobachteten Effekte ganz oder teilweise auf den Placebo-Effekt zurückzuführen sind. Andererseits bestätigt das Arzneitelegramm 2004 (welches?), daß die 4S-Studie erstmals den Nachweis erbrachte, daß Patienten mit Herzinfarkt oder stabiler Angina pectoris in der Vorgeschichte von einer medikamentösen Cholesterinsenkung im Sinne einer Lebensverlängerung profitieren. Dieses Ergebnis sei inzwischen durch zwei weitere Studien (HPS und LIPID) bestätigt worden.

PROCAM

Die PROCAM-Studie ( Prospective Cardiovascular Münster Study) begann 1979 in Münster und untersuchte fast 20.000 Angehörige von Firmen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes. Sie zeigte, daß nicht nur die Höhe des Gesamtcholesterins sondern auch das Verhältnis der verschiedenen Cholesterinfraktionen (LDL, HDL, Triglyzeride) für die KHK-Risikobetrachtung ausschlaggebend ist.

LIPID

Die LIPID-Studie ( Long-Term Intervention with Pravastatin in Ischaemic Disease-Study ) zeigte an fast 10.000 Probanden mit mindestens 3 - 36 Monate zurückliegenden Herzinfakt oder Krankenhasuentlassung nach instabilen Angina Pectoris mit Gesamtcholesterinwerten ab 155 mg/dl und durchschnittlichen LDL-Cholesterinwerten von 150 mg/dl das LDL um durchschnittlich 25% stärker als unter Placebo gesenkt und das HDL um 5% angehoben wurde. Dabei wurde die Gesamtsterblichkeit von 14% auf 11% gesenkt, die KHK-Sterblichkeit von 8.3% auf 6.2%. Die Wirkung hing dabei nicht vom anfänglichen Gesamt- oder LDL-Cholesterinspiegel ab. Auch andere Todesursachen, wie Krebs und Selbstmord, nahmen in der Behandlungsgruppe ab. Damit wird von Kritikern die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen in Frage gestellt. Anders als üblich sind entsprechende Durchschnittswerte der Studie nicht zu entnehmen.

HPS

In der englisch-skandinavischen Heart Protection Study ließ sich an 20.000 Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder anderen atherosklerotischen Erkrankungen oder Hypertonie etc. eine zwar geringe, aber signifikante Senkung der Gesamtsterblichkeit von 14,7 % in der Placebogruppe auf ca. 12,9 % in der behandelten Gruppe (mit Simvastatin) nachweisen [1] (NNT=56); dh. anders formuliert: Rund 50 Personen müssen 5 Jahre behandelt werden, um einen Todesfall zu verhindern. Die zur Errechnung dieser Schlussfolgerung der Studie verwendeten statistischen Methoden sind allerdings nicht unumstritten ([2]). Geht man dennoch von diesen Zahlen aus, so liegen die Kosten, einen Patienten mit Statinen vor einem Herzinfarkt zu schützen, bei über 100.000 Euro. Auf sechs vor einem Herzinfarkt bewahrte Patienten kommt ein Patient, der als Nebenwirkung der Statine mit einem schweren Muskelschaden rechnen muss ([3]). Ob der in der Studie erkennbare positive Effekt allein auf die cholesterinsenkende Wirkung oder auch auf andere Wirkmechanismen der Statine zurückzuführen ist, ist umstritten und Gegenstand aktueller Forschungsarbeit (vgl. z.B. [4]).

Diverse Studien

Das American National Heart, Lung and Blood-Institute führte Metastudien zum gesundheitlichen Nutzen der Cholesterinsenkung durch. 19 Studien wurden analysiert. Untersucht wurden 650.000 Menschen und 70.000 Todesfälle: Geringe Cholesterinspiegel gehen nicht mit einer allgemeinen Erhöhung der Lebenserwartung einher, sondern beziehen sich nur auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sie erhöhen das Risiko von Schlaganfällen und das Krebsrisiko.

Eine Zusammenfassung von 45 Studien in "The Lancet" mit 450.000 Teilnehmern und >13.000 Herzinfarkten stellte keinen Zusammenhang zwischen Cholesterin und Herzinfarkten für Personen über 45 Jahre fest.

Bei Menschen mit einem erheblichen Risiko für Gefäßerkrankungen durch Arteriosklerose, z. B. Herzinfarktpatienten, Diabetiker etc. lässt sich ein positiver Effekt der cholesterinsenkenden Therapie mit Statinen auf die Gesamtsterblichkeit, die kardiovaskuläre Sterblichkeit und die kardiovaskuläre Ereignisrate nachweisen.

Studien zu Cholesterin, Psyche und Gedächtnis

In mehreren Cholesterin-Senkungs-Studien fand sich eine z.T. statistisch signifikant erhöhte Zahl von Gewaltopfern und Selbstmördern in der Behandlungsgruppe. Darauf begründet sich die Hypothese, dass eine Absenkung des Cholesterinspiegels zu einer erhöhten Neigung zur Gewalttätigkeit führen könnte. In Tierversuchen an Menschenaffen konnten Hinweise gefunden werden, die diese Hypothese untermauern. Eine 1998 veröffentlichte Meta-Analyse aller seit 1965 veröffentlichten Studien zu dieser Fragestellung kommt zu dem Schluss, dass es tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Cholsterinsenkung und dem Risiko steigender Gewaltbereitschaft gibt, und rät Ärzten, dies bei der Empfehlung einer Cholesterinsenkung zu berücksichtigen.

In verschiedenen Studien wurde der Einfluss einer Cholesterinsenkung auf die Gedächtnisleistung untersucht. In einer im Jahr 2000 veröffentlichten Studie an 192 gesunden Erwachsenen zeigte sich, dass sowohl die Gedächtnisleistung als auch die Aufmerksamkeit der Probanden in der mit Lovastatin behandelten Gruppe signifikant schlechter ausfiel als in der Kontrollgruppe. Der Leistungsunterschied war signifikant verknüpft mit den absoluten LDL-Cholesterinwerten nach der Behandlung, d.h. niedrigere Cholesterinwerte gingen mit einer schlechteren Gedächtnisleitung einher. Auch in einer an 326 Frauen mittleren Alters durchgeführten und 2003 veröffentlichten Studie zeigte sich eine lineare Korrelation der Gedächtnisleistung mit dem LDL-Cholesterinspiegel.

In einem im Jahr 2003 veröffentlichten Übersichtsartikel werden 60 Fälle von totalem Gedächtnisverlust im Zusammenhang mit einer Statin-Behandlung beschrieben. Nach Absetzen der Statin-Behandlung verschwanden in etwas weniger als der Hälfte der dokumentierten Fälle die Gedächtnisstörungen ganz oder teilweise.

Studien zu Ernährungsfaktoren

Der Einfluss einer kurzfristigen Nahrungsumstellung auf den Cholesterinspiegel ist gering. So hat eine prospektive Studie, die Verbundstudie Ernährungserhebung und Risikofaktoren Analytik (VERA, von 1985 bis 1988 mit 25.000 Teilnehmern) ergeben, dass auch bei verschiedenen Mengen von gesättigten, aber auch ungesättigten Fettsäuren sowohl die HDL- als auch die LDL-Werte sich, wenn überhaupt, nur minimal änderten. Allerdings lässt sich durch eine langfristige drastische Verringerung der Fettzufuhr, z. B. durch einen verlängerten Fastentest, auch der Cholesterinspiegel senken. Die niedrigen Cholesterinspiegel bei Vegetariern und Veganern beruhen wahrscheinlich einerseits auf ihrer geringen Cholesterinaufnahme mit der Nahrung, gleichzeitig auch auf ihrer sonstigen gesundheitsförderlichen Lebensweise.

Erkrankungen

Es gibt erbliche Störungen des Cholesterinstoffwechsels (familiäre Hypercholesterinämie), die unabhängig von der Nahrungsaufnahme zu stark erhöhten Cholesterinwerten im Blut führen. Träger dieser Erbfaktoren sind durch Herzinfarkte und andere Gefäßkrankheiten schon in jüngeren Jahren betroffen. Gemäß einer Untersuchung im British Medical Journal 1991 gilt dies nicht mehr für ältere Personen. Hier geht die Mortalität deutlich zurück und liegt nur bei 44 % gegenüber dem Standard. Diese erblichen Formen des hohen Cholesterinspiegels sind zumindest in der reinerbigen Form eher selten.

Wirtschaftliche Interessenlage

Cholesterinsenker stellen das weltweit umsatzstärkste Segment des Pharmamarktes dar. Im Jahre 2004 wurden mit Cholesterinsenkern weltweit Umsätze von 27 Millarden Dollar erzielt, bei einer Wachstumsrate von 10,9 Prozent. Umsatzstärkstes Medikament war "Lipitor" des US-Herstellers Pfizer, welches einen Umsatz von weltweit 10,8 Millarden Dollar erzielte ([5]).

Dieses hohe wirtschaftliche Gewicht hat verschiedene Auswirkungen. Zum einen haben die Hersteller ein massives Interesse am Markt der Lipidsenker. Das äußert sich u.a. in diversen eigenen Aktivitäten, wie z.B. der Unterstützung von Fortbildungsveranstaltungen mit wissenschaftlichen Referenten und die Bereitstellung von einschlägigen Informationsmitteln und Webseiten.

Außerdem wird aber auch die weitere Erforschung des Lipidstoffwechsels unterstützt. Dazu gehört zum einen die Unterstützung klinischer Forschung, zum anderen aber auch die Unterstützung von sich als unabhängig verstehenden Institutionen wie der deutschen Lipid-Liga.

Die Abhängigkeit der Forschung von den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie mag ein Grund dafür sein, dass Studien, aus denen eine negative Wirkung des Cholesterins erkennbar scheint, sechsmal häufiger zitiert werden als Studien, die eine solche Wirkung nicht erkennen lassen, obwohl sich die Anzahl dieser Studien etwa in der Waage hält.

Die Rolle der Lebensmittelindustrie

Auch die Lebensmittelindustrie hat ein großes Interesse daran, cholesterinfreie, industriell hergestellte Kunstfette wie Margarine und teure, cholesterinarme Lifestyle-Produkte zu verkaufen, da sich mit diesen bessere Margen erzielen lassen als mit klassischen Lebensmitteln wie Butter und Milch.

Bemerkenswert ist das Dilemma der Babynahrungshersteller: Muttermilch enthält einen sehr hohen Anteil an Cholesterin (ca. 25mg/100g, Kuhmilch enthält nur ca. 12mg/100g). Es wäre also ratsam, künstlich hergestellter Säuglingsmilch Cholesterin zuzusetzen, zumal Cholesterin beim Aufbau des Gehirns und Nervensystems eine wesentliche Rolle spielt. Aufgrund der negativen Assoziationen, die der Begriff Cholesterin bei den Verbrauchern als Folge der jahrzehntelang andauernden Anti-Cholesterin-Kampagne hervorruft, verzichten die Hersteller jedoch auf diese Maßnahme. Ob der höhere Cholesterinanteil der Muttermilch dafür verantwortlich ist, dass gestillte Kinder später im Mittel einen höheren IQ entwickeln (Journal of the American Medical Association 287, 2002, 2356), ist noch ungeklärt.

Siehe auch

Quellen

  • Holtmeier, Hans-Jürgen: Cholesterin, Zur Physiologie, Pathophysiologie und Klinik. Springer, Berlin 1996, ISBN 3-540-60671-8 (Umfassendes Buch, eine Neuauflage wäre wünschenswert)
  • Kestin, M. u. a.: Effect of dietary cholesterol in normolipidemic subjects in not modified by nature and amount of dietary fat. In: American Journal of clinical Nutriation 50/1989, S.528
  • Kohlmeier, M. et al.: Verbreitung von klinisch-chemischen Risikoindikatoren in der BRD, Wiss. Fachverlag Dr. Fleck, Niederkleen 1993.
  • Schwandt, P., Richter, W., Parhofer, K.: Handbuch der Fettstoffwechselstörungen Schattauer, Stuttgart 2.Auflage 2001, ISBN 3-7945-1977-9
  • Stehbends, W. E.: Diet and atherogenesis. Nutritions Reviews 47/1989, S.1 (zur Unabhängigkeit des Cholesterins von der Nahrung)
  • Buddecke, E.: Grundriss der Biochemie., 5. Auflage, de Gruyter, 1977, ISBN 3-110-04796-9
  • Löffler, Georg/Petrides, Petro E.: Biochemie und Pathobiochemie. 7. Auflage, Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-42295-1
  • Eckert-Lill, Chriatiane: Kampf dem Cholesterin. 2., überarb. Aufl. 2003. 96 S., ISBN 3-7741-0990-7 (Ratgeber mit programmatischem Titel, die Autorin fungiert gleichzeitig als Geschäftsführerin Pharmazie der Bundesvereinigung der Apothekerverbände (ABDA))

Literatur, die die derzeit gängige Lehrmeinung und die Empfehlungen des NCEP in Frage stellt

  • Ravnskov, Uffe/Pollmer, Udo: Mythos Cholesterin., Hirzel, Stuttgart 2004, ISBN 3-777-61181-6 (gutes Buch, mit hohem Quellenmaterial, in dem der Mythos Cholesterin untersucht wird; geeignet für jeden, der nicht die ca. 10.000 Veröffentlichungen durchsuchen möchte)
  • Blech, Jörg:Die Krankheitserfinder. Wie wir zu Patienten gemacht werden., S. Fischer, Frankfurt 2003, S.78 ff, ISBN 3-100-04410-X (zur wirtschaftlichen Ausnutzung der Cholesterin-Phobie)
  • Hartenbach, Walter: Die Cholesterin-Lüge. Das Märchen vom bösen Cholesterin, Herbig, 2002, ISBN 3776622776
  • Palumbo, P.J.: National cholestreol eduction program: does the emperor have any clothes? . Mayo Clinic Proceedings 86, 88-90
  • Oliver, M.F.: Consensus or nonconsensus conferences on coronary heart disease. The Lancet 1, 1087-1089, 1985
  • Merz. B.: Low-fat diet may be imprudent for some, say opponents of population-based cholesterol. Journal of the American Medical Association 256, 2779-2780, 1986
  • Pickney, E.R., Smith, R.L.: Statistical analysis of lipid research clinical programs. The Lancet 1, 503, 1987
  • Patel, C. The lipid research clinical trial. The Lancet 1, 663-634, 1984
  • Editorial, The Lancet 1, 333-334, 1988
  • Ravnskov, U.: Cholesterin lowering trials in coronary heart disease: frequency of citation and outcome. British Medical Journal 305/1993, S.15 (zum Einfluss des Cholesterins auf die Gesamtsterblichkeit)
  • Golomb, B. A.: Cholesterol and violence: is there a connection? Annals of Internal Medicine 128, 478-487, 1998
  • Muldoon, M. F. et al.: Effects of Lovastatin on cognitive function and psychological well-being. American Journal of Medicine 108, 538-547, 2000
  • Henderson, V.W. et al.: Serum Lipids and memory in a population-based cohort of middle age women. Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry 74, 1530-1534, 2003
  • Wagstaff, L.R. et. al.: Statin-associated memory loss: Analysis of 60 case reports and review of the literature. Pharmacotherapy 23, 871-880, 2003