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Gustav Schickedanz

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Gustav Abraham Schickedanz (* 1. Januar 1895 in Fürth; † 27. März 1977 ebenda) war ein deutscher Fabrikant und Unternehmer.

Leben

Einer Handwerkerfamilie entstammend, eröffnete er nach Absolvierung einer kaufmännischen Lehre und des Kriegsdienstes 1922 eine Großhandlung für Kurz-, Weiß- und Wollwaren. 1919 heiratete er Anna Zehnder.

1927 gründete Schickedanz das Versandhaus Quelle und orientierte sich dabei an der amerikanischen Idee des Versandhandels. Das Versandhaus modifizierte er den deutschen Verhältnissen entsprechend, um den Verbrauchergewohnheiten Rechnung zu tragen. Dabei setzte er von Anfang an auf die Maxime „Qualität zu einem angemessenen Preis“. 1934 erwarb Schickedanz die Rechte an der Marke Tempo und die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. 1938 erreichte das Versandhaus Quelle einen Umsatz von 40 Millionen Reichsmark.

Bei einem Verkehrsunfall starben am 13. Juli 1929 seine 34 Jahre alte erste Frau Anna, sein fünfjähriger Sohn Leo und sein 72-jähriger Vater Leo. Er selbst erlitt schwere Verletzungen.[1] Nur die vierjährige Tochter Louise blieb unversehrt. Schickedanz trat im November 1932 fern seiner Heimatstadt im Badischen der NSDAP bei.[2] und war ab 1935 Ratsherr in seiner Heimatstadt Fürth. In den 1930er Jahren vergrößerte Gustav Schickedanz seine Unternehmensgruppe durch die Arisierung der Vereinigten Papierwerke, der Brauerei Geismann, des Textilversands Ignaz Mayer und weitere.[3] Weder die US-Militärregierung, noch die Hauptspruchkammer, noch die Wiedergutmachungskammer gelangten zu dem Ergebnis, dass die Erwerbungen zu Ungunsten der jüdischen Vorbesitzer erfolgten. Auch der Gutachter beim Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte bemerkte: "Trotz vieler vorhandener Möglichkeiten hat Schickedanz bei den verschiedenen Arisierungen für sich keinen übermässigen Vorteil herausgeschlagen, was angesichts der zahlreichen grossen und kleinen Nutzniesser aus Arisierungen in dem als besonders judenfeindlichen Gau Franken nach eingehender Berücksichtigung aller Umstände ausdrücklich festgestellt werden muss." Schickedanz sah sich auch deshalb harter Vorwürfe lokaler Parteigrößen ausgesetzt. So urteilte beispielsweise der Nürnberger IHK-Präsident über den Kaufpreis im Fall Mayer: "2 Millionen Mark dem Juden Mayer in den Rachen zu werfen, wäre unverantwortlich."[2] Im März 1939 vermerkte der Sicherheitsdienst der SS, dass Schickedanz "bar jeder nationalsozialistischer Gesinnung und Verantwortung als Betriebsführer" sei.[4]

Sein Vermögen war nach dem Krieg größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, sein Unternehmen zu leiten und zu betreten.[1][5][6] Die treuhänderische Verwaltung lag u.a. in den Händen seiner Schwester Liesl Kießling. Im Entnazifizierungsverfahren wurde Schickedanz durch die Hauptspruchkammer Nürnberg im März 1949 als „Mitläufer“ eingestuft. Er zahlte den ehemaligen Eigentümern nach dem Krieg insgesamt mehr als 8 Millionen Deutsche Mark an Entschädigung.[2] 1952 von der Stadt Fürth mit der Goldenen Bürgermedaille geehrt, wurde er 1959 Fürther Ehrenbürger.[7] 1961 wurde er mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Mit seiner zweiten Ehefrau Grete Schickedanz, die seit 1927 seine Angestellte war, brachte er das Unternehmen nach Ende des Zweiten Weltkrieges, in dem bei einem Luftangriff in der Nacht vom 10./11. August 1943 die Lager in Fürth zerstört wurden, wieder auf Erfolgskurs.

Nach zahlreichen Eingliederungen weiterer Unternehmen in den Konzern betrug der Umsatz 1972 bereits mehr als 5 Milliarden Deutsche Mark.[8]

Gustav und Grete Schickedanz waren neben ihrer Geschäftstätigkeit als Förderer und Initiatoren zahlreicher Stiftungen tätig und bekamen dafür zahlreiche Auszeichnungen. Die Gustav-Schickedanz-Stiftung gründete er am 1. Januar 1965 anlässlich seines 70. Geburtstages.[5]

Die Stiftung unterstützt hauptsächlich seit mindestens 5 Jahren in Bayern lebende Studenten aller Fachrichtungen, sofern diese bedürftig sind. Ebenso tragen viele Straßen und Einrichtungen ihre Namen.

Gustav Schickedanz hatte zwei Töchter, Madeleine Schickedanz und Louise Dedi.

Sonstiges

Für eine Biographie ordnet und sichtet das Zentrum für Angewandte Geschichte (ZAG) unter der Leitung des Historikers Gregor Schöllgen derzeit den Nachlass des Quelle-Gründers.[4]

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Die Zeit: Fräulein Gretel von der Quelle, 5. Juni 2003
  2. a b c Süddeutsche Zeitung vom 24. Juli 2009, S. 12
  3. Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. Band 2: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, ISBN 3-486-57781-6 (online in der Google-Buchsuche)
  4. a b Gustav Schickedanz: Seine Nachfolger hatten nie eine Chance, 29. Juni 2009
  5. a b Gustav-Schickedanz-Stiftung: Der Stifter
  6. Cicero: Die Weihnachtsfrau, Dezember 2005
  7. Handelsblatt: „Wollen! Wägen! Wagen!“, 31. März 2006
  8. Schardt: Gustav Schickedanz. Seite 42

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