Michelson-Morley-Experiment
Das Michelson-Morley-Experiment ist eines der berühmtesten und bedeutendsten Experimente in der Geschichte der Physik. Es wurde erstmals 1881 von Albert Abraham Michelson in Potsdam und Anfang Juli 1887 in verfeinerter Form zusammen mit Edward Morley in Cleveland/Ohio durchgeführt.
Die theoretische Physik Ende des 19. Jahrhunderts ging davon aus, dass genauso wie Wasserwellen das Medium Wasser für die Ausbreitung benötigen und Schallwellen Luft, auch Lichtwellen sich in einem Medium ausbreiten, das man als Lichtäther bezeichnete. Das Michelson-Morley-Experiment hatte zum Ziel, diesen Äther und seine Geschwindigkeit relativ zur Erde auf ihrer Bahn um die Sonne nachzuweisen. Das Experiment, das wegen der enorm großen Lichtgeschwindigkeit nicht einfach war, lieferte wider Erwarten kein Ergebnis. Dieses Nullresultat wurde erst 1905 mit der Entdeckung der Relativitätstheorie verstanden, welche eine Ätherhypothese unnötig macht.
Das Experiment
Der Ansatzpunkt für Michelson und Morley war, die Relativgeschwindigkeit, mit der sich die Erde durch den Äther bewegt, zu messen. Sie nahmen an, dass sich die Erde durch den Äther bewegt, wie sich ein Flugzeug durch die Luft bewegt, und einen nachweisbaren "Ätherwind" erzeugt.
Jedes Jahr legt die Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/s, über 100.000 km/h, eine enorme Strecke zurück. Es wurde angenommen, dass die von der Erde aus gemessene Richtung des Windes relativ zum Fixsternhimmel variieren würde, was den Effekt leichter nachweisen lassen würde. Aus diesem Grund, und um andere Effekte, die von der Bewegung der Sonne durch den Äther kommen könnten, trennen zu können, sollte das Experiment zu verschiedenen Zeiten im Jahr durchgeführt werden.
Die Auswirkung des Ätherwindes auf Lichtwellen würde genauso sein wie die Auswirkung einer starken Strömung eines Flusses auf einen Schwimmer, der sich mit konstanter Geschwindigkeit zwischen zwei Punkten flussaufwärts und flussabwärts bewegt.
Wenn der zweite Punkt direkt flussaufwärts des ersten wäre, würde der Schwimmer durch die Strömung zuerst verlangsamt und dann beim Rückweg beschleunigt werden.
Wenn die Strecke zwischen Start- und Endpunkt senkrecht zur Strömungsrichtung wäre, müsste der Schwimmer das kompensieren, indem er in einem kleinen Winkel schräg zu seinem Ziel schwimmt.
Die Gesamtzeit für Hin- und Rückweg ist für die Richtung senkrecht zur Strömung etwas kleiner. Genauso wäre die Auswirkung des Ätherwindes auf einen Lichtstrahl senkrecht zur Windrichtung geringfügig niedriger als für einen Lichtstrahl parallel dazu.
Über die Strecke von ein paar Metern wäre der Zeitunterschied aber nur in der Größenordnung des millionsten Teils einer Millionstelsekunde. Michelson hatte jedoch bereits eine ganze Menge Zeit investiert, die Lichtgeschwindigkeit zu messen, und hatte mehrere Techniken entwickelt, um Unterschiede in dieser Größenordnung zu messen.
Um jegliche Störungen durch mechanische Erschütterung zu reduzieren, führten Michelson und Morley ihr Experiment im Untergeschoss eines Steingebäudes im Western Reserve College, der heutigen Case Western Reserve University, in Cleveland/Ohio durch. Zusätzlich wurde während der Experimentierphasen der Straßenverkehr in der Umgebung weiträumig gesperrt. Die experimentelle Anordnung wurde auf einer in Quecksilber schwimmenden Steinplatte errichtet, so dass sie erschütterungsfrei gedreht werden konnte. Der optische Aufbau bestand aus einer monochromatischen Lichtquelle, deren Lichtstrahl durch einen teilversilberten Spiegel in zwei Strahlen rechtwinklig zueinander aufgespalten wurde. Nach Verlassen des Strahlteilers wurden beide Strahlen jeweils an einem Spiegel reflektiert und auf einem Beobachtungsschirm wieder zusammengeführt. Dort erzeugten sie ein Streifenmuster aus konstruktiver und destruktiver Interferenz, das äußerst empfindlich auf Änderungen in der Differenz der optischen Wege der beiden Lichtstrahlen reagiert. Man erwartete, dass diese optischen Wege durch die Bewegung der Erde im Äther beeinflusst werden, so dass sich das Interferenzmuster bei Drehung der Steinplatte verschieben müsste. Es blieb jedoch völlig unverändert.
Optische Anordnungen dieser Art werden heute als Michelson-Interferometer bezeichnet und werden zur Messung geringer Wegänderungen für verschiedenste Anwendungszwecke eingesetzt.
Das berühmteste Experiment mit Null-Ergebnis
Das Experiment wurde trotz umfangreicher Planungen und Vorbereitungen das berühmteste mit Nullresultat. Statt die Eigenschaften des Äthers zu bestimmen, zeigte es keinen der erwarteten Effekte. Das Gerät maß stets eine Äthergeschwindigkeit von 0, so als würde der "Ätherwind" überhaupt nicht existieren. Eine Relativbewegung zwischen Erde und Äther konnte nicht nachgewiesen werden.
Dieses Ergebnis war unerwartet und durch die damalige Theorie der Lichtausbreitung nicht zu erklären. Mehrere Erklärungen wurden vorgeschlagen, unter anderem, dass das Experiment einen versteckten Fehler hatte (offenbar Michelsons ursprünglicher Gedanke), oder dass das Gravitationsfeld der Erde irgendwie den Äther mit sich mitzog und so den Effekt lokal verschwinden lässt. Die naheliegende These, dass Licht sich stets mit Lichtgeschwindigkeit relativ zur Lichtquelle bewegen könnte, scheiterte an der Beobachtung von Doppelsternen. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen das Licht je nach Position der Sterne in der Umlaufbahn zur Erde ausgesandt würde, würden zu Verdichtungen beziehungsweise Verdünnungen des Lichtstroms führen, die als Helligkeitsvariationen beobachtbar sein müssten. Das ist jedoch nicht der Fall.
Ernst Mach war einer der ersten Physiker, die darauf hinwiesen, dass das Experiment eigentlich die Äthertheorie widerlege. Im Zuge von Weiterentwicklungen in der theoretischen Physik wurde eine alternative Theorie vorgeschlagen, die Lorentzkontraktion. Diese Deutung bot eine vollständige Erklärung, ohne einen Äther zu benötigen. Sie mündete in Einsteins spezielle Relativitätstheorie.
Michelson war nie vollständig von der Nichtexistenz des Äthers überzeugt und führte das Experiment bis zu seinem Tod 1931 mehrere Male mit noch höherer Präzision durch. Morley war auch nicht überzeugt und machte mit Dayton Miller weitere Versuche. 1932 wurde das Kennedy-Thorndike-Experiment, ein modifiziertes Michelson-Interferometer mit unterschiedlich langen Wegen, durchgeführt, bei dem ein Null-Ergebnis nicht mit der Fitzgerald-Lorentz-Kontraktion erklärt werden könnte.
Das Trouton-Noble-Experiment bezieht sich auf das elektrostatische Äquivalent des optischen Michelson-Morley-Experiments.
Es gibt Kritik am Versuchsaufbau, den expliziten und impliziten Annahmen und den Folgerungen des Michelson-Morley-Experiments, nicht zuletzt von Michelson selbst, aber auch von etlichen anderen Wissenschaftlern. Zudem widersprechen sich die ART und die SRT teilweise oder es widersprechen sich die vom Michelson-M.-Versuch gestützte Spezielle Relativitätstheorie (SRT) und die gegenwärtige Quantentheorie, zwei der Grundpfeiler der heutigen Physik, bei Effekten auf kleinen Längenskalen und Zeitskalen und bei hohen Energien.
Literatur
- Michelson-Morley Experiments Revisited and the Cosmic Background Radiation Preferred Frame (arxiv.org)
- Modern Michelson-Morley experiments and gravitationally-induced anisotropy of c (arxiv.org)
- Ether-Drift Experiment and the Determination of the Absolute Motion of the Earth
- Evaluation of Brane World Mach Principles and the Michelson-Morley Experiments relation