Knotentheorie

Die Knotentheorie ist ein Forschungsgebiet der Topologie. Sie beschäftigt sich unter anderem damit, die topologischen Eigenschaften von Knoten zu untersuchen. Eine Fragestellung ist etwa, ob zwei gegebene Knoten äquivalent sind, also ob sie ineinander überführt werden können, ohne dass dabei die Schnüre „zerschnitten“ werden. Die Knotentheorie beschäftigt sich im Gegensatz zur Knotenkunde nicht mit dem Knüpfen von Knoten in der Praxis, sondern mit mathematischen Gebilden.
Mathematische Definition
Im mathematischen Sinn ist ein Knoten eine Einbettung einer Kreislinie in den dreidimensionalen Raum. Zwei Knoten gelten als gleich, wenn sie durch eine stetige Verformung ineinander überführt werden können (Isotopie). In der Knotentheorie wird ein Knoten zum Beispiel durch seine Projektion auf eine Ebene dargestellt, also durch ein Knotendiagramm. Welches so gewählt wird, dass es nur endlich viele Überkreuzungen hat. Dabei ist wichtig, bei den Kreuzungen mitanzugeben, welche Seite der Kurve oben bzw. unten liegt. Knoten, bei denen man ein solches Diagramm nicht angeben kann, bezeichnet man als wilde Knoten, diejenigen mit einem solchen Diagram als zahme Knoten. In der Knotentheorie werden hauptsächlich Eigenschaften von zahmen Knoten untersucht.
Methoden
Ein Ziel der Knotentheorie ist es, Knoten-Invarianten zu finden, also mathematische Objekte, die sich nicht ändern, wenn man den Knoten im dreidimensionalen Raum stetig deformiert. Einige Beispiele von Knoteninvarianten sind Polynome, z.B. das Jones-Polynom oder HOMFLY-Polynom.
Diese Polynome kann man algorithmisch berechnen, indem man für alle Kreuzungen geeignete Terme zu einem Gesamtpolynom addiert. Von den beiden zitierten Polynomen ist das HOMFLY-Polynom das mächtigere, das heißt es erkennt mehr nicht zueinander äquivalenten Knoten als das Jones-Polynom. Das bedeutet aber auch, dass zwei Knoten das gleiche Polynom haben können, obwohl sie nicht äquivalent sind. Bis heute ist noch keine Knoten-Invariante gefunden worden, die alle äquivalente Knoten genau erkennt, also die die Eigenschaft hat, dass die Invariante für zwei Knoten genau dann identisch ist, wenn die zwei Knoten äquivalent sind. Dies ist ein wichtiges Ziel der aktuellen Forschung.
Reidemeister-Bewegungen

Ein wesentlicher Grundstein der Theorie ist 1927 von Kurt Reidemeister gelegt worden. Er hat gezeigt, dass zwei Knoten genau dann äquivalent sind, wenn sie durch eine endliche Folge von drei sogenannten Reidemeister-Bewegungen ineinander überführt werden können. Diese drei Bewegungen sind (siehe englische Version):
- Verdrillung und Entdrillung
- Eine Schlinge über eine andere zu ziehen
- Einen Strang von einer Seite einer Kreuzung auf die andere zu verschieben
Um eine Invariante zu finden, braucht man also nur diese drei Bewegungen zu betrachten.
Anwendungen
Lange Zeit war die Beschäftigung mit Knoten eher eine brotlose Kunst. Mittlerweile existieren aber auch eine Reihe wichtiger Anwendungen, etwa in der Biochemie bzw. Strukturbiologie, mit denen überprüft werden kann, ob komplizierte Faltungen von Proteinen mit anderen Proteinen übereinstimmen. Ähnliches gilt für die DNA. Eine wichtige Stellung nimmt die Knotentheorie in der modernen theoretischen Physik ein, wo es etwa um Pfade in Feynmandiagrammen geht. Weitere aktuelle Anwendungen gibt es in der Polymerphysik.
In der hyperbolischen Geometrie spielen Knoten eine Rolle, weil die Komplemente der meisten Knoten in der 3-dimensionalen Sphäre eine vollständige hyperbolische Metrik tragen. Andererseits lässt sich jede geschlossene 3-dimensionale Mannigfaltigkeit durch Dehn-Chirurgie an einem Knoten oder einem Link (der Vereinigung verschiedener Knoten) erzeugen.
Man kann sogar zeigen, dass es in jeder beliebigen geschlossenen 3-dimensionalen Mannigfaltigkeit Knoten gibt, so dass die Mannigfaltigkeit eine hyperbolische Kegelmetrik trägt, die die Knoten als Kegelsingularitäten besitzt und der Kegelwinkel beliebig nahe an ist (die Knoten hängen aber vom vorgegebenen Winkel ab).
Siehe auch
Literatur
- Colin C. Adams: The Knot Book. An elementary introduction to the mathematical theory of knots. 1994; 2004, ISBN 0-8218-3678-1
- Das Knotenbuch. Einführung in die mathematische Theorie der Knoten. Spektrum, Heidelberg/Berlin/Oxford 1995, ISBN 3-86025-338-7
- Meike Akveld: Knoten in der Mathematik. Ein Spiel mit Schnüren, Bildern und Formeln. Orell Fuessli, Zürich 2007, ISBN 3-280-04050-7
- Gerhard Burde & Heiner Zieschang: Knots. de Gruyter, Berlin/New York 1985, ISBN 3-11-008675-1
- Gunnar Hornig: Magnetes Geheimnis. In: RUBIN – Das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum. 2/01, S. 6–10 (PDF)
- Louis H. Kauffman: Knots and Physics. World Scientific, 1991, ISBN 9810203438
- Knoten. Diagramme, Zustandsmodelle, Polynominvarianten. Spektrum, Heidelberg/Berlin/Oxford 1995, ISBN 3-86025-232-1
- Lee Neuwirth: Theorie der Knoten. In: Spektrum der Wissenschaft. August 1979, ISSN 0170-2971 (unter anderem: Modell eines mathematischen Knotens, Beziehungen zwischen Geometrie und Algebra)
- Dale Rolfsen: Knots and Links. AMS Chelsea Publ., 2003, ISBN 0-8218-3436-3
- Alexei Sossinsky: Noeuds. Genese d’une theorie mathematique. Editions du Seuil, Paris 1999
- Mathematik der Knoten. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek 2000, ISBN 3-499-60930-4
- Juan Souto: Hyperbolic cone-manifolds with large cone-angles. In: Geometry and Topology. 7, 2003, S. 789-797
Weblinks
- The KnotPlot Site von Robert G. Scharein (Software für interaktives Visualisieren, Manipulieren und Simulieren von mathematischen Knoten)