Geschichte der Maße und Gewichte
Gewichte und Maße gehören zu den frühesten Werkzeugen, die der Mensch erfunden hat. Einfache Gesellschaften benötigten für viele Aufgaben Hilfsmittel zum Messen: Beim Bau von Wohnungen, bei der Herstellung von Kleidung oder beim Tausch und Handel von Lebensmitteln und Materialien.
Den frühesten Gewichten und Maßeinheiten lagen die Maße von Körperteilen und der natürlichen Umgebung zugrunde. Frühe babylonische und ägyptische Aufzeichnungen sowie Schriften aus der Bibel zeigen, dass die Länge zuerst anhand der Maße von Arm, Hand oder Finger gemessen wurde. Die Zeit wurde nach den Umlaufzeiten oder Rotationsperioden von Sonne, Mond und anderen Himmelskörpern eingeteilt. Wenn man das Volumen von Behältern wie Flaschen oder Tonkrügen vergleichen wollte, wurden sie mit Pflanzensamen gefüllt, die anschließend ausgezählt wurden. Beim Wiegen maß man das Gewicht mit Steinen oder Samen. Die Gewichtseinheit Karat, die bis heute für Schmucksteine verwendet wird, wurde vom Samen des Johannisbrotbaums abgeleitet.
Unsere heutigen Kenntnisse über die frühen Maße und Gewichte stammen aus vielerlei Quellen. Archäologen haben einige ziemlich frühe Standards geborgen, die heute in Museen aufbewahrt werden. Der Vergleich zwischen den Abmessungen eines Gebäudes und Beschreibungen zeitgenössischer Autoren ergibt weitere Informationen. Ein interessantes Beispiel dafür ist der Vergleich der Abmessungen des griechischen Parthenon mit den Beschreibungen von Plutarch, aus dem man ziemlich genau die Länge des attischen Fuß erhält. In manchen Fällen haben wir auch nur plausible Theorien und müssen manchmal die Daten richtig interpretieren. So wird zum Beispiel diskutiert, ob es nur Zufall ist, dass die Länge der frühbabylonischen Doppel-Elle bis auf zwei Promille mit der Länge eines Sekundenpendels übereinstimmt, oder ob dies auf Kenntnisse über Pendel zu einem sehr frühen Zeitpunkt hindeutet.
Längeneinheiten
Die Elle war die erste Längeneinheit, von der berichtet wird. Es gab Ellen verschiedener Größe.
Die gewöhnliche Elle war die Länge des Arms vom Ellbogen bis zur Spitze des Mittelfingers. Sie wurde unterteilt in die Spanne (Spannweite der Hand, eine halbe Ellenlänge), die Handbreit (eine sechstel Elle) und den Finger (Fingerbreite, eine vierundzwanzigstel Elle). Die königliche oder heilige Elle war sieben Handbreit oder 28 Finger lang und wurde beim Bau von Gebäuden und Monumenten sowie zur Landvermessung verwendet.
Griechen und Römer erbten den Fuß von den Ägyptern. Der römische Fuß wurde sowohl in zwölf unciae (Zoll) als auch in sechzehn Finger unterteilt. Die Römer führten auch die Meile zu je tausend Doppelschritten ein, wobei jeder Doppelschritt fünf römischen Fuß entsprach.
Gewichtseinheiten
Ursprünglich wurden Handelsgüter nach Stück oder Volumen bemessen. Als das Wiegen von Gütern begann, basierten die Gewichtseinheiten auf Volumen von Getreidekörnern oder Wasser. Zum Beispiel war das Talent in manchen Gegenden ungefähr so schwer wie ein Kubikfuß Wasser.
Das grain (Korn) war die früheste und kleinste Gewichtseinheit und war ursprünglich ein Weizen- oder Gerstenkorn, um die Edelmetalle Gold und Silber abzuwiegen. Größere Einheiten wurden entwickelt, die sowohl als Gewichtsmaß wie auch als Währungseinheit dienten, so das Pfund, der Schekel und das Talent. Das Gewicht variierte von Ort zu Ort. Bei den Babyloniern und Sumerern waren sechzig Schekel ein Mina, und sechzig Minas ergaben ein Talent. Das römische Talent bestand aus hundert Pfund, die leichter waren als das Mina. Wie auch das englische und amerikanische Pfund war das römische Pfund in zwölf Unzen eingeteilt, die aber kleiner waren. Das Karat als Maßeinheit für Edelsteine, das vom Samen des Johannisbrotbaums abgeleitet war, wurde später auf 1/144 Unze und dann auf 0,2 Gramm festgelegt.
Nösel diente zur Volumenangabe.
Einheiten für Zeit und Winkel
Die Einteilung des Kreises in 360 Grad und die Einteilung das Tages in Stunden zu je sechzig Minuten mit je sechzig Sekunden lässt sich auf die Babylonier zurückführen, die das Sexagesimalsystem, d.h. ein Zahlensystem mit der Basis 60, verwendeten. Die 360 Grad könnten damit zusammenhängen, dass ein Jahr circa 360 Tage besitzt. Ein Vorteil ist dabei auch, dass die Zahl 360 durch sehr viele Zahlen teilbar ist und man somit oftmals Bruchrechnung vermeiden kann.
Die Einheit Gon (früher: Neugrad), die den rechten Winkel in hundert Teile einteilt, ist im Alltag völlig ungebräuchlich, wird aber im Vermessungswesen benutzt.
Die Einheit Strich (auch: mil) teilt den Vollkreis in 6400 Teile und hat die praktische Eigenschaft, dass ein Strich ungefähr einem Meter in einem Kilometer Entfernung entspricht (oder einem Millimeter in einem Meter Entfernung).
Angelsächsiche Maßeinheiten
Während der Besetzung Englands durch die Römer wurde die römische Meile dort eingeführt. Königin Elizabeth I. änderte per Erlass die Meile auf 5280 Fuß oder acht furlongs, wobei ein furlong aus vierzig rods zu je 5,5 yards bestand.
Das yard als Längenmaß wurde später eingeführt, sein Ursprung ist nicht genau bekannt. Das frühe yard wurde in zwei, vier, acht und sechzehn Teile eingeteilt, die half-yard (halbes Yard), span (Spanne), finger und nail (Nagel) genannt wurden. Die Verbindung des yard mit dem Körperumfang oder der Entfernung von der Nasenspitze zum Daumen von König Heinrich I. sind vermutlich nur Versuche der Standardisierung, da verschiedene yard-Maße in Großbritannien und Nordirland benutzt wurden.
Das metrische System
Metrische Einheiten haben sich seit der Einführung des ersten wohldefinierten Systems 1791 in Frankreich über die ganze Welt verbreitet, zunächst in den nicht englischsprachigen Ländern, aber in letzter Zeit auch dort. Das erste metrische System war auf Zentimeter, Gramm und Sekunde aufgebaut (cgs-System, c für Centimeter) und diese Einheiten waren sehr praktisch in Wissenschaft und Technik. Spätere metrische Systeme basierten auf Meter, Kilogramm und Sekunde (mks-System), um leichter handhabbar für praktische Anwendungen zu sein und in der Technik und Industrie entstand das Technische Maßsystem, das als Basiseinheiten Meter, Kilopond (früher: Kraftkilogramm), Sekunde und Grad hatte. Das gegenwärtige metrische System ist das Internationale Einheitensystem (SI). Es basiert ebenfalls auf Meter, Kilogramm und Sekunde und enthält auch weitere Grundeinheiten für Temperatur, elektrische Stromstärke, Lichtstärke und Stoffmenge.
Das metrische System wurde in Frankreich nur langsam angenommen, aber Wissenschaftler und Techniker hielten seine Einführung als internationales System für wünschenswert. Am 20. Mai 1875 wurde ein internationaler Vertrag, die Meterkonvention, von siebzehn Staaten unterzeichnet. Verschiedene Organisationen und Laboratorien wurden gegründet, um ein einheitliches System zu schaffen und zu bewahren.
Das metrische System ist einfacher als die alten Maßeinheiten, weil verschieden große Einheiten immer glatte Zehnerpotenzen von anderen Einheiten sind. Diese Beziehung zwischen den Einheiten führt im Dezimalsystem zu leichten Umrechnungen von einer Einheit zur anderen.
Internationales Einheitensystem
Am Ende des zweiten Weltkrieges existierten immer noch eine Reihe verschiedener Einheitensysteme in der Welt. Manche davon waren Variationen des metrischen Systems, andere basierten auf dem Inch/Pfund-System der englischsprachigen Länder. Man erkannte, dass weitere Schritte nötig wären, um die Einrichtung eines weltweiten Maßsystems zu fördern. Daher wurde 1948 eine internationale Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche Bedürfnisse bezüglich Maßeinheiten in den Bereichen Wissenschaft, Technik und Bildung vorhanden waren. Aufgrund der Ergebnisse wurde 1954 entschieden, dass ein internationales System auf sechs Basiseinheiten aufbauen sollte. Die sechs empfohlenen Basiseinheiten waren Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin und Candela. 1960 wurden die Einheiten dieses Systems nach der französischen Bezeichnung Système International d'Unités SI-Einheiten genannt. 1971 kam als siebte Basiseinheit das Mol hinzu.
Das SI-Einheitensystem ist heute in der ganzen Welt verbreitet. In vielen Ländern ist sein Gebrauch für bestimmte Anwendungsgebiete, namentlich das Eichwesen oder ganz allgemein den amtlichen und geschäftlichen Verkehr gesetzlich vorgeschrieben. In einigen Ländern werden daneben weiterhin traditionelle Maßsysteme verwendet. In den USA haben sich SI-Einheiten nur in wissenschaftlichem und technischem Kontext durchgesetzt, während im Alltag das imperiale Maßsystem benutzt wird. In Großbritannien sind die traditionellen Einheiten aus vielen Bereichen zurückgedrängt worden, halten sich aber zum Beispiel für Entfernungs- und Temperaturangaben.
Viele Physiker haben lange Zeit an dem cgs-System festgehalten, das namentlich im Bereich der Festkörperphysik und der physikalischen Chemie handhabbarere Größenordnungen liefert (z.B. Dichten von 1 g/cm³ statt 1000 kg/m³) und in der Elektrodynamik (Gaußsches Einheitensystem) ohne die Basiseinheit Ampere und damit ohne die Pseudo-Naturkonstante ε0 auskommt. Die Kapazität eines Kondensators wird dann in Zentimeter angegeben, wobei ein Zentimeter ungefähr einem Picofarad entspricht. Spätestens in den 1990er Jahren sind die meisten Hochschul-Lehrbücher jedoch auf SI-Einheiten umgestellt worden.
Typografische Maßeinheiten
Der Punkt als Einheit der Schriftgröße ist ziemlich neu. Er wurde von Pierre Simon Fournier im Jahr 1737 eingeführt und 1755 von den Brüdern François Ambroise und Pierre François Didot weiterentwickelt. Der Didot-Punkt (dd) betrug 0,376065 Millimeter (das Grundmaß war auch hier: ein französischer Fuß, Pied de roi) bis er 1973 zur einfacheren Handhabung im metrischen System auf 0,375 Millimeter abgerundet wurde. Zur Unterscheidung wird die neue Einheit häufig auch typographischer Punkt genannt. In diesem System (Schriftsatz) gibt es auch die Einheit Cicero, ein Cicero entspricht zwölf Punkt. Vier Cicero werden zu einer Konkordanz zusammengefasst. Eine ausführliche Darstellung/Gegenüberstellung gibt es unter Schriftsatzmaße.
1886 kam aus den USA (Fa. Marder, Luse & Co. Chicago) mit der Erfindung der Linotype-Zeilengussmaschine ein alternatives Punktmaß auch nach Europa: der Pica-Punkt (pp) hat die exakte Größe von 0,3514598 Millimetern, das entspricht ungefähr 1/72 Zoll. Analog zum Cicero bildet hier ein Pica das nächst höhere Schriftmaß von zwölf Pica-Punkt.
Heute werden im IT-Bereich "geglättete" Maße verwendet. Ein Zoll hatte genau 72,27 (Pica-)Punkt, heute hat ein Zoll genau 72 DTP-Punkt (gelegentlich auch PostScript-Punkt). Der DTP-Punkt (pt) ist die einzig verlässliche Größe (zur Zeit) als Maßangabe auf dem Computer. Die Punktgrößen weichen zwischen PC-Systemen (auch Linux) und Apple Mac-Systemen etwas voneinander ab.
Um die Verwirrung perfekt zu machen, wird mit den oben genannten Maßeinheiten nicht die tatsächliche Buchstabengröße (Versalhöhe) gemessen, sondern die so genannte Kegelhöhe, der Kegel ist im Bleisatz der Körper, der den (meist kleineren) Buchstaben trägt.
Die als Entwurf vorhandene DIN 16507-2 verwendet metrische Maße, die dem Punkt äquivalente Größe ist dort als 0,25 mm definiert. Statt der Kegelhöhe wird die messbare Größe Versalhöhe zur Angabe der Schriftgröße verwendet (vgl. [1]).