Lesen
Lesen ist der Prozess, schriftlich niedergelegte Informationen und Ideen aufzunehmen und zu verstehen.

Neben dem visuellen oder ersatzweise taktilen Lesen von Texten (also auch Blindenschrift), wird der Begriff auch auf die folgenden Prozesse angewandt:
- in der Informatik das Lesen von Daten von einem Datenträger; hier wird kein Textverständnis erworben
- Dinge auswählen, um sie danach aufzusammeln und zusammenzutragen, siehe Verwandte Bezeichnungen und Wortherkunft
- einen Lehrvortrag an einer Universität halten
sowie im übertragenen Sinne:
- "in einem Gesicht lesen", d.h. durch Interpretierung von Mimik (und Gestik) die Stimmung oder Wahrhaftigkeit einer anderen Person erkennen
- Spurenlesen, d.h. Wesen anhand ihrer Spuren erkennen und ihre Aktivitäten rekonstruieren können, z.B. bei Tieren (Fährtenlesen) oder in der Polizeiarbeit (Spurensicherung)
- "das Grün lesen" im Golfsport, d.h. den Verlauf von Unebenheiten im Umkreis des Loches erkennen.
Verwandte Bezeichnungen und Wortherkunft
In der ursprünglichen Verwendung bedeutet Lesen "eine Handarbeit, die Konzentration und ein gutes Auge erfordert". Auf diese gehen die folgenden zusammengesetzten Wörter (Kompositen) zurück, die ein (sorgfältiges) Sammeln, Aufsuchen oder Aussortieren bezeichnen:
- auslesen und Auslese, d.h. das Aussuchen von nach vorgegebenen Qualitätsmerkmalen elitären Personen oder Objekten bzw. eine Gruppe derselben
- verlesen wie in "handverlesen", d.h. die Eigenschaft eines Objektes, nach sorgfältiger Begutachtung ausgesucht worden zu sein
- erlesen, d.h. die Eigenschaft eines Objektes, elitär und damit besonders edel und wertvoll zu sein
- auflesen, d.h. das Zusammensuchen und Mitnehmen von Personen oder Objekten
- Weinlese, d.h. die Ernte von Weintrauben
- Federlesen wie in "nicht viel Federlesens machen", d.h. das Rupfen eines gefiederten Tieres bzw. im übertragenen Sinne das Ausfindigmachen und Kritisieren von Fehlern und Mängeln
Die heutige Bedeutung des Wortes Lesen geht darauf zurück, dass das Lesen als "sorgfältiges Aufsammeln" von Zeichen betrachtet werden kann.
- Hinweis: Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf buchstaben-basierte Schriften (wie diese hier), nur eingeschränkt auf Silbenschriften wie das Japanische und so gut wie überhaupt nicht auf Symbolschriften wie etwa das Chinesische.
Der Wahrnehmungsprozess beim Lesen
Das Lesen von Texten wird in der Kognitionspsychologie und der Linguistik mit Hilfe der Blickbewegungsforschung untersucht. Die Darstellungen dieses Abschnittes beziehen sich auf Forschungsergebnisse dieses Gebietes; da diese empirischer Natur sind, können sie im Laufe der Zeit Änderungen oder Widerlegungen erfahren.
Grundlagen der Wahrnehmung beim Lesen
Der Mensch nimmt seine Umwelt mit den Augen wahr, indem er seinen Blick abwechselnd (a) fest auf einen bestimmten Punkt (Fixationspunkt) richtet (Fixation), und (b) mit schnellen, ruckhaften Bewegungen (Saccaden) von einem Fixationspunkt zum nächsten bewegt. Nur während der Fixationsphasen werden visuelle Bilddaten über die Netzhaut des Auges aufgenommen, die Verarbeitung der Informationen wird aber auch während den Saccaden fortgesetzt. Man unterscheidet im Gesichtsfeld die Bereiche foveal (bis 2° Sehwinkel), parafoveal (bis 5° Sehwinkel) und peripheral, nach ihrem Abstand vom Zentrum des schärfsten Sehens (Fovea). Das Gebiet, aus dem während einer Fixation sinnvolle Informationen gewonnen werden können (Wahrnehmungsspanne), ist asymmetrisch und erstreckt sich vom Fixationspunkt aus ca. 3 - 4 Buchstaben gegen die Leserichtung (in westlichen Ländern links) bis ca. 14 - 15 Buchstaben in Leserichtung (rechts). Tatsächlich erkannt werden können Wörter aber nur bis ca. 7 - 8 Buchstaben Entfernung vom Fixationspunkt in Leserichtung (Wortidentifikationsspanne).
Blickbewegungen beim Lesen
Menschen lesen einen Text, indem sie ihren Blick entlang der Leserichtung (in westlichen Ländern also von links nach rechts und von oben nach unten) mit Saccaden von etwa 7 bis 9 Buchstaben Länge über die Schrift lenken und dazwischen während Fixationsphasen von durchschnittlich 200 bis 250 ms Länge neue Bilddaten aufnehmen. Trifft der Leser auf einen (grammatisch) zweideutigen Satzteil, so kann es darüber hinaus zu gezielten Rücksprüngen zu bereits gelesenen Textteilen kommen (Regressionen). Diese Augenbewegungen sind stark von Faktoren wie Geübtheit des Lesers, Schwierigkeit des Textes, Interesse aber auch von Drogenkonsum abhängig und variieren allgemein in der folgenden Weise: Je schwieriger ein Text wird, desto (a) kürzer die Saccaden, (b) länger die Fixationsphasen und (c) häufiger die Regressionen. Entgegen der von Verfechtern des Schnelllesens verbreiteten Meinung sind Regressionen weder überflüssig noch schlechte Angewohnheiten, sondern sind für das vollständige Verständnis eines Textes unerlässlich. Wer auf sie verzichtet, muss in Kauf nehmen, kompliziertere oder ungewöhnliche Satzkonstruktionen nicht zu verstehen.
Auslassen von Wörtern
Beim Lesen wird nicht jedes einzelne Wort fixiert. Bereits durchschnittliche Leser überspringen 75 % aller kurzen Wörter (3 Buchstaben), sowie 65 % der Funktionswörter. Besonders wichtig ist auch die Vorhersagbarkeit der nächsten Worte aus der grammatischen Struktur oder dem Bedeutungskontext des bisher gelesenen (sententielle Einschränkung), die zu häufigerem Auslassen von Wörtern führt und damit die Lesegeschwindigkeit enorm beschleunigen kann. Normale Leser lesen etwa 250 Wörter pro Minute.
Erklärungsmodelle
Es gibt zwei konkurrierende Modelle, die versuchen zu erklären, wann Leser ihre Augen weiterbewegen. Das cognitive process model behauptet, der Blick springe erst dann zum nächsten Wort, wenn eine bestimmte Auslösebedingung erfüllt sei. Diese Bedingung sei der "lexikalische Zugriff", also der Moment, in dem ein Wort eindeutig identifiziert ist (Bedeutung und Einordnung des Wortes in den Text müssten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht klar sein). Das oculomotor model hingegen behauptet, Blickbewegungen seien durch einfache Regeln gesteuert, die hauptsächlich von phsyischen Parametern abhingen. So bestimme ein Leser aufgrund seiner Absicht zunächst eine textweite Strategie (z.B. "möglichst aufmerksam lesen") und arbeite sich innerhalb eines Satzes mithilfe einer angepassten Taktik (z.B. "Satz ist kompliziert, langsam machen") voran. Die Forschungsergebnisse scheinen dem cognitive process model eher Recht zu geben als dem oculomotor model, allerdings konnte bisher keine der zahlreichen Abwandlungen dieser Basismodelle eindeutig bestätigt werden.
Identifikation von Wörtern
Wie die Wörter innerhalb der Wortidentifikationsspanne während einer Fixationsphase identifiziert werden, kann von der Blickbewegungsforschung nicht erklärt werden, da hier keine Augenbewegungen stattfinden. Stattdessen werden hier die Wahrnehmungspsychologie und Untergebiete wie die Gestaltpsychologie herangezogen. Tatsächlich scheint sich der Identifikationsprozess aus mehreren Teilprozessen zusammenzusetzen, die sich gegenseitig ergänzen: Während die visuelle Gestaltwahrnehmung relativ gut erklären kann, wie einzelne Druckbuchstaben oder fehlerfrei gedruckte Wörter erkannt werden können, wird das primitive Vergleichen von Mustern auf Wortebene durch die sententielle Einschränkung, parafoveale Vorverarbeitung aus der vorigen Fixationsphase und weitere, bisher nicht geklärte Prozesse, ergänzt. Wichtig für eine schnelle und fehlerfreie Erkennung sind vor allem die ersten drei und der letzte Buchstabe eines Wortes, Groß- und Kleinschreibung sowie phonologische Übereinstimmungen.
Lesen von falsch geschriebenen Wörtern
Ein im Internet viel diskutiertes Phänomen ist eine angebliche Studie der Universität Cambridge, laut der es egal ist, in welcher Reihenfolge die Buchstaben eines Wortes stehen, solange der erste sowie der letzte Buchstabe stimmen. Ein Beispiel dafür ist der folgende Satz: Biem Sbndooarewn gbit es veile verseicednhe Trckis, wie zum Biepisel der Bcaikflp. (Beim Snowboarden gibt es viele verschiedene Tricks, wie zum Beispiel der Backflip.)
Integration
Die Frage, wie die beim Lesen wahrgenommenen Informationen über Saccaden zusammengesetzt werden (Integration), ist nach wie vor Objekt der Forschung. Obwohl hier die parafoveale Wahrnehmung die Hauptrolle spielt, hat sich das naheliegendste Modell eines visuellen Integrationspuffers, bei dem die Bilder ähnlich der Panoramatechnik der Bildverarbeitung einfach aneinandergefügt werden, nicht bestätigt. Stattdessen scheint das Zusammenführen der Daten auf Basis von phonologischen Codes (keine Morpheme) und bislang nicht eindeutig identifizierten abstrakten Buchstaben-Codes zu funktionieren.
Subvokalisierung
Subvokalisierung bezeichnet den Vorgang, dass man während dem Lesen den Text innerlich mitspricht. Die Bedeutung dieses Vorganges ist umstritten und ungeklärt. Während Schnellleser behaupten, die Subvokalisierung bremse den Leseprozess unnötig aus und solle deshalb bewusst vermieden werden, führen Gegner die phonologische Komponente der Wahrnehmung ins Feld und behaupten, ohne Subvokalisierung sei Lesen gar nicht erst möglich. Beachtet werden muss, dass Vorlesen - also das gleichzeitige Mitsprechen des gelesenen Textes - den Leseprozess stark verlangsamt und das Textverständnis extrem reduziert und dass Spezialschriften wie die Notenschrift offensichtlich auch ohne Subvokalisierung lesbar sind. Im Gegenzug darf nicht vernachlässigt werden, dass bei lautem Vorlesen andere Prozesse aktiv sind als bei der stillen Subvokalisierung und dass speziell bei der Notenschrift ein tiefergehendes Textverständnis oftmals nicht erworben werden muss, sondern die direkte Umsetzung der Zeichen in Bewegung genügend ist.
Schnelllesen
Schnellleser bezeichnet man Menschen, die mit 600 bis 700 Wörtern pro Minute etwa doppelt bis dreimal so schnell lesen wie der durchschnittliche Leser und trotzdem den wesentlichen Teil des Textes erfassen. Da diesem Gebiet zur Zeit unter anderem eine nicht zu vernachlässigende finanzielle Bedeutung zukommt, ist ihm ein eigener Artikel gewidmet: Schnelllesen.
Lesen von Spezialschriften
Das Lesen von spezielleren Schriften wie Notenschrift oder mathematischen Formeln unterscheidet sich stark vom konventionellen Lesen. In beiden Gebieten richten sich die Blickbewegungen nach dem Inhalt der dargebotenen Information. Notensätze mit vielen Akkorden zeichnen sich z.B. durch zahlreiche vertikale Blickbewegungen aus, während bei Stücken mit kontrapunktischer Melodieführung horizontale Saccaden überwiegen.
Lesetechniken
Lesetechniken dienen dazu, die Art des Lesens den Zielen des Lesers anzupassen und ihm so zu einem optimalen Nutzen bei Minimierung des Aufwandes zu verhelfen. Dabei gibt es einerseits die Lesetechniken Sequenzielles Lesen, Intensives Lesen, Kursorisches Lesen und Punktuelles Lesen, die als konventionelle Lesetechniken nur die Arbeitsweise und die Auswahl der zu lesenden Textstellen beeinflussen. Dem gegenüberstehen die Schnelllesetechniken Diagonales Lesen (Scannen), SpeedReading und PhotoReading, die die Steuerung innerhalb einzelner Sätze und den Wahrnehmungsprozess selbst beeinflussen. Letztere dienen vornehmlich dazu, die Lesegeschwindigkeit zu erhöhen, ohne das Textverständnis allzusehr zu beeinträchtigen.
Die meisten dieser Lesetechniken sind neben den Zielen des Lesers auch an einer speziellen Art von Literatur ausgerichtet. So mag man beim Diagonalen Lesen der Zeitung gute Erfolge verbuchen, während bei Goethes Faust mangelndes Textverständnis ohne nenneswerte Zeiteinsparung das Ergebnis die Folge sind. Andererseits Es gilt also, die passende Lesetechnik für die passende Textart zu wählen und sie vernünftig einzusetzen.
Sequenzielles Lesen
Das Sequenzielle Lesen ist die häufigste und gewöhnlichste aller verwendeten Lesetechniken. Der Text wird hier von Anfang bis Ende gelesen, mit dem Ziel dem Handlungs- oder Gedankengang möglichst vollständig zu folgen. Dabei wird versucht, auf größere Rücksprünge oder wiederholtes Lesen größerer Teile zu verzichten, während gewöhnliche Regressionen durchaus erlaubt sind.
Intensives Lesen
Beim Intensiven Lesen ist das Ziel, einen Text und die dazugehörige Haltung seines Autors möglichst umfassend zu verstehen um seine gezielte Weiterverarbeitung zu ermöglichen. Der Text wird dabei mit sachlicher Distanz - also ohne Identifikation mit Personen oder den Meinungen des Autors - gelesen und reflektiert. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Stil, der Argumentationsweise und der Absicht des Autors.
Kursorisches Lesen
Das Kursorische Lesen ist die umfassendste Art, ganze Bücher zu bearbeiten. Statt ein Buch von der ersten bis zur letzten Seite durchzulesen, fließen beim Kursorischen Lesen auch ergänzende Informationen ein. Zunächst wird das Titelblatt, das Inhaltsverzeichnis, das Vorwort, das letzte Kapitel und bei Vorhandensein das Nachwort gelesen. Aufgrund dieses Überblickes folgt eine erste Reflexion über den Inhalt des Buches und die Analyse, welchen Nutzen für die eigenen Ziele die gründliche Bearbeitung des Buches bringen wird. Es folgt eine intensive Beschäftigung mit dem Text, die Lesen, Markierungen, Notizen und wiederholtes Bearbeiten beinhaltet und zu einem umfassenden Verständnis, wenn möglich nicht nur des Buches sondern auch des zugehörigen Themenbereichs, zu kommen.
Punktuelles Lesen
Beim Punktuellen Lesen wird ein Text nicht vollständig, sondern nur ausschnittsweise gelesen. Welche Teile dies sind bleibt dem Leser und seinen persönlichen Zielen überlassen. In einer nachfolgenden Reflexionsphase wird versucht, den Bedeutungsinhalt der einzelnen Bruchstücke zusammenzufügen und in den Kontext einzuordnen. Diese Lesetechnik eignet sich speziell für Hypertext.
Diagonales Lesen und Scannen
Beim Diagonalen Lesen werden nur bestimmte Bereiche eines Textes gelesen. Dies sind im Allgemeinen der erste Satz eines Absatzes, typographisch hervorgehobene Stellen (kursiv, Überschriften), spezielle Absätze ("Zusammenfassung:"), spezielle Ausdrücke ("2x + 4 = 5") und das Umfeld von Schlüsselwörtern wie Aufzählungen ("erstens", "2.", "-"), Schlussfolgerungen ("schließlich", "also:") und Fachbegriffe ("Fixkostenregression"). Durch diese Technik ist das schnelle Durcharbeiten eines längeren Textes auf Kosten des Textverständnisses und Detailwissens möglich. Sie wird meist von ihrem Anwender individuell nach Erfahrung und Textart an die jeweilige Situation angepasst.
Die Begriffe Scannen und Diagonales Lesen werden meist synonym verwendet, Scannen bezeichnet darüber hinaus aber auch das gezielte Suchen nach speziellen Informationen oder einzelnen Wörtern in einem Text. Beim Scannen nach einer speziellen Information werden im Text systematisch nach oben beschriebenem Schema entsprechende Schlüsselwörter gesucht. Beim Scannen nach einzelnen Wörtern stellt sich der Leser das Wort in der jeweiligen Schriftart zunächst ausgeschrieben vor und überfliegt daraufhin den Text blockweise. Laut einer Studie über Benutzerfreundlichkeit (siehe [1]) ist Scannen für 79% der Benutzer des Internets die bevorzugte Lesetechnik für Webseiten; sie wird dabei meist unbewusst genutzt. Siehe auch unten den Abschnitt Kritik an den Schnelllesetechniken.
SpeedReading
Das SpeedReading wurde von Tony Buzan entwickelt und ist eine Kombination verschiedener Ansätze zur Erhöhung der Lesegeschwindigkeit. Diese umfassen beispielsweise eine gezieltere Kontrolle des Blicks, die Erweiterung des zum Lesen verwendeten Sehfelds - statt einzelne Buchstaben sollen möglichst ganze Sätze oder gar Abschnitte auf einen Blick erfasst werden -, eine Reduzierung der Wahrnehmung auf Konsonanten und den Verzicht auf die Subvokalisierung. Aufgrund des Umfangs der Technik und der Bedeutsamkeit des Gebiets gibt es hierzu einen eigenen Artikel: Schnelllesen, siehe auch unten den Abschnitt Kritik an den Schnelllesetechniken.
PhotoReading
Das von Paul R. Scheele entwickelte PhotoReading propagiert einen Wahrnehmungsprozess, der dem von Menschen mit fotografischem Gedächtnis ähnelt: Eine ganze Seite soll als Bild im Unterbewusstsein gespeichert werden und die Informationen daraus ohne größere Zwischenverarbeitung direkt gewonnen werden. Die Augen sind während der Aufnahmephase nicht fokussiert, der Leser muss sich in einen speziellen Zustand der Entspannung versetzen. In der anschließenden sog. "Aktivierungsphase" sollen die Informationen aus dem aufgenommenen Bild "aktiviert", d.h. verfügbar, gemacht werden. Die Lesetechnik beinhaltet zusätzlich die konventionellen Ansätze des Kusorischen und Diagonalen Lesens in Hinsicht auf das Verschaffen eines Überblicks gefolgt von einer Phase der Reflexion des Gelesenen. Siehe auch unten den Abschnitt Kritik an den Schnelllesetechniken.
Kritik an den Schnelllesetechniken
Entgegen aller Versprechungen einiger Anhänger wird bei der Verwendung einer Schnelllesetechnik der Text weniger exakt aufgenommen. Erwiesenermaßen wird aus Bereichen, in denen keine Fixation stattfindet, auch keine Information extrahiert. Es ist somit unmöglich, eine ganze Zeile Text mit nur einer einzigen Fixation in der Zeilenmitte zu erfassen. Komplizierte und ineinander verschachtelte Sätze verlangen zeitaufwendiges Nachdenken zur Entschlüsselung ihrer Struktur. Beim normalen Lesen finden aus diesem Grund Regressionen statt; der absichtliche Verzicht auf diese Rücksprünge führt dazu, dass teilweise nicht genug Zeit da ist um über einen Satz nachzudenken und ihn völlig zu verstehen. Das Verzichten auf die Subvokalisierung ist ein besonderer Streitpunkt, denn Gegner dieser Anwendung halten das Lesen ohne Subvokalisierung prinzipiell für unmöglich oder zumindest höchst ineffizient. PhotoReading muss sich den Vorwurf gefallen lassen, es sei eine esoterische Anwendung, die keinen Bezug zu wissenschaftlichen Fakten habe. In der Tat gibt es keinen experimentellen Beleg dafür, dass diese Technik funktioniert, geschweige denn dafür, dass sie eine Steigerung der Lesegeschwindigkeit herbeiführt. Bedenklich erscheint den Kritikern im Allgemeinen, dass Schnelllesetechniken Verbesserungsvorschläge für einen Prozess machen, der noch lange nicht komplett verstanden ist.
Leselernmethoden
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen mehreren Methoden, wie Kinder oder Analphabeten das Lesen (einer Buchstabenschrift) erlernen.
- Buchstabiermethode
Die Buchstabiermethode ist die älteste und nach heutigen Erkenntnissen auch die ungeeignetste Methode, einem Unkundigen das Lesen zu lehren. Sie hielt sich in einigen Ländern bis ins 19. Jahrhundert, als man andernorts längst zur Lautiermethode übergegangen war. Als ein Beispiel für diese Methode soll gelten: Der Lehrer zeigt mit dem Stock an die Tafel und lässt laut die dort aufgeschriebenen Wörter so lange buchstabierend ( Ha - A - U - Es ) wiederholen, bis die Lernenden diese auswendig aufsagen können. Ein Grundfehler dieser Methode war, dass die Buchstaben nicht mit ihrem Lautwert gesprochen wurde, sondern buchstabiert wurden (also nicht: K - U - H, sondern: Ka - U - Ha).
- Lautiermethode
Mit dem Aufkommen der Fibeln für Kinder ging man bereits in einigen Schulen nach dem Vorbild des Pädagogen Valentin Icklsamer dazu über, das Lesen nach dieser Methode zu erlernen. Die Bezeichnung dafür kam erst 1803 durch den bayrischen Schulrat Heinrich Stephani.
- Ganzheitsmethode
Die Ganzheitsmethode (auch Ganzwortmethode) beschreibt eine bestimmte Art, wie das Lesen von Wörtern und ganzen Sätzen erlernt wird. In der Ganzheitsmethode werden die Buchstaben nicht sequenziell zu Worten kombiniert, sondern die Worte und Sätze werden über das Bildgedächtnis als Ganzes erkannt.
Erwachsene, die bereits lesen können, haben zahlreiche Wortbilder bereits im Gedächtnis gespeichert. Zur Verdeutlichung soll dieser Text dienen, der von den meisten, trotz Buchstabendreher, korrekt und relativ schnell gelesen werden kann:
Gmäeß eneir Sutide eneir elgnihcesn Uvinisterät ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid, das ezniige, was wcthiig ist, ist dsas der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsinöldn sien, tedztorm knan man ihn onhe Pemoblre lseen. Das ist so, wiel wir nciht jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wrot als gseatems.
Pädagogen sind sich heute einig, dass eine vernünftige Durchmischung dieser Methoden den größten Erfolg zeitigt, wobei die Buchstabiermethode nur noch eine Nebenrolle einnimmt.
Zitate
- "Wer lesen kann, ist klar im Vorteil."
- "Das Lesen liegt an der Schwelle des geistigen Lebens; es kann uns darin einführen, aber es ist nicht dieses Leben." – Marcel Proust (aus: Tage des Lesens, ISBN 3458344187, S. 33)
Siehe auch
Lernspezifische Aspekte des Lesens:
- Analphabet - eine Person, die nicht Lesen gelernt hat
Medizinische Aspekte des Lesens:
- Dyslexie - Probleme mit dem Lesen und Verstehen trotz guten Sehvermögens
- Legasthenie - Schwierigkeiten beim Lesen aufgrund veränderter Wahrnehmung
Förderung des Lesens:
- Leseförderung - das Unterstützen von und Ermutigen zum Lesen
- Stiftung Lesen
- Lesebühne
Quantitative und qualitative Analyseverfahren des Lesens:
- Lesbarkeit - wie verständlich ist ein Text?
- Lesbarkeitsindex - Maß für die Verständlichkeit von Texten?
Historische Aspekte des Lesens:
- Lesesucht - historische Debatte über "falsche Lektüre", d.h. Bücher die "den Geist verderben"
Mit dem Lesen verwandte Begriffe:
- Leseratte - eine Person, die sehr gerne und viel liest