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Zivilcourage

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Zivilcourage setzt sich aus den beiden Wörtern zivil (lateinisch civilis, 1. bürgerlich – nicht militärisch, 2. anständig, annehmbar) und courage (französisch „Mut“) zusammen.

Entstehung des Begriffs

Nachgewiesen wird der Begriff Zivilcourage erstmals 1835 in Frankreich als „courage civil“: Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil und „courage civique“: staatsbürgerlicher Mut.

Der deutsche Begriff Zivilcourage – der beides umfasst – wird schon 1864 von Otto von Bismarck erwähnt. Beschrieben ist eine Szene, in der Bismarck einem Verwandten vorwarf, ihn in einer Debatte des Preußischen Landtags nicht unterstützt zu haben. Er wird mit den Worten zitiert: „Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut, aber Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt“ (zitiert nach v. Keudell, 1901). In meiner Hose Kaka machen!xD

Aktuelles Verständnis

Heute wird unter Zivilcourage das Auftreten gegen die öffentliche Meinung verstanden, mit dem der Einzelne, ohne Rücksicht auf sich selbst, soziale Werte oder die Werte der Allgemeinheit vertritt, von denen er selbst überzeugt ist.

Nach Gerd Meyer ist Zivilcourage „ein spezifischer Typus sozialen Handelns, das sich in spezifischen Situationen, in unterschiedlichen sozialen Kontexten, und Öffentlichkeiten vollzieht, indem eine Person (seltener eine Gruppe) freiwillig eintritt für die legitimen, primär nicht-materiellen Interessen und die personale Integrität vor allem anderer Personen, aber auch des Handelnden selbst, und sich dabei an humanen und demokratischen Prinzipien orientiert.“ (Gerd Meyer et. al: Zivilcourage lernen.)

In westlich orientierten Gesellschaften zeigt derjenige Zivilcourage, der die Wertorientierungen der jeweiligen Gesellschaften, wie z. B. die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, offen und ohne Rücksicht auf eigene Nachteile vertritt. Dies erfordert Mut, da derjenige, der Zivilcourage zeigt, möglicherweise mit Repressionen durch Autoritäten, Vertreter der herrschenden Meinung oder sein soziales Umfeld zu rechnen hat. Als zivilcouragiert gelten auch Whistleblower, also Individuen, die Fehlverhalten innerhalb von Institutionen und insbesondere Firmen aufdecken.

Untersuchungen und Analysen

Wissenschaftlich untersucht wurde das Phänomen aus den Perspektiven verschiedener Fachrichtungen. Im deutschsprachigen Raum und aus sozialpsychologischer Perspektive u.a. von der Arbeitsgruppe um Dieter Frey (München), von Veronika Brandstätter (Zürich) oder Kai J. Jonas (Amsterdam). Aus politisch-psychologischer Perspektive u.a. von Gerd Meyer (Tübingen). Darüber hinaus in anderen Fachbereichen Peter Grottian, Bernd Kollek (Gewalt im ÖPNV), Gunnar Heinsohn (über den Bystander-Effekt aus soziologischer Perspektive) sowie Pearl und Samuel Oliner und David Rosenhan (über nichtjüdische Judenretter).

Als Sonderfall der politischen Zivilcourage kann individuelles Verhalten gelten, wenn es ein Gegenmodell zum Machterhalt durch die Parteidisziplin darstellt, wie John F. Kennedy in seinem Profiles in Courage (1956) am Beispiel des politischen Verhaltens von acht Senatoren exemplarisch zeigte.

Literatur

  • Johannes Czwalina: Wer mutig ist, der kennt die Angst. Verlag: Brendow. ISBN 978-3865062123
  • Dieter Deiseroth: Zivilcourage am Arbeitsplatz - Rechtliche Rahmenbedingungen. In: Hermann Reichold, Albert Löhr, Gerhard Blickle (Hrsg.): Wirtschaftsbürger oder Marktopfer? München 2001.
  • Stefan Frohloff: Gesicht zeigen! Handbuch für Zivilcourage. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-593-36807-2
  • Wolfgang Heuer: Couragiertes Handeln. Lüneburg 2002.
  • Max Hollweg: Es ist unmöglich von dem zu schweigen, was ich erlebt habe: Zivilcourage im Dritten Reich. Mit einem Vorwort von Detlef Garbe. Bielefeld: Mindt, 3. Aufl. 2000, ISBN 3-00-002694-0
  • Kai Jonas, Margarete Boos & Veronika Brandstätter (Hrsg.): Zivilcourage trainieren: Theorie und Praxis. Göttingen 2006, ISBN 3-801-71826-3
  • Ulrich Kühne (Hrsg.): Mutige Menschen. Frauen und Männer mit Zivilcourage. Vorwort von Ulrich Wickert. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2006. ISBN 3-938045-13-2
  • Dieter Lünse, Jörg Rohwedder, Volker Baisch: Zivilcourage. 3. überarb. Auflage, Agenda Verlag, Münster 2001, ISBN 3-929440-72-5
  • Gerd Meyer: Lebendige Demokratie. Zivilcourage und Mut im Alltag. Forschungsergebnisse und Praxisperspektiven. Baden-Baden 2004.
  • Gerd Meyer, Ulrich Dovermann, Siegfried Frech, Günther Gugel (Hrsg.): Zivilcourage lernen. Analysen - Modelle - Arbeitshilfen. Bundeszentrale für politische Bildung/ Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2004. ISBN 3-89331-537-3
  • Gerald Praschl, Marco Hecht: Ich habe Nein gesagt – Zivilcourage in der DDR, Kai Homilius Verlag Berlin, 2002, ISBN 3-897-06891-5
  • Beverly Stone: The Inner Warrior - Developing Courage for Personal and Organizational Change, 2004, ISBN 978-1-4039-3677-6
  • Gedanken über Zivilcourage, herausgegeben 2007 von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung

Siehe auch