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Alter Jüdischer Friedhof an der Oberstraße

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Blick von der Oberstraße aus

Der Alte Jüdische Friedhof an der Oberstraße in Hannover ist der erste und damit älteste Friedhof der Jüdischen Gemeinde dieser Stadt. Er wurde Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt und diente bis 1864, dem Jahr der Eröffnung des Jüdischen Friedhofs An der Strangriede, als Begräbnisstätte der hannoverschen Juden. Mit seinen etwa 700 erhaltenen Grabsteinen (Mazewa) auf dem von einer hohen Mauer umgebenen Hügel, ist er ein bedeutendes Bau- und Kulturdenkmal für die Geschichte der hannoverschen Juden. Er gilt als ältester erhaltener jüdischer Friedhof in Norddeutschland.

Geschichte

Der Friedhof wurde etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf einem Sandhügel nordwestlich der Stadt Hannover angelegt, den die kleine jüdische Gemeinde erworben hatte. Zunächst war er nur von einer Hecke umgeben. Wegen der häufigen Grabschändungen durch Fuhrleute, die illegal Sand des Hügels abfuhren, erhielt die Gemeinde 1671 einen Schutzbefehl. Der Wortlaut dieses Schriftstückes, das der Amtsvogts des Amtes Langenhagen ausgestellt hatte, findet sich auf einer Steintafel am Friedhof (zweifach erhalten). Er warnt davor, „der Juden Grabstadt ... (zu) fiolieren und zu turbieren“ (zu beschädigen oder zu stören). 1740 erhielt der Friedhof eine Mauer. Der älteste erhaltene Grabstein auf dem Friedhof, der durch mehrere Bestattungsschichten noch erhöht wurde, stammt von 1654, der letzte aus dem Jahre 1866. Der Friedhof wurde 1864 nach Eröffnung des Jüdischen Friedhofs An der Strangriede geschlossen. Der Friedhof an der Oberstraße überstand auch die Nazizeit ohne wesentliche Schäden. Er birgt die Grabstätten bedeutender jüdischer Persönlichkeiten aus dem Hannover der Frühen Neuzeit, darunter die Vorfahren des Dichters Heinrich Heine.

Stein mit der Inschrift des Schutzbefehls

Inschrift des Schutzsteins, nach Nöldeke, S. 259 und Wahl 1961, S. 4

DER JUDEN GRABSTADT
UND SCHUTZSTEIN
MIT VERWAHRUNG WER IN
KÜNFTEN DIESELBE FIOLIEREN
ODER MIT ABFÜHRUNG DES SAN-
DES TURBIREN WIRDT DAS DER-
SELBE OHN EINZIG AN SEHEN
SERMO CETMO HERTZOGEN
JOHANN FRIEDRICH DEN GNÄDIG-
STEN LANDESFÜRSTEN IN SCHARF-
FER STRAFFE VERFALLEN SEIN
SOL UHRKUNDLICH LANGENHAGEN
D. 11. SEPTEMB. Ao. 1671 AMANDAT
UM SERMI PROPRIUM MELCHIOR
ALBRECHT REICHARD
(SERMO = Serenissimo; CETMO: Vorlage verschrieben für CELSO = Celsissimo)

Grabmäler (Auswahl)

Detail Grabsteine
Grabsteine

(Zählung der Gräber nach Wahl, s.u. Literatur)

  • Marcus Adler (gestorben 1834), 30 Jahre Landrabbiner (Nr. 397, modellierte und gespreizte Hände als Symbol des [[[Aaronitischer Segen|aaronitischen Segens]] auf dem Grabstein). Sein Sohn Markus Nathan Adler (1803-1890) war sein ordentlich gewählter Nachfolger (1830-45)
  • Leffmann Behrens (1634-1714), Hof- und Kammeragent von Herzog Johann Friedrich, Förderer der Jüdischen Gemeinde (Nr. 159)
  • Michael David (gestorben 1758), stammte aus Halberstadt, wurde Mitarbeiter in der Firma von Leffmann Behrens. Er erhielt 1713 das Patent des Hof- und Kammeragenten in Hannover. 1714, nach dem Tode Leffmann Behrens’ und dem Bankrott von dessen Firma, rettete Michael David die gefährdete Gemeindesynagoge, indem er sie kaufte und der Gemeinde übergab (Nr. 248)
  • Salman Gans aus Hameln (gestorben 1654), Vorfahr von Heinrich Heine (Ururururgroßvater!), und Sohn Seligmann, ältester Grabstein (Nr. 11)
  • Lewin Goldschmidt (gestorben 1706), in seinem Haus in der Calenberger Neustadt wurde 1688 die erste Synagoge eingerichtet
  • Heimann Heine (Chaim Bückeburg) (gestorben 1780), Großvater Heinrich Heines (Nr. 304)
  • Simon David Heine (Bückeburg) (gest. 1744), Urgroßvater Heinrich Heines (Nr. 305)
  • Marcus Jacob Marx (gestorben 1789), Hofmedicus
  • Adolph Meyer (1807-1866), Bankier, Begründer der Mechanischen Weberei und der Baumwoll-Spinnerei und –Weberei in Hannover Linden, und Fanny Meyer, geb. Königswarter (1804-1861), jüngster Grabstein auf dem Friedhof (Doppelgrab Nr. 17a und 08)
  • Rafael Levi (1685-1779), Mathematiker und Astronom, letzter Schüler von Gottfried Wilhelm Leibniz (Nr. 307)

Siehe auch

Literatur

  • Selig Gronemann: Genealogische Studien über die alten jüdischen Familien Hannovers. Berlin: Lamm 1913.
  • Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. 1: Regierungsbezirk Hannover. Heft 2: Stadt Hannover. Teil 1: Denkmäler des "alten" Stadtgebietes Hannover. Hannover 1932. Neudruck: Osnabrück: Wenner 1979, S. 259. ISBN 3-87898-151-1
  • Margret Wahl: Der alte jüdische Friedhof in Hannover. Mit Beiträgen von Ludwig Lazarus (u.a.). In: Hannoversche Geschichtsblätter. N.F. Bd. 15 (1961), S. 1-76. Darin:
    • S. 3-10: Ludwig Lazarus: Zur Geschichte des Friedhofs.
    • S. 10-15: Hans Henning v. Reden: Der Sandberg als Redensches Lehen.
    • S. 15-63: Margret Wahl: Bestandsübersicht der Grabstein.
    • S. 64-75: Helmut Plath: Die Grabsteine, Formen und Symbole.
    • Nach S. 76: Übersichtsplan.
  • Peter Schulze: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hannover. Hannover: Hahn 1998. (Hannoversche Studien. Bd. 6) ISBN 3-7752-4956-7 (hier u.a. S. 12 über den Alten Friedhof an der Oberstraße)
  • Helmut Knocke, Hugo Thielen: Hannover. Kunst- und Kultur-Lexikon. Handbuch und Stadtführer. 3., rev. Aufl. Hannover: Schäfer 1995, S. 154. ISBN 3-88746-313-7
  • Wolfram Zöller: Der alte jüdische Friedhof in Hannover und seine Grabsteine von Heinrich Heines Vorfahren. In: Heine-Jahrbuch. Jg. 34 (1995) S. 168-179.
  • Louis and Henry Fraenkel: Genealogical tables of Jewish families. 14th - 20th centuries. Forgotten fragments of the history of the Fraenkel family. Transl. from Danish: Glimt af Glemt by: Malene Woodman. 2. Aufl. München: Saur 1999. ISBN 3-598-11426-5
    • Vol. 1.: Text and indexes
    • Vol. 2.: Genealogical tables

Koordinaten: 52° 22′ 54″ N, 9° 43′ 20″ O