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Clearing

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Unter Clearing wird das Feststellen gegenseitiger Forderungen, Verbindlichkeiten und Lieferverpflichtungen verstanden.[1] Der Clearingprozess[2] beinhaltet die Übermittlung, Abstimmung und in einigen Fällen Bestätigung von Abschlüssen sowie sonstigen für die Abwicklung bzw. für das Settlement notwendigen Angaben (z. B. Zahlungsweg, Ort und Zeit der Lieferung). Optional kann eine Aufrechnung und Saldierung (netting) der Geschäfte stattfinden.[3] Das Clearing wird oft von einem Clearinghouse übernommen und soll eine nachfolgende fehlerfreie Abwicklung und den Eigentumsübergang gewährleisten. Historische Bedeutung erlangte das Clearingverfahren, als die Schweiz Mitte der 1930er-Jahre mit dem Deutschen Reich und Italien ein staatlich reguliertes Verrechnungsverfahren einführte, welches bis zum Ende des zweiten Weltkriegs Bestand hatte.

Eine eindeutige Abgrenzung zwischen Clearing und Abwicklung kann schwierig sein, so kann z. B. eine buchungsmässige Abrechnung, die noch nicht valutarisch wirksam ist, auch dem Clearing zugeordnet werden.

Wertpapierclearing/​Wertpapierabrechnung

Clearingstellen kommen bei Wertpapiertransaktionen vor allem zwei wichtige Funktionen zu: Zum einen dienen sie der Abrechnung von Wertpapiertransaktionen, zum anderen werden durch sie, je nach vertraglicher Gestaltung zwischen den Teilnehmern, auch Ausfallrisiken der Vertragspartners abgesichert.

Clearingmethoden

Für die Abrechnung von Wertpapieren gibt es zwei Methoden, das Nettoclearing und das Bruttoclearing:

  • Beim Nettoclearing werden die sich aus den durchgeführten Geschäften zugunsten oder zulasten eines jeden Teilnehmers ergebenden Beträge dem bei der Clearingstelle (oder Clearinghouse) für den entsprechenden Teilnehmer unterhaltenen Konto gutgeschrieben bzw. belastet. Es findet, ähnlich wie bei einem Kontokorrentkonto, eine Saldierung von Schulden und Forderungen statt, so dass nur diese Differenzen periodisch abgewickelt und abgerechnet werden.
  • Beim Bruttoclearing dagegen findet eine solche Saldierung nicht statt, stattdessen wird jedes getätigte Geschäft einzeln abgerechnet.

In der Regel findet in keinem der beiden Verfahren eine physische Verschiebung von Wertpapieren statt. Die Papiere bleiben zum Beispiel in Deutschland meist bei der Clearstream Banking AG zentralverwahrt und werden lediglich elektronisch umgebucht.

Aufbau von Clearingsystemen

Ein Clearingsystem ist dergestalt aufgebaut, dass es einen zentralen Vertragspartner (das Clearinghouse) und diverse Mitglieder gibt, welche meist international tätige Banken sind.

An einem Clearingsystem dürfen nur ausgewählte Institutionen Mitglied werden, welche diverse Anforderungen erfüllen müssen. Die Mitglieder sind i. d. R. verpflichtet, zu Beginn der Mitgliedschaft eine Grundsicherheit in bestimmter Höhe an das Clearinghouse zu leisten (als Barsicherheit oder in Wertpapieren). Wenn nun ein Mitglied bestimmte Wertpapiere verkaufen oder kaufen möchte, so kommen die vertraglichen Beziehungen nicht direkt zwischen den Mitgliedern zustande, sondern, aufgrund der Teilnahme am Clearingsystem, wie folgt:

Das z. B. verkaufsbereite Mitglied verkauft die Wertpapiere zunächst an das Clearinghouse, welches demnach gegenüber diesem Mitglied als Käufer auftritt. Zur Sicherung von Ausfallrisiken dieses Geschäfts ist das Mitglied meist verpflichtet, auch eine variable Sicherheit für dieses Geschäft zu leisten. Aufgrund der Clearinghouse-Regeln und der vertraglichen Beziehungen der Mitglieder ist das Clearinghouse sodann verpflichetet, die verkauften Wertpapiere an das entsprechende Mitglied zu verkaufen. Dieses Mitglied, das die Wertpapiere vom Clearinghouse kauft, muss auch für diese Verbindlichkeit eine variable Sicherheit leisten.

Die vertraglichen Beziehungen der Mitglieder untereinander gestalten sich demnach stets "über die Ecke" und nicht mehr direkt (siehe auch Central Counterparty). Durch die Zwischenschaltung des Clearinghouse und der Leistung der Sicherheiten eines jeden Mitglieds sind die Ausfallrisiken sowohl des Geschäftes als auch des Mitglieds stets abgesichert.

Aufgrund der Finanzkrise sind derzeit vermehrt Bestrebungen zu erkennen, Clearinghäuser für diverse Arten von Finanzprodukten zu erricheten. Insbesondere die Errichtung von Clearingstellen für CDS (Credit-Default-Swaps) ist derzeit im Fluss, um zukünftig die Risiken dieser Produkte abzusichern.

Clearingstellen, bzw. Abrechnungsstellen existieren auf nationaler und internationaler Ebene. Der internationale Clearingmarkt, der Verrechnungen auch über Ländergrenzen hinweg gestattet, ist zwischen den beiden Gesellschaften Euroclear (in Brüssel/​Belgien) und Clearstream (in Luxemburg; vormals Cedel) aufgeteilt. In der Regel sind Banken die Kunden solcher Clearingsysteme und nur Banken dazu berechtigt, Konten bei den internationalen Clearinggesellschaften zu unterhalten. Ein europäischer Clearingdienst wird von Euronext angeboten. Ein bekanntes Clearinghouse ist auch die Eurex Clearing AG. Diese Stellen sind zu unterscheiden von Clearingstellen als Schlichtungsstellen, siehe Clearingstelle.

Cashclearing/​Zahlungsverkehrsabrechnung

Unter Cashclearing (auch Geldverrechnungsverkehr; nicht zu verwechseln mit Cash Pooling/​Netting in Unternehmenskonzernen) versteht man die Abwicklung von Geldforderungen verschiedener Parteien bevor ein Geldbetrag effektiv überwiesen wird.[4]

Hätte eine Bank z. B. Verbindlichkeiten gegenüber Teilnehmern von 50 verschiedenen Banken, müssten 50 verschiedene Banken direkt adressiert werden, um sie zu begleichen. Da es jedoch einfacher, sicherer und günstiger ist, dieses über eine zentrale Stelle abzuwickeln, wird das Cashclearing (Clearing von Geld) in der Regel von den Zentralbanken betrieben. Dabei haben alle beteiligten Kreditinstitute ein Konto bei der entsprechenden Zentralbank. Die eine Beispielbank mit den Verbindlichkeiten begleicht nun diese nicht direkt gegenüber den 50 Partnern, sondern weist die Zentralbank an, diese innerhalb der bei der Zentralbank geführten Konten glatt zu stellen.

Im Euroraum wurde dieses bis zum 19. November 2007 über das sogenannte RTGSplus der Deutschen Bundesbank abgewickelt, das seit dem durch das TARGET2-System des Eurosystems ersetzt wurde[5]. Ergänzt wird der Cashclearingmarkt durch die Systeme des Euro-Bankenverbandes (EBA – Euro Banking Association).

Das Clearinggeschäft steht im Verdacht, zur Geldwäsche und zur Geldverschiebung bei betrügerischem Bankrott missbraucht zu werden, da die Transaktionen dem Bankgeheimnis unterliegen und von außen nur schwer zu kontrollieren sind.

Clearing zwischen Staaten

Die Weltwirtschaftskrise hatte anfangs der 1930er-Jahre in ganz Mittel- und Osteuropa zu einer Verknappung der Gold- und Devisenreserven geführt. Das Deutsche Reich und Italien - beides Diktaturen - versuchten diesem Problem durch zahlreiche Beschränkungen des Außenhandels Herr zu werden. Um die stark exportorientierte Industrie und den Tourismus zu schützen schloss die Schweiz 1934 mit dem Deutschen Reich und 1935 mit Italien einen Clearingvertrag. Dadurch konnte der Außenhandel ohne Austausch von Devisen in größeren Mengen erfolgen und somit die restriktiven Außenhandelsbeschränkungen umgangen werden. Ab Herbst 1940 wurde das Clearingverfahren auch für den Außenhandel der Schweiz mit den von Deutschland besetzten Ländern Niederlande, Belgien, Polen und Norwegen angewandt. Dieses als Europäisches Zentralclearing bezeichnete Verfahren erlaubte es dem Deutschen Reich nahezu den gesamten Außenhandel der Schweiz zu kontrollieren.[6]

Funktionsweise

Die Vertragsstaaten, in diesem Fall die Schweiz und das Deutsche Reich respektive Italien, richten jeweils eine so genannte Clearingstelle ein. Erhält nun eine schweizer Firma einen Auftrag aus Deutschland, so liefert sie die bestellte Ware an den deutschen Kunden, die Rechnung wird jedoch an die schweizerische Clearingstelle versandt, welche den schweizerischen Auftragsnehmer bezahlt. Dasselbe Verfahren wird auch in umgekehrter Richtung angewandt, so bezahlt der deutsche Kunde seine Rechnung an die Deutsche Clearingstelle. Am Ende einer Periode, beispielsweise eines Monats, werden nun die Guthaben und Forderungen miteinander verrechnet. Nur wenn sich keine ausgeglichene Bilanz ergab, muss mit realer Währung, sprich wertvollen Devisen bezahlt werden. Dadurch konnte Deutschland den Abfluss von nur spärlich vorhandenen Devisen einschränken. In der Praxis gewährte die Schweiz dem Deutschen Reich und Italien während der Kriegsjahre 1,3 Milliarden Schweizer Franken Clearingkredite. Das heißt der Negativsaldo zu Ungunsten Deutschlands wurde nicht von der deutschen Clearingstelle bezahlt, sondern vom schweizerischen Staat zinsfrei vorgeschossen. Aufgrund des chronischen Devisenmangels des Deutschen Reiches konnten diese Kredite nicht mehr bezahlt werden. Gegen den Widerstand der Siegermächte konnte die Schweiz 1952 eine Teilrückzahlung der Bundesrepublik Deutschland über 650 Millionen Schweizer Franken und eine Teilrückzahlung Italiens über 232 Millionen Schweizer Franken erreichen.

Kritik

In der Öffentlichkeit konnte dieses Thema während der Kriegsjahre nicht diskutiert werden, da über das Clearingverfahren nur spärlich bis gar nicht berichtet werden durfte. Widerstand gegen das Clearingverfahren kam trotzdem von verschiedenen Seiten, so befürchtete das Finanzdepartement zu hohe Staatsausgaben, die Nationalbank befürchtete eine dadurch verursachte Inflation und die parlamentarische Opposition sah es als Verletzung der Schweizerischen Neutralität. Die Alliierten warfen der Schweiz außerdem vor Nazideutschland unterstützt zu haben und somit den Krieg verlängert zu haben. Ein weiterer Kritikpunkt setzt an der mangelnden demokratischen Kontrolle an: Das Clearingverfahren schuf einen großen Verwaltungsapparat, der zu großen Teilen von der Öffentlichkeit und dem Parlament abgeschirmt arbeitete.

Andererseits sah sich die Schweiz zwischen 1940 und 1943 nahezu komplett von den übermächtigen Achsenmächten umgeben, was zu einer großen Abhängigkeit, im Besonderen von Rohstofflieferungen wie Kohle, führte. Außerdem hatten die Exporte an Deutschland einen positiven Effekt auf die Beschäftigung in der Schweiz.

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://www.ecb.int/paym/market/secmar/clearing/html/index.en.html
  2. Bank of International Settlement (BIS): Clearing, settlement and depository issues
  3. Clearing und Settlement im Wandel (2002)
  4. Bundesverband Deutscher Banken: Allgemeine Darstellung der Zahlungsverkehrsabwicklung
  5. Spezifikationen für den elektronischen Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank
  6. http://www.uek.ch/de/schlussbericht/Publikationen/Zusammenfassungenpdf/03d.pdf