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Nettozahler

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Als Nettozahler bezeichnet man einen Staat der Europäischen Union, der mehr in den EU-Haushalt einzahlt, als er wieder zurück erhält.

EU-Haushalt

Die EU besitzt einen eigenen Haushalt. Sie verfügt auch über eigene Einnahmen, doch im Unterschied zu einem Staat hat sie keine Finanzhoheit, das heißt sie hat nicht das Recht, Steuern und Abgaben zu erheben.

Der Haushalt der EU ist per definitionem ausgeglichen: es gibt kein Haushaltsdefizit oder einen -überschuss. Auf unvorhersehbare Ereignisse wird mit der Aufstellung eines Nachtragshaushalts reagiert, in dem entweder umgeschichtet wird oder neue Einnahmen festgesetzt werden müssen.

Einnahmen

Die EU erhält ihre Einnahmen von den Mitgliedsstaaten, die sie für die Union erheben und an sie weiterleiten muss. Es gibt insgesamt fünf Einnahmequellen:

  1. Agrarzölle und Zuckerabgaben - Agrarzölle sind Abgaben auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in die EU eingeführt werden und für die es in der Gemeinschaft einen festgesetzten Preis gibt. Liegt der Unionspreis über dem Weltmarktpreis, dann wird der Unterschied zum EU-internen Preis durch einen Zoll ausgeglichen, den Importeure zahlen müssen. Zum Beispiel werden Zucker- und Isoglukoseabgaben von den Zuckerfabriken abgeführt und dienen zur Deckung der Kosten für die Herstellung und Lagerung von Zucker.
  2. Zölle - Sie werden an den Außengrenzen der Gemeinschaft erhoben, wenn Waren aus Nicht-EU-Ländern eingeführt werden.
  3. Mehrwertsteuereinnahmen - Von seinen Mehrwertsteuereinnahmen gibt jeder Mitgliedstaat einen festen Anteil an die EU weiter. Er beträgt zur Zeit einen Prozentpunkt.
  4. Die vierte Einnahmequelle - Wenn die Ausgaben durch die bisher genannten Einnahmen nicht gedeckt sind, wird von allen Mitgliedstaaten ein Finanzbeitrag erhoben, der sich aus der jeweiligen Wirtschaftskraft berechnet.
  5. Sonstige Einnahmen - Hierzu gehören die Steuern, die den EU-Beamten und Bediensteten der EU-Organe von ihren Gehältern abgezogen werden. Außerdem fließen Geldbußen, die der Europäische Gerichtshof einzelnen Mitgliedstaaten oder Unternehmen auferlegt hat, dem EU-Haushalt zu. Beim Haushaltsentwurf kann lediglich mit den festen Einnahmen gerechnet werden. Geldbußen werden nicht im Vorhinein eingeplant.

Auf dem EU-Gipfel in Berlin wurde eine neue Finanzielle Vorausschau angenommen, die die Eckdaten für die Einnahmen und Ausgaben der nächsten Jahre festlegt. Darin wird eine Obergrenze von 1,27 % des Bruttosozialprodukts (BSP) der EU festgelegt. Diese Grenze wurde noch nie ausgeschöpft.

Ausgaben

In Jahr 2004 wird die EU rund 94 Milliarden Euro ausgeben. Als Vergleich dazu: Der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland beträgt im gleichen Jahr etwa 250 Milliarden Euro.

Beim EU-Haushalt wird zwischen Ausgaben, die sich aus den rechtlichen Verpflichtungen der EU ergeben, den sogenannten obligatorischen Ausgaben, und den übrigen, den nicht-obligatorischen Ausgaben unterschieden. Die Europäische Kommission stellt einen Entwurf für den Haushalt auf. Anschließend beschließen der Ministerrat und das Europäische Parlament (EP) über die tatsächliche Höhe einzelner Posten. Das Parlament kann bei den obligatorischen Ausgaben, die fast ausschließlich im Landwirtschaftsbereich liegen, nur Änderungen vorschlagen, es hat also keine Handhabe, sie auch zu beschließen. Bei den nicht-obligatorischen Ausgaben kann es jedoch Änderungen durchsetzen. Der Gesamtbetrag kann allerdings nur um einen bestimmten Prozentsatz gegenüber dem Vorjahr erhöht werden.

Die Ausgaben können wie folgt aufgeteilt werden:

  1. Landwirtschaft - 44,7 Mrd Euro, das sind rund 47 % des Haushaltsvolumens, fließen in die Landwirtschaftspolitik. Dieser hohe Anteil hat geschichtliche Ursachen, nach den Hungerjahren der Kriegs- und Nachkriegseit wurde ein System eingerichtet, das die Versorgung sicherstellen soll. Für mehr als zwanzig Produktgruppen gibt es Marktordnungen, die unterschiedliche Schutzmaßnahmen vorsehen. Am umfassendsten sind Getreide, Zucker, Milch, Rindfleisch, Oliven und manche Obst- und Gemüsesorten geschützt. Hier gab es bis vor wenigen Jahren garantierte Absatzpreise, auch wenn der Markt dies nicht hergab. Der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtausgaben betrug Anfang der siebziger Jahre über 80%.
  2. Strukturpolitik - In diesem Bereich werden Beihilfen für benachteiligte Regionen zur Verfügung gestellt, im Jahr 2004 34,3 Mrd. Euro oder 36,3 %. Diese Gelder sollen helfen, in ärmeren Regionen die Voraussetzung für eine gesunde Wirtschaftsentwicklung zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Gelder werden meist als Beihilfen gezahlt, den Rest trägt ein Mitgliedstaat oder eine Region oder ein sonstiger Projektpartner.
  3. Interne Politiken - Dazu zählen Justiz und Inneres, Forschung und Entwicklung, Verkehr, Energie und Betrugsbekämpfung. Dafür werden 7 Mrd. Euro oder 7,4 % der Mittel ausgegeben. In diesen Bereich fällt z. B. auch das Austauschprogramm Erasmus, das Studenten einen Aufenthalt im Ausland erleichtert.
  4. Externe Politiken - Sie schlagen mit 4,9 Mrd Euro oder 5,2 % zu Buche. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den Ländern außerhalb der EU, etwa den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten oder Südafrika, wie auch Nahrungsmittelhilfen oder Geld für den Aufbau demokratischer Strukturen.
  5. Verwaltungsausgaben - Die Ausgaben für die Verwaltung stiegen 2004 stark an und betragen rund 6 Mrd. Euro oder 6,3 %. Der Anstieg ist durch die Erweiterung zu erklären, durch die vor allem im Sprachendienst, bei den Dolmetschern und Übersetzern, neue Planstellen eingerichtet werden müssen. Zu den Verwaltungsausgaben gehören Löhne und Gehälter der Mitarbeiter und Beamten, Mieten und Kredittilgungen für Gebäude, Telefonkosten usw.


Bilanz: Brutto oder Netto?

In der EU der 15 ist der Anteil, den Deutschland in den EU-Haushalt einzahlt ungefähr 25%. Der Anteil von Österreich beträgt ungefähr 2,7 %. "Ungefähr" deshalb, weil nicht alle Einzahlungen in den Haushalt einem bestimmten Mitgliedstaat zugerechnet werden können. Waren aus den USA erreichen die EU beispielsweise über den Hafen von Rotterdam oder Antwerpen oder Hamburg und werden dort verzollt. Verkauft werden sie aber beispielsweise in Frankreich, Luxemburg, Italien. Die Zolleinnahmen werden aber dem Ankunftshafen zugerechnet. Deshalb gibt es keine wirklich korrekte Aufstellung darüber, welches Land wie viel einzahlt.

Deutschlands Anteil an der Bevölkerung der EU beträgt im Vergleich dazu 22 %, der Anteil der Bevölkerung Österreichs 2,2 %.

Was bekommen die Länder zurück? Auch hier ist es schwierig, konkrete Zahlen zu nennen. Wenn etwa eine deutsche Baufirma den Flughafen von Athen baut, der zu einem gewissen Anteil mittels europäischer Strukturfondsmittel bezuschusst wird, welchem Land rechnet man diese Ausgabe zu? Griechenland? Vielleicht doch zu einem gewissen Anteil Deutschland?

Deutschland erhält als Flächenland mit einer nicht unbedeutenden Landwirtschaft Gelder aus dem Landwirtschaftsfonds. Insbesondere die Neuen Bundesländer erhalten Fördergelder aus den Strukturfonds, in geringerem Maße erhalten auch andere wirtschaftlich benachteiligte Regionen Gelder aus diesen Töpfen, etwa Regionen mit Schwerindustrie oder mit Werften.

Das Bundeministerium der Finanzen veröffentlicht dennoch Zahlen, die der folgenden Tabelle entnommen werden können. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorbehalt zu betrachten, siehe die obigen Erklärungen.

Tabelle: Brutto- und Nettozahler in den EU-Haushalt (rot - netto; schwarz - brutto)

Land Einwohner in Mio. Saldo in Mio. € € pro Einwohner
Luxemburg 0,4 56 140
Niederlande 15,8 1956 124
Schweden 8,9 950 107
Deutschland 82,1 7652 93
Belgien 10,2 775 76
Großbritannien 59,4 2763 47
Österreich 8,1 336 42
Dänemark 5,3 214 40
Frankreich 59,1 1911 32
Italien 57,7 749 13
Finnland 5,2 21 4
Spanien 39,4 8733 222
Griechenland 10,6 3368 318
Portugal 9,9 3482 352
Irland 3,7 1565 423

Quelle: Bundesministerium der Finanzen