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Einkommensteuertarif

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Der Einkommensteuertarif ist der Steuertarif zur Einkommensteuer. Er gibt an, wie viel Steuern auf ein gegebenes zu versteuerndes Einkommen zu zahlen sind.

Grundsätzlich kann man bei der Erhebung der Einkommensteuer verschiedene Tarif-Modelle unterscheiden: progressiver Tarif, Stufentarif, Proportionaler Tarif (Flat Tax), Regressiver Tarif, duale Einkommensteuer.

In vielen Ländern wird in den Gesetzen der Grenzsteuersatz festgelegt. Der tatsächlich zu entrichtende Steuerbetrag ist dann das Integral der Grenzsteuersatzfunktion. Das Verhältnis aus berechnetem Steuerbetrag und dem maßgeblichen Einkommen heißt Durchschnittssteuersatz oder effektiver Steuersatz. In Deutschland wird im Gesetz die Steuerbetragsfunktion angegeben.

Einkommensteuertarif in Deutschland

Siehe auch: Einkommensteuer (Deutschland)

Steuertabelle 2009 für Ledige

In Deutschland ist der jeweils gültige Einkommensteuertarif im Einkommensteuergesetz (EStG) § 32a[1] festgelegt. Der in Deutschland geltende Einkommensteuertarif ist ein progressiver Tarif: Je höher das zu versteuernde Einkommen (zvE), desto höher ist auch der Steuersatz - siehe Steuerprogression.

Beispiele

  • Zu versteuerndes Einkommen 8 000 Euro, Grenzsteuersatz = 14 %, effektiver Steuersatz = 0,3 %
  • Zu versteuerndes Einkommen 12 000 Euro, Grenzsteuersatz = 22 %, effektiver Steuersatz = 6,2 %
  • Zu versteuerndes Einkommen 24 000 Euro, Grenzsteuersatz = 29 %, effektiver Steuersatz = 16,2 %
  • Zu versteuerndes Einkommen 48 000 Euro, Grenzsteuersatz = 39 %, effektiver Steuersatz = 25,3 %
  • Zu versteuerndes Einkommen 96 000 Euro, Grenzsteuersatz = 42 %, effektiver Steuersatz = 33,6 %

Tarifzonen

Grenz- und Durchschnittsteuersätze 2005

Der Einkommensteuertarif besteht seit 2007 aus fünf Tarifzonen[2], die die Steuerbetragsfunktion festlegen. Im Einkommensteuertarif 2009 gilt Folgendes:

Tarifzone 1 (Nullzone)

Ist das zu versteuernde Einkommen (zvE) pro Jahr nicht höher als 7.834 €, fällt keine Einkommensteuer an (Grundfreibetrag). Der Grundfreibetrag wird ab 2010 auf 8.004 Euro angehoben.

Tarifzone 2 (Progressionszone 1)

Erst wenn das (abgerundete) zvE 7.834 € übersteigt, fällt Einkommensteuer an. Im Eingangsbereich der Tarifzone 2 gilt ein Grenzsteuersatz von 14 % (= Eingangsteuersatz). Danach steigt der Grenzsteuersatz bis zu einem zvE von 13.139 € linear auf rund 24 % an. Der Grenzsteuersatz steigt somit in dieser Zone je 1.000 € zusätzliches Einkommen um rund 1,88 Prozentpunkte.

Tarifzone 3 (Progressionszone 2)

Ab einem zvE von 13.140 € bis zu 52.551 € steigt der Grenzsteuersatz dann ebenfalls linear, aber nicht mehr so steil wie in Tarifzone 2, von 24 % bis auf 42 % an. Der Grenzsteuersatz steigt somit in dieser Zone je 1.000 € zusätzliches Einkommen um rund 0,46 Prozentpunkte. Über beide Progressionszonen betrachtet steigt der Grenzsteuersatz je 1.000 € zusätzliches Einkommen um rund 0,62 Prozentpunkte.

Tarifzone 4 (Proportionalzone 1)

Ab einem zvE von 52.552 € bleibt der Grenzsteuersatz konstant bei 42 %; d. h. von jedem Euro, um das sich das zvE in dieser Zone erhöht, wird – ohne Berücksichtigung der Rundungsregelung – eine Steuer von 0,42 € fällig. Dies gilt jedoch nur bis zum Betrag 250.400 Euro für Ledige bzw. 500.800 Euro für Verheiratete.

Tarifzone 5 (Proportionalzone 2)

Diese zweite Proportionalzone wurde als so genannte "Reichensteuer" ab 2007 hinzugefügt. Ab einem zvE von 250.401 € (Ledige) bzw. 500.802 € (Verheiratete) beträgt der Grenzsteuersatz 45 %, d. h. von jedem Euro, um das sich das zvE in dieser Zone erhöht, wird – ohne Berücksichtigung der Rundungsregelung – eine Steuer von 0,45 € fällig.

Historische Entwicklung der effektiven Steuersätze 1990 bis 2010
Historische Entwicklung der Grenzsteuersätze 1990 bis 2010

Eingangssteuersatz

Unmittelbar nach dem Grundfreibetrag setzt die Besteuerung mit einem anfänglichen Steuersatz von 14 % ein (Eingangssteuersatz). Dieser Steuersatz gilt nur für den Anteil des zu versteuernden Einkommens, der den Grundfreibetrag überschreitet.

Durchschnittsteuersatz

Wendet man den oben beschriebenen Einkommensteuertarif auf das zu versteuernde Einkommen an, indem man über die Grenzssteuersatzfunktion integriert, erhält man die tarifliche Einkommensteuer. Setzt man die tarifliche Einkommensteuer (ggf. nach Abzug von Steuerermäßigungen) ins Verhältnis zum zu versteuernden Einkommen, erhält man den Durchschnittsteuersatz (effektiver Steuersatz). So zahlt ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Einkommen von 52.000 € eine Einkommensteuer von 13.776 €, das sind 26,5 %. Ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Einkommen von 104.000 € zahlt 35.615 € Einkommensteuer, das sind 34,2 % (ab 1. Januar 2009).

Spitzensteuersatz

Ein Einkommensteuerpflichtiger mit einem zu versteuernden Einkommen ab 250.401 € (Ausnahme: siehe Reichensteuer) zahlt also nur auf jenen Betrag 45 % Einkommensteuer, der diese Grenze überschreitet.

Zum Vergleich: In den 70er Jahren betrug der Spitzensteuersatz noch 56 %. Im Vergleich zum Jahr 1998 (53 %) zahlte ein Einkommensteuerpflichtiger mit einem zu versteuernden Einkommen von 70.000 € im Jahre 2005 etwa 4.000 € weniger, ein Steuerpflichtiger mit 100.000 € etwa 7.000 € weniger und jemand mit einem zvE von 200.000 € etwa 18.000 € weniger.

Zu beachten ist, dass zur Einkommensteuer ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % (Tarif seit 1998) erhoben wird. Die Spitzenbelastung inkl. Solidaritätszuschlag beträgt dementsprechend 42 % + (5,5 % von 42 %) = 44,31 % (Stand 2006), 45 % + (5,5 % von 45 %) = 47,475 % (ab 2007)

Mittelstandsbauch

Der Begriff "Mittelstandsbauch" stammt aus den 1960er Jahren [3]. Damals war der Verlauf des Grenzsteuersatzes nicht linear, sondern folgte der mathematischen Formel für die quadratische Progression. Dadurch entstand eine bauchförmige Kurve. In den folgenden Jahrzehnten wurde diese Kurve immer mehr abgeflacht[4], bis schließlich im Jahr 1990 die lineare Progression eingeführt wurde. In den Folgejahren wurde der lineare Verlauf zwar grundsätzlich beibehalten, aber in zwei oder drei Abschnitte unterteilt.

Die aktuelle Festlegung des Verlaufes des Grenzsteuersatzes in Deutschland (2009) sieht zwei linear ansteigende Zonen vor (siehe oben Tarifzone 2 und 3). Die Steigerung des Grenzsteuersatzes ist bei zu versteuernden Einkommen unter etwa 13.000 € höher als darüber.

Beispiel (Tarif 2009)

Herr Lehmann hat 12.000 € zu versteuerndes Einkommen (zvE), Frau Huber erhält 35.000 € jährlich. Beide bekommen eine Lohnerhöhung, die das zvE um 1.000 € pro Jahr steigert.

Herr Lehmann muss für das alte zvE 746 € an Steuern zu entrichten. Der Grenzsteuersatz für den nächsten zusätzlich verdienten Euro beträgt hier 21,83 %. Für das neue zvE von 13.000 € muss er 974 € Steuern bezahlen und der Grenzsteuersatz beträgt dann 23,71 %. Der Grenzsteuersatz für den nächsten zusätzlich verdienten Euro bei Herrn Lehmann steigt also um 1,88 %-Punkte.

Frau Huber muss für ihr altes zvE 7.340 € Steuern abführen. Der Grenzsteuersatz für den nächsten zusätzlich verdienten Euro beträgt hier 33,97% %. Für das neue zvE von 36.000 € sind 7.682 € Steuern zu entrichten und der Grenzsteuersatz beträgt dann 34,43 %. Der Grenzsteuersatz für den nächsten zusätzlich verdienten Euro bei Frau Huber steigt also um 0,46 %-Punkte.

In der politischen Diskussion wird dieser Verlauf wie schon in den 1960er Jahren als „Mittelstandsbauch“ bezeichnet.[5] Dabei ist jedoch durchaus umstritten, ob ein zvE von etwa 13.000 € jährlich den Mittelstand repräsentiert. Weiterhin muss die historische Entwicklung der Steuertarife seit dem Jahr 1996 berücksichtigt werden, die aus den Entscheidungen zur Steuerfreiheit des Existenzminimums und den folgenden Steuerreformen entstanden sind. Dabei darf nicht nur der Grenzsteuersatz isoliert betrachtet werden, sondern es ist auch zu beachten, dass der effektive Steuersatz (Durchschnittsteuersatz) für ein zvE von 13.000 € von etwa 15 % in Jahr 1996 auf 7,5 % in Jahr 2009 gesenkt wurde.

Einkommensteuertarife in anderen Ländern

Die Einkommensteuer stellt in fast allen Ländern eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staates dar. Bezüglich des Verlaufs und der Höhe der Steuersätze ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede.

Näheres ist in den folgenden Artikeln beschrieben:

Einzelnachweise

  1. EStG §32a
  2. EStG §32a Abs. 1
  3. DER SPIEGEL 38/1962 vom 19.09.1962, Seite 34
  4. Tarifgeschichte (1958-2005) mit Berechnungsformeln oder aktueller Übersichten zur Einkommensteuer-Tarifbelastung ab 1958)
  5. Spiegel Wissen "Mittelstandsbauch"