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Tiberius

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Tiberius

Tiberius Claudius Nero (* 16. November 42 v. Chr.; † 16. März 37 n. Chr. am Kap Misenum) war römischer Kaiser von 14 bis 37 n.Chr.

Zur Person

Nach seinem Stiefvater Augustus war Tiberius der zweite Kaiser des römischen Reiches und wie dieser aus der sog. julisch-claudischen Dynastie. Seine Regierungszeit war eine der längsten Alleinherrschaften eines römischen Kaisers.

Unter Augustus eroberte er von 16 bis 13 v. Chr. das Alpengebiet und anschließend Pannonien, war später Befehlshaber in Germanien und schlug von 6 bis 9 n. Chr. den pannonisch-dalmatinischen Aufstand nieder.

Als Kaiser setzte er Augustus' Politik fort, musste sich aber nach Varus' Niederlage gegen die Germanen mit der Rheingrenze begnügen. In seine Regierungszeit fiel das öffentliche Wirken Jesu Christi in Palästina.

Der junge Tiberius

Herkunft

Tiberius war von Geburt her ein "doppelter" Claudier: sein Vater war Tiberius Claudius Nero, die Mutter Livia Drusilla war ebenfalls Claudierin, deren Zweig der Familie allerdings durch Adoption in das plebejische Geschlecht der Livier übergegangen war. Nach der von Octavian (dem späteren Kaiser Augustus) erzwungenen Scheidung von Tiberius Claudius Nero heiratete sie diesen im Jahr 38 v. Chr., wodurch Tiberius sein Stiefsohn wurde.

Tiberius' Vater blieb gebrochen zurück. Er musste jetzt auch noch den völlig verstörten Tiberius, der den plötzlichen Liebesentzug nicht verkraftete und den neugeborenen Drusus (bei der Heirat mit Octavian war sie im sechsten Monat schwanger gewesen) versorgen.

Mit der Adoption durch Augustus am 26. Juni 4 n. Chr. wurde Tiberius in das Geschlecht der Julier aufgenommen. Die nachfolgenden Kaiser gehörten in unterschiedlichen Graden bis hin zu Nero beiden Familien an und waren Mitglieder dieser Doppel-Dynastie.

Heerführer unter Augustus

Tiberius war ein hervorragender Heerführer: 20 v. Chr. gewann er die römischen Feldzeichen zurück, die Crassus 53 v. Chr. in der Schlacht bei Carrhae verloren hatte. 16 v.Chr. eroberte er gemeinsam mit seinem Bruder Drusus Rätien. 12-9 v. Chr. leitete er die Eroberung Pannoniens und als 9 v. Chr. Drusus in Germanien an den Folgen eines Sturzes vom Pferd starb, übernahm er den römischen Oberbefehl in Germanien. 6-9 n. Chr. unterwarf er den Aufstand in Pannonien und Illyrien.

Das Privatleben des Tiberius

Weniger glücklich verlief sein Privatleben: 12 v. Chr. war er aus politischen Gründen gezwungen worden, sich von seiner ersten Frau Vipsania Agrippina, der Tochter des Marcus Vipsanius Agrippa, scheiden zu lassen, und Julia, die Tochter des Augustus (und deshalb auch seine eigene Stiefschwester) zu heiraten. Allein ihre unterschiedlichen Charaktere (sie lebenslustig, er eher ernst mit einer gewissen Neigung zur Düsternis) trugen dazu bei, dass diese Ehe nicht glücklich war. 6 v. Chr. zog sich Tiberius nach Rhodos zurück und unterbrach damit seine Laufbahn.

Der Tod der voraussichtlichen Nachfolger des Augustus, seiner Enkelkinder und Adoptivsöhne Gaius und Lucius machte Tiberius zum einzig möglichen Nachfolger des Augustus, zumal er auch die beiden dafür notwendigen Ämter bereits innehatte: das imperium proconsulare und die tribunicia potestas; 13 n. Chr. - also ein Jahr vor dem Tod des Augustus - wurden diese Ämter auf weitere 10 Jahre verlängert.

Tiberius als Kaiser

Datei:005 Tiberius.jpg
Denar des Tiberius

Innenpolitik

Als Tiberius im Jahr 14 n. Chr. die Nachfolge des Augustus antrat, war er 55 Jahre alt. Tiberius war ein tüchtiger Verwalter des Reiches und vermied größere Kriege zu dessen Ausdehnung.

27 n. Chr. zog er sich auf die Insel Capri zurück und überließ seinem Freund und Gardepräfekten Sejan die Kontrolle über Rom. Als dieser immer mehr Macht an sich zog und schließlich einen Umsturzversuch plante, ließ Tiberius ihn 31 n. Chr. hinrichten.

Unter Tiberius wurde in Rom erstmals eine größere Geheimpolizei organisiert, die unter Augustus noch seltenen Anklagen wegen Majestätsbeleidigung nahmen merklich zu.

Der "Verzicht auf Germanien"

Die Katastrophe des Varus und die von Germanicus 14 vorgefundene Situation (Militärrevolten) ließen Tiberius von der Grenzverschiebung in Richtung Weser und Elbe endgültig Abstand nehmen.

Der nüchterne und illusionslose Germanienkenner Tiberius ging zu einer defensiven Grenzpolitik über, die die Germanen ihrem inneren Streit überließ und sich auf die Behauptung eines der Grenze vorgelagerten Gebietes beschränkte. Indirekte, die germanischen Stämme und Parteien gegeneinander ausspielende, Kontrolle des Vorfeldes trat an die Stelle einer aufwändigen Niederwerfungsstrategie, die ins Unendliche zu eskalieren gedroht hatte. Paradoxerweise hat gerade die Katastrophe der Varusschlacht die Haltbarkeit der römischen Grenze am Rhein erwiesen, um deretwillen die Besetzung Germaniens begonnen worden war.

Unter Augustus und zu Beginn der Herrschaft des Tiberius wollte Rom die clades Variana korrigieren, zumindest aber die aufrührerischen Germanenstämme formell unterwerfen und die Deserteure bestrafen, allein schon zur Abschreckung künftiger Aufrührer. Dies gelang aber nicht. Im Gegensatz zu Germanicus erkannte Tiberius höchstwahrscheinlich 15 n. Chr. (möglicherweise aber schon früher), dass Rom die Arminius-Koalition allein schon aufgrund der logistischen Gegebenheiten mit überschaubaren Mitteln nicht besiegen kann. Die römischen Truppen konnten sich nicht aus dem Lande ernähren und die Landkriegführung war durch die weiten Wege und Transporte bei den kurzen Feldzugszeiten nahezu unüberwindbaren Schwierigkeiten und Gefährdungen ausgesetzt. Die Notwendigkeit für die Römer, das mitzunehmen, was es im Lande nicht gab, und die Beutegier der Germanen, das zu bekommen, was diese selbst nicht hatten, schlossen sich zu einem Teufelskreis.

Die Römer hatten Glück, dass die anderen Fronten während dieser Zeit ruhig blieben. Denn über so viele Legionen verfügten die Römer nicht, um auf Dauer acht Legionen an der Germanenfront bereit zu halten. Die Beschaffung der Lebensmittel sorgte in Gallien für nicht wenig Unruhe, die schließlich zum Aufstand des Sacrovir (21 n. Chr.) führen sollte. Spätestens mit der Abberufung des Germanicus (16 n. Chr.) galt offiziell die neue Linie des Tiberius, die in den Tabula Siarensis (19 n. Chr.) ihren Niederschlag finden sollte: Befriedung Galliens, Rache für Varus, Rückgewinnung der Feldzeichen, aber keine Eroberung des rechtsrheinischen Germanien mehr.
Diese Politik endete aber mit dem Tod des Tiberius (37 n. Chr.).

Vollständiger Titel zum Zeitpunkt des Todes

Tiberius Caesar Divi Augusti filius Augustus, Pontifex Maximus, Tribuniciae potestatis XXXVIII, Imperator VIII, Consul V

Nachruhm

Tiberius in der Bibel

In der Bibel wird Tiberius' Name nur einmal im Lukasevangelium (Lk 3,1-2) erwähnt: im Rahmen des sogenannten lukanischen Datums, welches auf das Jahr 28 hinweist:
"Es war im 15.Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa ... Hohepriester waren Hannas und Kajafas. Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias."

Während Tiberius' Regierungszeit wirkte auch Jesus Christus. In seinen Predigten und Gleichnissen gibt es viele Bezüge zu Caesar (bzw. dem Kaiser in einigen Übersetzungen), ohne namentlich auf Tiberius einzugehen.

Die Stadt Tiberias an der Westküste des See Gennesaret erhielt ihren Namen zu Ehren des Kaisers - durch den von Lukas erwähnten Tetrarchen (Vierfürst) Herodes Antipas.

Tiberius im heutigen Geschichtsverständnis

Das Bild, das wir noch heute von Tiberius haben, ist weitgehend von Tacitus geprägt, dessen vernichtendes Urteil jedoch von der modernen Wissenschaft mehr und mehr angezweifelt wird:

Völlig desillusioniert, ohne Glauben an die Menschheit, voll ingrimmiger Verachtung gegenüber den meisten seiner Standesgenossen, Fatalist, aber echter Religion und Philosophie kaum zugänglich, ist er doch nicht unter der Last des Verhängnisses zerbrochen. Seine stählerne Natur widerstand allen Belastungen und Bedrohungen, äußeren wie inneren. Er war ein echter Claudier, langsam in seinen Entschlüssen, aber nach reiflicher Überlegung blitzartig hervorbrechend, ein Mann, der bis ins höchste Alter mit rücksichtsloser Härte auch gegen sich selbst einen Lebenswandel beibehielt, der ihm alles abverlangte, und noch in den letzten Jahren Proben seiner ungebrochenen Willenskraft ablegte. So wird man von ihm, auch wenn mit der Zeit die dunkleren Seiten seines Wesens immer beherrschender hervortraten, nicht ohne Anteilnahme scheiden.
(zitiert nach Erich Koestermann, Kommentar zu Cornelius Tacitus: Annalen, Band II, Buch 4-6, Heidelberg 1965, S. 10)

Flucht oder politisch geplanter Rückzug? Das freiwillige Exil auf Capri

Man mag in der modernen Forschung Tiberius oft als "psychisches Wrack" dargestellt haben, doch zeugt sein Rückzug nach Capri von hoher Intelligenz und der Weisheit und Kraft eines Mannes, der immer noch alle Zügel in der Hand hält.

Familie

Ehefrauen

  1. Vipsania Agrippina 16 v. Chr.
  2. Julia 11 v. Chr. (geschieden 2 v. Chr.)

Kinder

  1. Iulius Caesar Drusus (mit Vipsania Agrippina)
  2. ein Sohn mit Julia, starb kurz nach der Geburt

Literatur

  • Manfred Baar: Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio. Teubner, Stuttgart 1990. (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 7) ISBN 3-519-07456-7
  • Ralf G. Jahn: Der Römisch-Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Dissertation Bonn 2001.
  • Claudia Kuntze: Zur Darstellung des Kaisers Tiberius und seiner Zeit bei Velleius Paterculus. Lang, Frankfurt/Main 1985. (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 247) ISBN 3-8204-7489-7
  • Paul Schrömbges: Tiberius und die Res Publica Romana. Untersuchungen zur Institutionalisierung des frühen römischen Principats. Habelt, Bonn 1986. ISBN 3-7749-2207-1
  • Ronald Syme: History or Biography. The Case of Tiberius Caesar. In: Historia 23 (1974), S 481–496.
  • Zwi Yavetz: Tiberius. Der traurige Kaiser. Beck, München 1999; dtv, München, 2002. ISBN 3-423-30833-8

Siehe auch

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