Riedesel

Die ursprünglich ritterschaftliche Familie der Riedesel Freiherren zu Eisenbach (Riedesel FzE) gehört zum hessischen Uradel. Aus dem Raum westlich von Marburg ist die älteste Nennung eines Riedesel überliefert, später wird von Besitzungen und Beurkundungen aus den Bereichen Ziegenhain, Kassel und Melsungen berichtet.
Die Riedesel stellten seit 1432 den Erbmarschall zu Hessen. Das jeweils an Jahren älteste männliche Mitglied der Riedesel FzE war der Titelinhaber.
Die Familie ist seit Gründung der Althessischen Ritterschaft im Jahr 1532 bis heute dort Mitglied. Nominell steht der Ritterschaft noch heute der Erbmarschall zu Hessen vor. Im Jahr 2006 war Kraft Riedesel Freiherr zu Eisenbach Erbmarschall zu Hessen in dieser Position.
Die Riedesel führten als titulierter Adel den „Freiherr“ ohne das übliche „von“.
Geschichte
Ursprung
Mit Ditmarus Ridesil wird das Geschlecht um 1226 erstmals urkundlich (Staatsarchiv Marburg) erwähnt. Die Stammreihe beginnt mit dem Ritter Johann Riedesel, der 1293 landgräflicher Vogt in Kassel und 1308 in der Melsunger Gegend begütert war.
Der Ritter Herrmann Riedesel (1407–1463) genannt der Goldene Ritter erwirbt neben der Burg Ludwigseck bei Ersrode in der Gemeinde Ludwigsau auch die Burg Lauterbach (Hessen) und das dort gelegene Schloss Eisenbach. 1432 wird erstmals ein Riedesel Erbmarschall von Hessen.
1542 nennt Martin Luther als Taufpaten seines Sohnes einen Johannes Rietesel. Dieser hatte Besitzungen bei Neumark (bei Weimar).
Standeserhöhung
Seit 1680 werden die Riedesel im Reichsfreiherrenstand als Riedesel Freiherren zu Eisenbach geführt. Bis zur Mediatisierung 1806 herrschen sie im Raum Lauterbach reichsunmittelbar. Das dortige Schloss Eisenbach bleibt Gemeinbesitz aller drei Familien-Linien – Ludwigseck (in den 1980er Jahren erloschen), Altenburg und Burg Lauterbach – der Gesamtfamilie Riedesel. Ihre umfangreichen Besitzungen erstrecken sich vom heutigen Landkreis Hersfeld-Rotenburg, über den Vogelsbergkreis bis südlich des Vogelsberges.
Hessisches Erbmarschallamt

Seit 1432 wird, in Nachfolge des letzten Röhrenfurther, erstmals mit dessen Schwiegersohn, dem Ritter Hermann Riedesel (1407–1463), das Hofamt des Hessischen Erbmarschalls eingenommen. Die nachfolgenden Riedesel haben bis 1918, dem Ende der Monarchie in Hessen-Darmstadt, jeweils durch den ältesten männlichen Riedesel der Gesamtfamilie, dieses Amt ausgeübt. Heute ist der Erbmarschall von Hessen ein Höflichkeitstitel, der jedoch nominal bei der heute noch existierenden Althessischen Ritterschaft weiterhin mit der Stellung des ranghöchsten Mitglieds einher geht.
Das Erbmarschallamt wird auch nach der Landesteilung in Hessen-Kassel (Kurfürstentum Hessen) und Hessen-Darmstadt (Großherzogtum Hessen) in den beiden Fürstentümern weiterhin von einem Riedesel ausgeübt. Der Erbmarschall war später jeweils Mitglied der Ersten Kammer in den hessischen Landständen (Kammerparlamenten). Nach der Okkupation Kurhessens durch Preußen nimmt der Erbmarschall zudem einen Sitz im preußischen Herrenhaus zu Berlin ein. Im Gegensatz zu dem Adelsgeschlecht Berlepsch (Erbkämmerer von Hessen) nahmen die Riedesel keinen fremden (nicht hessischen) Grafentitel an.
Lauterbach-Eisenbachsche Besitzungen
Die Herren von Eisenbach starben 1428 im Mannesstamm aus. Die Ritter und späteren Freiherren Riedesel übernahmen deren Position im Raum Lauterbach, nachdem die verbliebenen Eisenbacher Töchter mit ihren Gemahlen (u. a. N. von Buchenau), abgefunden wurden. Hermann II. Riedesel, genannt der „Goldene Ritter“, war der erste Riedesel, der 1428 als Amtmann in die Lauterbacher Gegend kam. Seine kluge Politik sicherte ganz Lauterbach und die Umgebung für die Riedesel.
Im 15. und 16. Jahrhundert gab es schwere Auseinandersetzungen mit der die Vogtei (weltliche Gerichtsbarkeit) gebenden Abtei Fulda. 1527 führte Hermann IV. Riedesel die Reformation ein, wodurch es zum völligen Bruch mit dem katholischen Fulda kam. Vergeblich versuchte der Fuldaer Abt, Lauterbach wieder unter seine Herrschaft zu bringen. 1548 eroberte Fulda die Stadt Lauterbach im Handstreich. Die Riedesel setzten alles daran, in jahrelangen vergeblichen Prozessen wieder in den Besitz der Stadt zu kommen. Mit Hilfe des mächtigen protestantischen Grafen von Oldenburg gelang es ihnen erst 1552, durch Gewalt wieder die Herrschaft über Lauterbach zu erhalten. Die unklare Rechtslage wurde erst 1684 durch den Abschluss eines Vertrages zwischen der Abtei Fulda und den Riedesel beendet. Die Vogtei Lauterbach wurde zum Lehen erklärt und auf die Riedesel, die zwischenzeitlich bereits der reichsunmittelbaren fränkischen Ritterschaft angehörten und in diesem Jahr in den Freiherrenstand erhoben wurden, als selbständigen Landesherren übertragen. Diese Herrschaft mit eigener Verfassung und Gerichtsbarkeit ist auch unter der Bezeichnung Junkerland bekannt. Als de facto eigenständiges Staatswesen hat sie bis 1806 bestanden. In diesem Jahr wurde sie im Zuge der Mediatisierung in die Provinz Oberhessen des Großherzogtum Hessen eingegliedert.
Wappen
Das Stammwappen zeigt in Gold einen vorwärts gekehrten schwarzen Eselskopf mit drei Riedblättern im Maul. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken steht ein offener schwarzer Flug, der jeweils mit einem goldenen Schildchen, auf dem sich der Eselskopf wiederholt.
Persönlichkeiten
- Albrecht Riedesel Freiherr zu Eisenbach (1882–1955), deutscher Offizier und bildender Künstler
- August Riedesel Freiherr zu Eisenbach, Kammerherr der Großherzöge von Hessen-Darmstadt
- Friedrich Adolf Riedesel (1738–1800), braunschweigischer General
- Johann Volpert Riedesel Freiherr zu Eisenbach (1696-1757), Generalleutnant
- Johann Hermann Riedesel Freiherr zu Eisenbach (1740–1785), Schriftsteller und Gesandter Friedrichs des Großen am Wiener Hof
- Friederike Riedesel Freifrau zu Eisenbach, geb. von Massow (1746–1808), deutsche Schriftstellerin
- Friederike von Reden, geb. Riedesel, (1774–1854), "Mutter des Hirschberger Tales"
- Philipp Riedesel von Camberg, Ordensmeister der Johanniter 1594-1598
- Volpert Christian Riedesel Freiherr zu Eisenbach (1708–1798), sächsischer General
- Volpert Riedesel von Bellersheim, Abt von Hersfeld 1493-1513
- Carl Ludwig Johann Hermann Riedesel Freiherr zu Eisenbach (1782-1842), Vizepräsident der ersten Kammer der hessischen Landstände
Abstammungstheorien
Die Riedesel zu Josbach (auch zu Camberg, zu Bellersheim, und zu Vers) hielten Ämter 1300–1600 in Hessen und Westfalen. Ihre Wappen sind in der Elisabethkirche in Marburg zu finden. Als Adelsstamm waren sie um 1600 ausgestorben. Es ist ungeklärt ob die zahlreichen Riedesel Familien im Altkreis Wittgenstein und die von diesen abstammenden und heute in den Vereinigen Staaten lebenden Riedesel tatsächlich Nachkommen der Riedesel zu Josbach sind. Diese Theorie, mehr als Frage formuliert, kreist vor allem unter den in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Nachkommen der bürgerlichen Riedesel aus dem Raum Wittgenstein.
Straßenbenennungen
In Kassel, Allendorf (Eder) und Darmstadt bestehen Riedeselstrassen, die nach dem Adelsgeschlecht benannt sind.
Literatur
- Die Riedesel zu Eisenbach, 7 Bände
- Vom ersten Auftreten des Names bis zum Tode Hermanns III. Riedesel 1500 (Dr. E.E. Becker, 1923)
- Riedeselisches Urkundenbuch 1200 bis 1500 (Dr. E.E. Becker, 1924)
- Vom Tode Hermanns III. Riedesel 1501 bis zum Tode Konrads II 1593 (Dr. E.E. Becker, 1927)
- Vom Tode Konrads II 1593 bis zum Vertrag mit Hessen-Darmstadt 1593–1713 (Dr. Fritz Zschaeck, 1957)
- Vom Reich zum Rheinbund 1713–1806 (Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra, 1961)
- Wege zu neuen Lebensformen 1806–1918 (Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra, 1965)
- Die Riedesel in republikanischen Staatsformen 1918–1965 (Dr. Karl-August Helfenbein, 2003)
- Die Riedesel zu Josbach und ihre Josbacher Stammgüter. (Dr. Ernst Wagner). Hessische Familienkunde Heft 1/1964, Heft 2/1964, Heft 4/1964. Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck e.V.
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band XI, Band 122 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 2000, ISSN 0435-2408
- Die Entstehung des Namens Riedesel in der Grafschaft Wittgenstein: Bekanntes und neue Theorien (Dr. Paul Riedesel und Stefan Riedesel) Wittgenstein, Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins e.V., Band 71, Heft 4, 2007.
Weblinks
- Geschichte der Familie Riedesel mit Schwerpunkt auf deren amerikanischen Zweig (deutsch/englisch)
- Wappen der Riedesel in Nikolaus Bertschis Wappenbuch besonders deutscher Geschlechter, Augsburg 1515
- Wappen der Riedesel im Wappenbuch des Heiligen Römischen Reiches, Nürnberg um 1554-1568
- Wappen der Riedesel im Wappenbuch des westfälischen Adels
- Hohaus-Museum in Lauterbach/Hessen (Homepage), ehemaliges Palais der Riedesel FzE.
- Private Seite über Schloss Eisenbach und die Riedesel
- Weitere Informationen zu Riedesel auf www.GiBS.info