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Serbokroatische Sprache

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Serbokroatisch

Gesprochen in

Serbien und Montenegro, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Österreich, andere Nachfolgestaaten und Auswandererländer für das ehemalige Jugoslawien
Sprecher 17–22 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in (nur unter den Bezeichnungen Kroatisch, Bosnisch und Serbisch)
Sprachcodes
ISO 639-1

sh

Serbokroatisch (auch Kroatoserbisch) ist ein Oberbegriff für die südslawischen Sprachen Kroatisch, Bosnisch und Serbisch. Die schriftsprachlichen Varietäten dieser Sprachen beruhen alle drei auf Formen des štokavischen Dialektes und stimmen im größten Teil der Grammatik und in einem Teil des Wortschatzes überein, unterscheiden sich jedoch in anderen Teilen des Wortschatzes, in vielerlei Details der sprachlichen Norm und im Gebrauch unterschiedlicher Alphabete (im Kroatischen und Bosnischen das lateinische, im Serbischen überwiegend das kyrillische Alphabet). Ob es sich um Varietäten einer einzigen Sprache oder um drei eng verwandte eigenständige Sprachen handelt, ist sowohl in der Linguistik als auch unter den Sprechern selbst umstritten.

Geschichte

Die Geschichte der südslawischen Völker und infolgedessen auch der südslawischen Sprachen verlief über Jahrhunderte im Bereich der Literatur und der Sprachentwicklung aufgrund der über 500 Jahre dauernden unterschiedlichen Zugehörigkeit des Großteils der Serben zum Osmanischen Reich und der Mehrheit der Kroaten zu Österreich-Ungarn voneinander größtenteils getrennt.

Sowohl bei den Kroaten als auch bei den Serben entwickelten sich schriftsprachliche Varietäten auf der Grundlage des štokavischen Dialektes, jedoch keine einheitlich nationalitätenübergreifende Norm. Gleichzeitig existierten bei den Kroaten auch schriftsprachliche Formen des Kajkavischen und des Čakavischen, während bei den Serben zum großen Teil das Kirchenslawische als Schriftsprache verwendet wurde.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfolgte die illyrische Bewegung in Kroatien das Ziel, auf der Grundlage des Štokavischen eine einheitliche Schriftsprache für alle Kroaten zu entwickeln, während gleichzeitig bei den Serben Vuk Karadžić und seine Anhänger bestrebt waren, das Kirchenslawische als Schriftsprache durch die štokavische Volkssprache zu ersetzen. Unter diesen Umständen kam es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Zusammenarbeit kroatischer und serbischer Linguisten bei der Normierung einer gemeinsamen Schriftsprache auf der Grundlage des štokavischen Dialektes, die schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer weitgehend einheitlichen morphologischen Norm und einer Vereinheitlichung der orthographischen Normen des kroatischen lateinischen und des serbischen kyrillischen Alphabetes, so dass diese seitdem direkt ineinander transliteriert werden können. Beim Ausbau des Wortschatzes kam es hingegen zu keiner systematischen Zusammenarbeit, zu dass sich die Unterschiede zwischen der bei den Kroaten und der bei den Serben gebrauchten schriftsprachlichen Form des Štokavischen durch unterschiedliches Vorgehen bei der Bildung von Neologismen und der Übernahme von Fremdwörtern in diesem Zeitraum teilweise noch vergrößerten. Da von der Linguistik der damaligen Zeit im allgemeinen die Morphologie und der aus älteren Sprachformen ererbte Grundwortschatz als entscheidend für die Klassifikation von Sprachen angesehen wurde, setzte sich in der Slawistik der damaligen Zeit die Auffassung durch, dass die in ihrer schriftsprachlichen Form auf diesen Gebieten weitgehend übereinstimmenden Sprachen der Serben und Kroaten als eine einzige Sprache anzusehen seien, für die sich zunächst vor allem in der ausländischen Slawistik die Bezeichnung "Serbokroatisch" einbürgerte.

Nach der Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (des späteren Jugoslawien) als gemeinsamen Staates dieser südslawischen Völker wurde die Amtssprache zunächst im Einklang mit der offiziellen Ideologie, wonach Serben, Kroaten und Slowenen ein einziges Volk seien, als "Serbo-kroato-slowenisch" definiert. Da die slowenische Schriftsprache sich jedoch auf allen Gebieten deutlich von derjenigen der Serben und Kroaten unterschied und auch von der damaligen Slawistik allgemein als eigenständige Sprache betrachtet wurde, wurde innerhalb des slowenischen Siedlungsgebietes de facto weiterhin das Slowenische als Amtssprache verwendet, was auch dadurch begünstigt wurde, dass das Siedlungsgebiet der Slowenen geographisch relativ klar von demjenigen der anderen südslawischen Völker abgrenzbar ist. Im übrigen Staatsgebiet wurde jedoch das Serbokroatische zur einheitlichen Amtssprache erklärt, wobei die Unterschiede zwischen den schriftsprachlichen Varietäten keine Berücksichtigung fanden. Da die Institutionen des neuen Staates zum größten Teil von den Politikern, Beamten und Militärs des bisherigen Königreiches Serbien beherrscht wurden, führte dies in der Praxis dazu, dass die serbische Variante der Schriftsprache als Amtssprache verwendet wurde, während die vor allem auf dem Gebiet des Wortschatzes abweichenden Formen der bis dahin in Kroatien verwendeten schriftsprachlichen Varietät von offizieller Seite als nicht-standardgemäße Regionalismen betrachtet wurde. Dies führte wiederum dazu, dass auf kroatischer Seite zunehmend die Forderung aufkam, dass das Kroatische als eigenständige Sprache anerkannt werden müsse, um die Diskriminierung kroatischer Ausdrücke zu beenden.

Im kommunistischen Jugoslawien wurden in den ersten Jahren nach 1945 ebenso wie schon in der Publizistik der Partisanen während des Zweiten Weltkrieges das Serbische und das Kroatische als zwei eigenständige Sprachen anerkannt, so dass der jugoslawische Staat zu dieser Zeit vier Amtssprachen anerkannte (Serbisch, Kroatisch, Slowenisch und Mazedonisch). In den folgenden Jahren änderte sich die offizielle politische Linie jedoch erneut. 1954 wurde im "Abkommen" von Novi Sad festgelegt, dass die Sprache der Kroaten, Bosnier, Herzegowiner, Serben und Montenegriner dieselbe sei, nämlich Serbokroatisch. Lediglich der Unterschied in der Aussprache zwischen Ijekavisch und der Ekavisch und die Verwendung der zwei verschiedenen Alphabete sollten bestehen bleiben. Das Serbische wurde danach gewöhnlich als östliche Variante, das Kroatische als westliche Variante des Serbokroatischen bezeichnet. Das Slowenische und das Mazedonische behielten hingegen ihre Anerkennung als eigenständige Sprachen, und auf regionaler Ebene wurden auch die Sprachen nichtslawischer Minderheiten wie das Ungarische und das Albanische als Amtssprachen anerkannt.

Im Jahre 1974 (nach dem "Kroatischen Frühling") wurde in Kroatien wieder Kroatisch als eigenständige Sprache als Unterrichtsfach in den Schulen eingeführt. In den übrigen Teilrepubliken blieb die Bezeichnung Serbokroatisch jedoch im Gebrauch.

Seit dem Zerfall Jugoslawiens werden das Bosnische, Kroatische und Serbische offiziell als eigenständige Sprachen anerkannt, während der Status der Sprache der Montenegriner nach wie vor umstritten ist. Vor allem in Kroatien werden dabei auch sprachliche Eigenheiten, die seit 1918 verpönt, unterdrückt oder in Vergessenheit geraten waren, wieder verwendet. Das grammatische System und der Grundwortschatz der drei Sprachen sind nach wie vor großteils identisch, jedoch dürfte die nicht mehr gemeinsam erfolgende Sprachpflege zu einer künftigen weiteren Auseinanderentwicklung beitragen.

Das Sprachenkürzel "sh" (nach ISO 639) wird seit dem 18. Februar 2000 als veraltet angesehen (vgl. [1]).

Dialekte

Die von den Serben, Kroaten, Bosniaken und Montenegrinern gesprochenen Dialekte sind Teil eines südslawischen Dialektkontinuums, das über das Serbokroatische hinaus auch das Slowenische, Mazedonische und Bulgarische umfasst. Sie lassen sich in vier Dialektgruppen unterteilen, von denen drei nach der jeweiligen Form des Fragewortes was? benannt sind (und die nicht deckungsgleich mit den Sprecherländern sind): Das Štokavische (nach dem Fragewort für was: što) wird in ganz Bosnien und Herzegowina und Montenegro sowie in einem Teil Serbiens und Kroatiens gesprochen. Das Kajkavische (kajkavski; Fragewort kaj anstatt što) ist im nördlichen Kroatien verbreitet und das Čakavische (čakavski; Fragewort größtenteils ča statt što oder kaj) im nördlichen und mittleren Teil der kroatischen Küste. Die Dialekte des südöstlichen Serbiens, die einen Übergang vom Štokavischen zum Mazedonischen und Bulgarischen bilden, werden als Torlakisch bezeichnet.

Das Štokavische lässt sich wiederum in mehrere Untergruppen einteilen. Der auffälligste Unterschied betrifft die verschiedene Wiedergabe des urslawischen Lautes jat. Nach der Wiedergabe dieses Lautes als ije/je (z.B. svijet - Welt; oder cvijet - Blume), e (svet, cvet; mit einem langen e ausgesprochen) oder i (svit, cvit) werden die štokavischen Dialekte in ijekavische (ijekavica), ekavische (ekavica) und ikavische (ikavica) unterschieden. Ijekavische Dialekte werden in Teilen Kroatiens, dem größten Teil Bosnien und Herzegowina, ganz Montenegro sowie in kleineren Teilen Westserbiens gesprochen. Ekavische Dialekte werden im größten Teil Serbiens gesprochen. Ikavische Dialekte kommen in Teilen Dalmatiens, im südlichen Istrien, in der westlichen Herzegowina sowie Teilen Westbosniens und des südlichen Slawoniens vor.

Die Schriftsprache aller vier Nationalitäten baut auf dem Štokavischen auf. Die Kroaten, Bosniaken und Montenegriner verwenden dabei nur das Ijekavische, die Serben in Serbien das Ekavische, in Bosnien und Herzegowina und Kroatien hingegen zum größten Teil das Ijekavische. Daneben gibt es einige seltener vorkommende lautliche Unterschiede im Wortschatz slawischer Herkunft. Des weiteren gibt es Unterschiede bei der Übernahme von Fremdwörtern: falsifikovati vs. falsificirati; okean vs. ocean; hemija - kemija. Grundsätzlich werden Fremdwörter im Kroatischen sparsamer eingesetzt als im Serbischen, während das Bosnische viele Turzismen enthält. Es gibt eine große Anzahl von Regionalismen, deren Verbreitungsgebiet jedoch oft nicht den nationalen Grenzen folgt. Die Unterschiede im Grundwortschatz sind dagegen geringer als etwa zwischen vielen deutschen Dialekten.

Politischer Status

Die Diskussion um den Status des Serbokroatischen ist stark von Ideologie geprägt. Während sich Sprecher der Varietäten Serbisch, Kroatisch und Bosnisch gut verständigen können, lehnen es sie gleichzeitig ab, dass dieses Mittel der Verständigung eine gemeinsame Sprache sein soll.

Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Sichtweisen:

1. Sichtweise: Bosnisch, Kroatisch und Serbisch seien keine Einzelsprachen, sondern Sprachvarianten (ähnlich wie österreichisches und deutschländisches Deutsch, oder britisches und amerikanisches Englisch). Die serbische und die kroatische Hochsprache unterscheide sich beispielsweise weniger voneinander als Bairisch und Hochdeutsch. Teilweise (siehe unten: #Dialekte) seien die dialektalen Unterschiede innerhalb Kroatiens größer als die zwischen Kroatien und den anderen beiden serbokroatisch-sprachigen Ländern.

Die Abneigung gegen Serbokroatisch liege vor allem an der historischen Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien und der dortigen Ideologisierung des Serbokroatischen. Daher betrachten Politik und die meisten Sprecher die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Sprache mit den Nachbarn im ehemaligen Jugoslawien in erster Linie als ein Eingeständnis einer Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur, Nation oder Weltanschauung. Aus der gleichen Motivation heraus suchen auch Linguisten aus den betroffenen Ländern nach identitätsstiftenden Besonderheiten ihrer jeweiligen Varietät (siehe #Ideologisierte Linguistik). So habe der Zerfall Jugoslawiens in einzelne Staaten dazu geführt, dass die Regionalvarianten der serbokroatischen Sprache in ihren jeweiligen Sprecherländern in den Status einer eigenen, den Landesnamen tragenden Amtssprache erhoben wurde.

Dennoch mache es für einen Nichtmuttersprachler keinen Sinn, nacheinander Kroatisch, Serbisch und Bosnisch zu lernen, genauso, wie man keine Dolmetscher und Übersetzer zwischen diesen "Sprachen" brauche.

2. Sichtweise: Der Mythos Serbokroatische Sprache: Die „Serbokroatische Sprache“ sei ein politisches Konstrukt, dass nie als Standardsprache existiert haben soll. Die Kroatische und Serbische Sprache seien aufgrund ihrer historischen Entwicklung und Standardisierung als Einzelsprachen zu betrachten und haben sich lediglich einige Jahrzehnte (zur Zeit Jugoslawiens) überlagert.

Der Tatsache, dass sich die drei Standardsprachen Kroatisch, Bosnisch und Serbisch sich aus dem Neostokavisen entwickelt haben, sei keine allzu große Bedeutung beizumessen:

In der Linguistik gibt es zahlreiche Beispiele für ähnliche, jedoch anerkannte unterschiedliche Standardsprachen wie z. B.

  • Hindi und Urdu,
  • Bulgarisch und Mazedonisch
  • Norwegisch und Dänisch, oder
  • Rumänisch und Moldawisch

Die Kroatische und Serbische Standardsprache unterscheiden sich in den Punkten:

  • 1. Alphabet (Lateinisch und Kyrillisch)
  • 2. Phonetik (Unterschiedliche Akzentuierung)
  • 3. Grammatik (zahlreiche Unterschiede)
  • 4. Rechtschreibung (z. B. kroatisch New York, und serbisch Nju Jork)
  • 5. Morphologie Zahlreiche unterschiedliche Regelungen
  • 6. Semantik (zahlreiche Unterschiede)
  • 7. Wortschatz, näheres hierzu siehe Kroatische Sprache.

Nur von eine östlichen und „westlichen Variante“ derselben Sprache zu sprechen, sei in diesem Zusammenhang politisch gewollt.

Mit dem Ende Jugoslawiens kam auch das Ende der „Serbokroatischen“ Sprache.


Ideologisierte Linguistik

Die Meinungen der Linguisten im ehemaligen Jugoslawien über Ursprünge und Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Sprache gehen je nach Herkunftsland auseinander:

  • Die Hauptströmung der serbischen Linguisten betrachtet Serbokroatisch noch immer als eine Sprache mit zwei Varianten. Außerdem ist die Mehrheit der serbischen Linguisten überzeugt, dass das Serbokroatische grundlegend auf der serbischen Sprache basiere. Eine Minderheit ist dagegen der Meinung, dass Serbokroatisch existiert habe, aber mittlerweile in Einzelsprachen zerfallen sei. Eine andere Minderheit vertritt den Standpunkt, dass eine solche Sprache niemals existierte, und dass die Serbokroatische Sprache lediglich die Kroatische Variante des Serbischen sei.
  • Kroatische Linguisten sind mehrheitlich davon überzeugt, dass etwas wie eine vereinheitlichte serbokroatische Sprache niemals existiert habe und anstelle dieser zwei Einzelsprachen existierten, die sich im Laufe der Geschichte mehrfach überschnitten. Sie sind außerdem überzeugt, dass keine Auflösung stattgefunden habe, da niemals eine serbokroatische Standardsprache existiert habe. Eine Minderheit kroatischer Linguisten streitet auch ab, dass die kroatische Standardsprache auf dem Neo-Štokavischen Dialekt basiere. Wiederum eine andere Minderheit hält dagegen, dass die serbische Sprache ein Ableger des Kroatischen sei, da sie als dialektales System betrachtet eine Untermenge des Systems kroatischer Dialekte darstelle.
  • Die Mehrheit der bosnischen Linguisten betrachtet Serbokroatisch als immer noch existierende Sprache, die auf der Bosnischen Nationalsprache basiere. Eine Minderheit geht sogar soweit zu behaupten, dass Kroaten und Serben sich ihrer Sprache historisch bemächtigt hätten, um sie als Mittel zur Erreichung ihrer politischen und kulturellen Zielsetzungen zu verwenden.