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Kölsch (Sprache)

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Kölsch ist eine Variante des Ripuarischen. Beinahe alle Sprecher benutzen die Hochdeutsche Sprache als Zweitsprache. Kölsch wird in der Gegend um Köln gesprochen und ist nah mit den niederrheinischen und moselfränkischen Dialekten verwandt und stellt sozusagen ein Bindeglied zwischen diesen dar. Das Kölsche ist südlich der maken/machen-Linie (Benrather Linie) angesiedelt, aber beispielsweise nördlich der Das-dat-Linie. (SIL code:KOR; ISO 639-2:gem)


Stellung des Kölschen in der Gesellschaft

Allgemeines

Im Gegensatz zu anderen Dialekten Deutschlands war das Kölsch zu keiner Zeit ernsthaft vom Aussterben bedroht. Ähnlich wie das Berlinische hat sich Kölsch als Stadtdialekt fest etabliert und wird von sehr vielen Kölnern noch beherrscht, wenn sich auch in den letzten Jahrzehnten eine Abschleifung hin zum Hochdeutschen bemerkbar gemacht hat. "Tiefes Kölsch", also der unverfälschte Dialekt, wird heute nur noch von relativ wenigen, zumeist älteren Kölnern gesprochen.

Das Engagement, mit dem der Kölner Dialekt von seinen Sprechern gepflegt und immer aufs Neue in Erinnerung gerufen wird, lässt sich an vielen Beispielen darstellen: Selbst Zeitungsüberschriften in Boulevardblättern, Werbeslogans und öffentliche Inschriften sind häufig in Kölsch gehalten. Hinzu kommt ein lebendiges Brauchtum, insbesondere der Kölner Karneval, wo Kölsch die einzig akzeptierte Sprache bleibt. Köln verfügt mit Theatern (Volkstheater Millowitsch, Hänneschen-Theater), einer dichten Szene an Karnevals- und sonstigen mundartlichen Musikgruppen (bis hin zum sogenannten 'Kölschrock') und einer stattlichen Anzahl Kölner Volksdichter über ein reichhaltiges, kölsch geprägtes Kulturangebot.

Die Bewahrung der Dialektsprache ist sicherlich auch auf den Umstand zurück zu führen, dass den Kölnern das gesprochene Kölsch auch Ausdruck ihres regionaltypischen Charakters ist. So begreift sich ein Kölner grundsätzlich als fröhlich, pragmatisch und obrigkeitskritisch. Die als solche empfundene Fremdherrschaft von Franzosen und später den als militaristisch und kalt empfundenen Preußen, die die lange Tradition eines selbstbewussten und selbstverwalteten bürgerlich-katholisch geprägten Gemeinwesens beendeten, hat ihren Teil dazu beigetragen, dass die Sicht der Kölner auf das Weltgeschehen immer dualistisch ist: Zuerst kommt Köln und danach der Rest.

Bemerkenswert ist, dass Kölsch auch von Zugezogenen ('Imis') gelernt wird. Neben dem offiziellen Hochdeutschen wohnt somit dem Kölschen Jargon eine ausgeprägt identitätsstiftende Funktion inne. Die Durchdringung mit hochdeutschen Elementen ist eine direkte Folge davon und trägt daher zur "Verwässerung" des ursprünglich Kölschen bei, was einerseits als Gefahr, andererseits als Chance zum Erhalt des Dialektes gesehen wird.

Dies wurde unter anderem zum Anlass genommen, mit der Akademie för uns Kölsche Sproch eine stiftungsgetragene Institution zu schaffen, die Erhalt und Pflege des Kölschen als Zweck verfolgt. Unter anderem wird dort versucht, Kölsche Lexik und Grammatik zu kodifizieren und als Schriftsprache verbindlich festzuschreiben. Der sprachwissenschaftliche, etymologisch motivierte Ansatz wird allerdings immer wieder durch den Umstand konterkariert, dass gerade die Kulturschaffenden Kölsch auf eigene Initiative vertexten, nämlich es so schreiben, wie es tatsächlich ausgesprochen wird.

Kölsche Literatur und Musik

Als Paradebeispiel für kölsche Heimatdichter wird Willi Ostermann angegeben, der mit Oden, Liedern und Gedichten an seine Heimatstadt ein reiches mundartliches Erbe hinterlassen hat. Diese Tradition wurde von der Familie Millowitsch fortgeführt, die im 19. Jahrhundert ein Puppentheater führte, aus dem sich die heutige Volksbühne entwickelt hat.

Durch die Entstehung des Karnevals hat sich im Kölner Raum insbesondere das Liedgut sehr selbständig entwickelt. Einige Bands, die durch den Karneval bekannt wurden, sind die Bläck Fööss, Höhner, Räuber und Paveier. Daneben hat sich auch die auf kölsch gehaltene, karnevalistische Büttenrede als volksnahe Kunstform etabliert.

Zunehmend spielt auch nicht-karnevalistische Musik eine Rolle in Köln. Bekanntestes Beispiel sind BAP, die bisweilen sogar ausgesprochen karnevalsfeindlich aufgetreten sind. Verständlich sind solche Bestrebungen, wenn man berücksichtigt, dass der traditionelle Karneval von der zunehmend aufgeklärten, alternativen bzw. linken bürgerlich-liberalen Gesellschaft als verstaubte Tradition empfunden wird. Auch die Gruppe Brings war ursprünglich eine Kölschrock-Band, die jedoch immer näher an den Karneval heran rückt, der für das wirtschaftliche Überleben vieler Künstler eine entscheidende Rolle spielt. Andere Gruppierungen haben sich von Anfang an unabhängig vom Karneval entwickelt, zum Beispiel die Zeltinger Band, die ihre Rolle im Underground-Milieu von Anfang an wahrgenommen hat.

Gleiches kann von der Kabarettszene behauptet werden. Konrad Beikircher (dessen leicht als nicht rheinisch erkennbarer Ideolekt bönnschen Einfluß verrät), belegt eigene Themen zum Wesen des Rheinländers an sich. Jürgen Becker ist als Urheber der Stunksitzung bekannt, die ein Gegenentwurf zu den offiziellen karnevalistischen Prunksitzungen war, verfolgt aber auch nicht-karnevalistische Programme. Der Kabarettist Gerd Köster hat mit dem Projekt "The Piano has been drinking" Aufsehen erregt, als er Lieder von Tom Waits kölsch vertextete.

Sowohl karnevalistische, nicht-karnevalistische, als auch klar anti-karnevalistische Literatur und Musik sind gleichwohl kulturelle Exportschlager Kölns, die auch außerhalb der Region reges Interesse wecken und dem Kölschen unter den deutschen Dialekten zu einem ungewöhnlich guten Ruf verholfen haben.

Sprachliche Merkmale

Zur Verdeutlichung der Aussprache soll hier die Umschrift verwendet werden, die von den Kölnern im Allgemeinen verwendet wird und nicht der offiziellen Umschrift entspricht. Einige Gesetzmäßigkeiten können für das Kölsche grob angegeben werden:

Vokale

Das Kölsche ist diphthongenarm. "ei", "au", "eu" etc. werden oft zu einem Einzelvokal zusammen gezogen. Beispiele: Eis > Ies, aus > uss, Leute > Lück, feiern > fiere. "-ein" wird oft zu "-ing" umgebildet, zum Beispiel: Rhein > Rhing, mein > ming. Werden Diphthonge gebraucht, verfärben sie sich: das Ei > dat Ei (ausgesprochen 'äi'), der Bau > dä Bau (ausgesprochen: 'bou', wie das englische 'bow'), träumen > dräume (ausgesprochen 'dröüme'). In sehr seltenen Fällen werden Diphthonge neu gebildet und/oder wie im Hochdeutschen ausgesprochen: Ruhe > Rauh (sprich: 'au'), Schnaps > Schabau (sprich: 'au').

Die Lautfärbung wechselt häufig von u zu o, von ü zu ö, von a zu o, wobei o meist offen zwischen o und a ausgesprochen wird: Lust > Loss, müssen > mösse, Schlaf > Schlof, aber: gut > jot (geschlossenes o).

Die Länge der Vokale schwankt: machen > maache, aber geben > jevve.

Konsonanten

Besonders im Auslaut ist das l dunkel gefärbt (ähnlich dem Englischen "harten" l).

Das "ich-ch" scheint für ungeübte Ohren zu sch zu werden: isch, wischtisch, Büscher. Tatsächlich aber handelt es sich beim kölschen "Ich-Laut" um eine deutlich unterscheidbare Variante des Sch, die bei gleicher Artikulationsstelle mit entrundeten Lippen gesprochen wird. Wenn auch dieser klare phonetische Unterschied für die Wortunterscheidung (Pech - Pesch) praktisch keine Rolle spielt, sollte er sich um der Erkennbarkeit der Wörter willen und aus etymologischen Gründen auch im Schriftbild wiederfinden. Eine scheinbar lautgerechte Schreibweise mit sch stört den Lesefluß empfindlich. Für diesen Laut ist kein spezielles Zeichen in der IPA-Lautschrift festgelegt. Nach den alten IPA-Empfehlungen von 1949 hätte sich "£" angeboten. In neueren Veröffentlichungen findet man am ehesten "ɕ" (Unicode: U+0255).

Anlautendes g wird immer zu j, auch vor Konsonanten: Gold > Jold, Glück > Jlöck, Gruß > Jrooss, Morgen > Morje.

Intervokalisches g wird nach hellen Vokalen zu j, nach dunklen zum geriebenen g, das sich vom geriebenen r sehr wohl unterscheidet: mögen > müjje/möje, sagen > sage [zaːɣə].

Auslautendes g wird zu ch (Ach-Laut), nach hellen Vokalen zum kölschen ch: Zug > Zoch, Schlag > Schlag [ʃlaːx]; ewig > iwig [iːβiɕ].

Intervokalisches oder auslautendes b wird zu v, am Wortende auch zu f: geben > jevve, bleibt > bliev, ab > af.

Anlautendes t vor einem Vokal wird meist weich ausgesprochen: Tisch > Desch, tun > donn.

Anlautendes s wird teilweise zu z: Suppe > Zupp, Soße > Zaus.

Eine Besonderheit ist das Doppel-g, das d und t ersetzen kann: schneiden > schnigge, weiter > wigger. Am Wortende wird es zu ck: Zeit > Zick, Leute > Lück.

pf existiert nicht und wird immer zu p umgeformt: Pferd > Pääd, Pfeife > Pief, Schnupfen > Schnups.

Die Aussprache von r vor t wird grundsätzlich eher vermieden: Garten > Jaade, Karte > Kaat. Bei jüngeren Wörtern oder wenn sich der Kölner um eine hochdeutsche Aussprache bemüht, hört sich das r wie ein hartes ch (ähnlich dem Französischen) an: Gurt > Jucht, bzw. Jachten, Kachte. Ein r vor n gehorcht der selben Regel: gern > jään, im quasi-hochdeutschen aber jerren.

Sprachverlauf

Endungen (-e, -n, -t) werden fast immer verschluckt und häufig benutzte Wörter fast immer verkürzt: Woche > Woch, Mädchen > Mädsche, ist > es; haben > hann, nicht > nit.

Das Ineinandergreifen von Wörtern, die wie bei der französischen Liaison zusammen gezogen werden, kommt häufig vor. Beispiel: "Räum den Tisch ab" wird zu "Rüüm d'r Desch af", wobei das -sch weich wird (wie in Journal) und in den Anfangsvokal hinein fließt. Der bekannte Satz aus dem so genannten Kölner Grundgesetz "Et es, wie et es" (Es ist, wie es ist) verweicht das -t zu -d, so dass die Liaison besser funktioniert (etwa: "eddés, wie eddés"). Wie im Französischen können Wortanteile in der Liaison fortfallen oder abgeändert werden: "wommer?", "sommer?" entspricht "wolle mir?", "sulle mer?" (Wollen wir? Sollen wir?) auch: "Lommer…" für "Loß(e) mer …" (Lass(t) uns …)

Um den Wortfluss zu vereinfachen, wird einem Wort manchmal ein e vorangestellt: so > esu, rauf > erop, runter > eraf.

Die Sprachmelodie ist ausgeprägter als beim Standarddeutschen. Bei Fragen wird zum Beispiel die vorletzte Silbe weiter in der Tonlage herab gezogen, während die letzte Silbe sehr viel höher geht, bevor sie wieder etwas abfällt. Wesentlich mehr als im Hochdeutschen werden Modalitäten und Nuancen der Bedeutung (bis hin zum Gegenteil!) über veränderte Betonung, zusätzliche Vokaldehnungen und Wechsel der Stimmlage transportiert. Dies verleiht dem Kölschen den typischen "Singsang".

Grammatik

Das Kölsche ist geprägt von einer Reihe grammatischer Vereinfachungen. Beispielsweise existiert kein Genitiv. Besitzanzeigende Fälle werden mit Dativ und angehängtem Possessivpronomen gebildet: Das Haus meines Bruders > Mingem Broder sie Huus. Das ist seins > Dat is dem singe.

Der Infinitiv endet, außer bei einigen unregelmäßigen Verben, auf e: setzen > setze, fummeln > fummele, ärgern > ärjere, aber: stehen > stonn, gehen > jonn, tun > dunn.

Die Konjugation wird häufig vereinfacht, indem 1. und 3. Person Plural mit der 1. Person Singular zusammen fallen: Ich gehe, wir gehen, sie gehen > ich jonn, mir jonn, sei jonn.

Personalpronomen und personenbezogene Artikel reduzieren sich auf die männliche und die sächliche Form: die Kleine > dat Klein; darf sie das? > Darf dat dat?

Die Vergangenheitsform wird im mündlichen Sprachgebrauch außer bei Hilfsverben oft durch das Perfekt ersetzt: Ich ging > Ich bin jejange. Diese Entwicklung zur Vernachlässigung der einfachen Vergangenheit ist auch in der allgemeinen deutschen Umgangssprache zu beobachten. Endet das Partizip auf mehreren Konsonanten, wird in der Regel eine leichter aussprechbare Sonderform gebildet: gelegt > jelaat, gemacht > jemaat, versucht > versöök. (Anmerkung: Wer "versöök" schreibt, müßte auch "versuucht" schreiben. Solcherlei für lautgetreu gehaltene Schreibungen erschweren lediglich das Lesen.)

Eine Besonderheit ist ein im Hochdeutschen unbekannter Reflexiv, der zur Verdeutlichung bestimmter Tätigkeiten verwendet wird: Er hat ein Brötchen gegessen > Dä hat sich e Brüütsche jejesse.

Das Kölsche kennt das Gerundium, die sogenannte Rheinische Verlaufsform. Für fortlaufende Handlungen oder Zustände wird in diesem Falle tun+Infinitiv verwendet: Er wohnt dort > Dä dät do wunne. Entsprechend der deutschen Umgangssprache benutzt der Kölner auch "ist am"+Infinitiv: Er schläft gerade > Dä is jrad am schlofe.

Die Pluralbildung erfolgt häufig durch -e: Das Ding, die Dinger > dat Ding, die Dingere.

Verkleinerungsformen sind häufig anzutreffen und werden im Singular mit -sche oder -je gebildet, je nach Harmonie mit dem vorangehenden Wort: Wägelchen > Wäjelsche, Tässchen > Tässje. Im Plural wird ein r angehängt: Leutchen > Lückscher.

Kölsche Vokabeln

Was das Erlernen des kölschen Dialektes erschwert, sind die Sondervokabeln, die nieder- und hochdeutsche, aber auch französische Einflüsse aufweisen. Einige Vokabeln werden nur im Kölner Raum verwendet und stehen als isolierte Wörter, die kein anderer Dialekt aufweist. Diese werden allerdings im allgemeinen Sprachgebrauch zunehmend weniger. Einige Beispiele für Sondervokabeln sind:

Hochdeutsch Kölsch
drücken/ziehen däue/trecke (hat Entsprechungen im Niederdeutschen)
etwas jet
Eisbein Hämsche
Kind, Kinder Panz, Pänz
Uhm, Ühm Tante, Onkel (z.T. regional verblassend, Entsprechung zu Uhme, Oheim anderer Dialekte)
(sterbens-)krank aussehen beripscht ußsinn (entstanden aus der Abkürzung: RIP, aus dem lat.: Ruhe in Frieden, was oft auf Grabsteinen zu finden ist)
nackt bläck
Oberbett Plümo (von frz. plumeau, dort heute anders belegt)
oder ov (entspricht dem Niederdeutschen; im südlichen Umland ist 'ov' bereits unbekannt)
Ossi Pimmock
Zwiebel Ölsch, Öllisch
reden kalle, schwade
Schmutz, Streit Knies
schon, bereits ald (im Umland auch ad)
schon, (ein)mal enz (gleicher etymologischer Stamm, wie Hochdeutsch: "einst")
Spatz bzw. Fliege Mösch (von frz. mouche, dort ursprünglich für beide Begriffe belegt)
verrückt jeck (häufig anzutreffen, wohl wegen der Karnevalsjecken)
Wahlkölner Immi
Läuf, Läuv Dachstuhl, Dachboden, Dachbereich

Manche Worte werden aus ursprünglichen Umschreibungen geboren:

Akkordeon Quetschebüggel (wörtlich: Quetschbeutel)
Pilz Jiddefleesch (eigentlich "Judenfleisch", wird heute nicht mehr gebraucht)
Bett Lappekeß (von Lappen- (oder Tücher-) Kiste)
Geizhals Kniesbüggel, Knieskopp

Andere Vokabeln sind aus mittlerweile wenig gebräuchlichen oder anders belegten Synonymen entstanden:

Tür Pooz (von Pforte)
Schmerz Ping (von Pein)
weg fott (von fort)

Wieder andere Vokabeln entstammen der allgemeinen Umgangssprache:

Auto Kess (von Kiste)
Wohnung Bud (von Bude)

siehe auch

Literatur

  • Wrede, Adam: Neuer Kölnischer Sprachschatz. 3 Bände mit 1168 Seiten. Greven Verlag Köln. 12. Auflage, 1999. ISBN 377430243-X
  • Heike, Georg: Zur Phonologie der Stadtkölner Mundart (Deutsche Dialektgeographie Band 57), Marburg 1964
  • Lützeler, Heinrich: Philosophie des Kölner Humors, Peters-Verlag, Hanau/Main 1954