Kalter Krieg
Der Ausdruck "Kalter Krieg" bezeichnet den welthistorischen Gegensatz, den die beiden Supermächte USA und Sowjetunion seit dem Zweiten Weltkrieg mit allen verfügbaren Mitteln, aber unterhalb der Schwelle eines offenen Krieges anführten und austrugen.
Dieser Ost-West-Konflikt führte zur Bildung von zwei feindlichen Machtblöcken und dazugehörigen Militärbündnissen der NATO und des Warschauer Paktes, die sich hochgerüstet gegenüberstanden und eine bipolare Welt dominierten. Die Entwicklung dorthin begann schon mit der Entstehung der Sowjetunion 1917, verfestigte sich aber erst seit dem Zerfall der Anti-Hitler-Koalition ab 1944 und der darauf folgenden Teilung Europas zu jenem Beinahe-Kriegszustand, der die Politik beider Seiten bis zum Zerfall der Sowjetunion 1991 maßgeblich bestimmte. 1947 prägte der US-amerikanische Journalist Walter Lippmann dafür den englischen Begriff cold war.
Der Kalte Krieg war Ausdruck eines fundamentalen Systemgegensatzes: Zu den machtpolitischen Interessensphären, die auch sonst internationale Beziehungen bestimmen, traten konträre Ideologien, die sich wechselseitig gegen die andere Seite definierten. Aus westlicher Sicht standen dabei stets "Freiheit und Demokratie" gegen "totalitäre Diktatur" sowie "Marktwirtschaft" gegen "Planwirtschaft"; aus östlicher Sicht stand gegen das "Wolfsgesetz der Ausbeutung" im "Kapitalismus" die von der Staatspartei realisierte "allseitige Entfaltung" des "neuen Menschen" im "Kommunismus", der sich der Zukunft gewiss wähnte.
Die Supermächte vermieden zwar den "heißen" Krieg mit direkten Militäraktionen gegeneinander, trieben aber ein beispielloses Wettrüsten vor allem auf dem Gebiet der Atomwaffen voran. Die Drohung des Atomkriegs, den beide Seiten einkalkulierten, beschwor erstmals in der Menschheitsgeschichte die Gefahr der Selbstauslöschung herauf. Der Interessenkonflikt drohte mehrmals militärisch zu eskalieren: im Korea-Krieg, in der Berlinkrise, aus Anlass des Mauerbaus und besonders in der Kuba-Krise. Dort konnte der Einsatz von Atomwaffen nur äußerst knapp vermieden werden. Seitdem wurde der Konflikt auf bilateraler Ebene zwar durch Krisendialog und Rüstungskontrollverträge reguliert, erzeugte aber weiterhin viele Stellvertreterkriege: etwa den Vietnamkrieg, Kriege in Kambodscha, Angola, Afghanistan sowie bewaffnete Konflikte in Afrika, Mittel- und Südamerika.
Der Kalte Krieg war ein Wettkampf der Systeme auch auf technologischen, kulturellem und sportlichen Gebiet. So wurden das US-amerikanische wie das sowjetische Weltraumprogramm maßgeblich vorangetrieben, um dem Gegner die eigene wissenschaftlich-technische Überlegenheit zu demonstrieren. Dadurch entstanden viele Technologien, die heute zivil genutzt werden, zum Beispiel auch das Internet.
Der Kalte Krieg spaltete Europa und Deutschland durch den sogenannten "Eisernen Vorhang". Er spiegelte sich auch in der Rivalität der zwei miteinander konkurrierenden deutschen Staaten. In Westdeutschland wurde die DDR während ihres gesamten Bestehens nicht als eigenständiger Staat anerkannt. Das Grundgesetz hielt mit der "Wiedervereinigungsklausel" den westlichen Vertretungsanspruch auf Deutschlands künftige Einheit und deren Gestaltung fest. Die Springerpresse, besonders die Bild-Zeitung, druckte die Abkürzung "DDR" daher stets in Anführungszeichen. Die DDR-Regierung hingegen bezeichnete Ostberlin entgegen dem Viermächte-Status von ganz Berlin stets als "Hauptstadt der DDR", um als eigener Staat anerkannt zu werden. Obwohl die Bundesrepublik dieses offiziell vermied - etwa mit einer "Ständigen Vertretung" statt einer Botschaft -, behandelte sie die DDR seit den Ostverträgen der Regierung Willy Brandt de facto als selbständigen Staat. Dem folgte auch die konservative Regierung Helmut Kohls.
Wann der Kalte Krieg endete, ist unter Historikern umstritten. Politische Entspannungsbemühungen begannen schon bald nach Stalins Tod 1953, erfuhren aber immer neue Rückschläge. US-Präsident John F. Kennedy proklamierte 1961 nach seinem Wahlsieg das Ende des Konflikts, worauf aber mit der Kuba-Krise ein weiterer Höhepunkt folgte. Auch während der anschließend ausgerufenen Phase der "friedliche Koexistenz" setzten beide Supermächte Wettrüsten und Stellvertreterkriege unvermindert fort. Erst mit dem Führungswechsel im Kreml zu Michail Gorbatschow eröffneten sich ernsthafte Chancen zu militärischer Abrüstung und politischer Annäherung der Blöcke. Diese zog ab 1989 die Selbstbestimmung der Völker Osteuropas, den Zerfall des Ostblocks und 1991 die Auflösung der Sowjetunion nach sich. Damit endete zumindest vorläufig die bipolare Weltaufteilung.
Die Vorgeschichte (1917 - 1944)
1917/18 ergreifen in Russland die Kommunisten in der Oktoberrevolution die Macht.
1933 wird der neue Staat UdSSR durch die USA anerkannt, im Zweiten Weltkrieg kämpfen beide Mächte als Alliierte gegen Nazi-Deutschland.
Von Jalta bis zur Teilung Deutschlands (1944-49)
1944 Erste Risse: Die Alliierten unter den USA (Roosevelt) wollen mit der UdSSR keine konkreten Garantien und Vereinbarungen ausmachen, obwohl diese die Hauptlast des Krieges tragen. Die Sowjetunion versucht in ihrer Interpretation der Konferenz von Jalta, ihre Sicherheitsinteressen ohne Rücksprache zu verwirklichen, etabliert in ihrem Machtbereich in Mittel- und Osteuropa kommunistische Regierungen, z.T. gewaltsam. Die USA unter Truman sind strikt antisowjetisch, antikommunistisch, stützen sich auf Wirtschaftsüberlegenheit und Atomwaffenmonopol (seit Juli 45). Sie wollen ein freies, vereintes Europa und eine freie Welt unter amerikanischer Führung.
1945 In den Nachkriegskonferenzen (Potsdam, London) will
- UdSSR ihre Sicherheitssphäre nicht aufweichen,
- die USA diese nicht anerkennen,
- wie Deutschland aussehen soll ist umstritten und man
- vertagt die der UdSSR versprochenen Reparationen
-> Basis für den Konflikt.
Das Misstrauen wächst, die USA schätzen die UdSSR als aggressiv-expansionistisch ein, wollen dies eindämmen (Containment-Politik: Irankrise 46, Türkeikrise). Den Staaten Westeuropas werden großzügig Kredite (Marshall-Plan) gewährt, ähnliche Verhandlungen mit der UdSSR bricht man ab.
1946 Die USA nehmen ein geteiltes Deutschland in Kauf, die UdSSR wollen ein vereintes, neutrales Deutschland mit Mitspracherecht aller Sieger. Im Übrigen versucht die UdSSR, die eigene Wirtschaft und Innenpolitik zu konsolidieren; Expansion kann sie sich gar nicht leisten.
1947 Truman-Doktrin: Verpflichtung der USA, "alle freien Völker zu unterstützen, die sich der Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch Druck von außen widersetzen". Ausgangspunkt ist Griechenland und Türkei, die man vor kommunistischer Expansion bewahren will. Unterstützung in US-Kongress und Volk erhält Truman, indem er die UdSSR als Feindbild der freien Welt stilisiert.
Marshall-Plan: Bietet allen europ. Staaten Unterstützung zum Wiederaufbau. Die UdSSR und alle Staaten in ihrem Einflussbereich lehnen ab (sie befürchten politische Bedingungen), schließen sich enger zusammen. Polen und die CSR widerrufen ihre Zusagen zur Pariser Marshallplan-Konferenz.
1948 Währungsreform in den drei Westzonen Deutschlands und Berlins: Sowjetunion antwortet mit der Blockade Berlins. Westberlin wird von den westlichen Alliierten mit Flugzeugen versorgt (Berliner Luftbrücke). Der Westen reagiert mit verstärkter Furcht vor einer sowjetischen Expansion in Europa:
1949 Konsolidierung der drei Westzonen zur BRD, Westintegration, Gründung der North Atlantic Treaty Organisation (NATO). Die UdSSR antwortet mit Gründung der DDR. Die Teilung Deutschlands und der Welt ist damit institutionalisiert. Die UdSSR zündet ihre erste Atombombe, China wird im September 1949 kommunistisch, Verschärfung der Containment-Politik: nicht die chinesische Regierung in Peking wird anerkannt und zur UNO zugelassen, sondern die nationalchinesische Republik China erhält den ständigen Sitz Chinas in der UNO. Die USA engagieren sich in Japan (antikommunistischer Gegenpol). USA machen Politik des Roll back: Zurückdrängen des Kommunismus in Ost-, Ostmitteleuropa, Asien.
Vom Koreakrieg bis zur Kubakrise (1950-62)
1950 vorläufiger Höhepunkt und Eskalation: Koreakrieg: Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West: Südkorea (Republik Korea), USA, UN vs. Nordkorea (Demokratische Volksrepublik Korea), China. Japan hat im Zweiten Weltkrieg Korea erobert, nach der Kapitulation besetzt die UdSSR den Norden, die USA den Süden (38. Breitengrad = Grenze), 49 ziehen die beiden ab. Daraufhin will der kommunistischer Diktator in Nordkorea Kim Il Sungden autokratischen Herrscher im Süden Syngman Rhee verdrängen, Korea vereinigen - Die USA intervenieren. Da die UdSSR die UNO boykottieren ("Politik des leeren Stuhls"), können die USA nachträglich die Erlaubnis der UN erreichen. Korea bleibt geteilt.
1952 Stalin unterbreitet die Deutschland-Noten: Die drei Westmächte erhalten alle gleichlautende Noten, in welchen Stalin die Wiedervereinigung Deutschlands anbietet. Deutschland sollte ein neutraler, verteidigungsfähiger Staat in den in der Potsdamer Konferenz festgelegten Grenzen werden. Damit hatte Russland klare Vorteile in der Hand:
- Es entstand eine Pufferzone zwischen Ost und West.
- Der Westen verlor mehr Machtbereich als der Osten.
- Russland konnte einfacher in Deutschland wieder einmarschieren als die Westmächte, da Polen ja direkt an der Grenze lag.
- Deutschland wäre ungeschützt gewesen, da es in keinem Bündniss sein durfte.
Für den Westen waren diese Vorschläge also nachteilig. Deshalb teilte man Stalin nach einer Rücksprache mit Adenauer mit, dass man erst auf dieses Angebot eingehen würde, wenn Stalin freie Wahlen garantieren würde und Deutschland Bündnisse eingehen dürfte. Außerdem waren die Grenzen Deutschlands immer noch nicht endgültig. Stalin gab in unerwarteter Weise nach: Er gestattete Wahlen, jedoch unter Aufsicht der vier Siegermächte. Die Westalliierten antworteten mit dem Verweis auf 1948, als eine Viermächteverwaltung in Deutschland gescheitert war. Damit war der Vorschlag abgelehnt. 1955 sollte man ein ähnliches Angebot für Österreich jedoch annehmen - Damit war die Nord-Süd-Verbindung der Nato in Europa unterbrochen, unter anderem auch durch die neutrale Schweiz.
1953 05. 03.: Tod Stalins (des Stählernen, eigentlich Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili). 17. 06.: Aufstand in der DDR beendet die Verhandlungsbereitschaft der UdSSR. Doch versucht man angesichts massiver innenpolitischer Probleme einen Entspannungskurs: Politik der friedlichen Koexistenz (einzige Möglichkeit angesichts der Atomwaffen, Begriff von Churchill).
1950er Die USA engagieren sich im Korea- und im Indochinakrieg und in der Kommunistenverfolgung (McCarthyism: Senator McCarthy ist 50-54 Leiter des Ausschusses zu Untersuchung unamerikanischer Umtriebe, sucht Kommunisten in Amerika, verurteilt sie, wird schließlich abgelöst und gerügt).
1955 Warschauer Pakt: Gegenorganisation der Sowjetunion zur NATO. Wiederbewaffnung der BRD. In den Pariser Verträgen erhält sie weitgehende Souveränität und wird in die NATO aufgenommen. Politik der Massiven Vergeltung (Atomschlag) in den USA als Reaktion auf den Koreakrieg. Genfer Gipfeltreffen: Andeutungsweise Kooperation und Entspannungspolitik, relatives Gleichgewicht. Dennoch gehen Rüstungswettlauf und ideologische Auseinandersetzungen weiter. Die Kommunisten werden heruntergewirtschaftet durch Schulden, die sie alle zurückzahlen wollen.
1961 Bau der Berliner Mauer (Eiserner Vorhang = Iron Curtain, Begriff von Churchill).
1962 Kubakrise: Die UdSSR unterstützen Fidel Castro und wollen Atomraketen auf Kuba stationieren - Kalter Krieg auch in der Dritten Welt.
Die Phase der friedlichen Koexistenz und Entspannung (1962-1979)
Langsam beginnt aber echte Entspannungspolitik, weil: atomares Patt, Schock der Kubakrise, Rückschlag für die USA in Vietnam, Bereitschaft der UdSSR zu wirtschaftlicher Kooperation, Aufweichen des kommunistischen Blocks durch Abwenden Chinas von der UdSSR zu den USA, Entspannungswille und Entspannungspolitik in der BRD.
Die konservative Wende (1979-1985)
1980 Rückschlag: US-Präsident Ronald Reagan reagiert auf den sowjet. Einmarsch in Afghanistan mit immenser Aufrüstung. Die von der UdSSR in Afghanistan installierte Regierung Amin hat um Unterstützung gebeten beim Versuch, ein kommunistisches Regime einzuführen. Die USA bauen mit Hilfe in der ganzen islamischen Welt angeworbener Freiwilliger, nicht zuletzt mit Osama bin Laden fanatische, islamische Kämpfer, Mudschaheddin, auf, die die Rote Armee aus Afghanistan vertreiben sollen. Die Kämpfe dauern ein Jahrzehnt ergebnislos an, an deren Endpunkt der Abzug der sowjetischen Truppen steht. Der daraus entstandene Bürgerkrieg schwelt weiter.
Tauwetter im Osten und Zerfall des Ostblocks (1985-91)
1985 Michail Gorbatschow leitet ein Reformprogramm ein: Perestroika (Wende in Wirtschaft und Verwaltung) und Glasnost (Offenheit und Transparenz nach innen und außen). Man beginnt mit Ergebnissen über Abrüstung zu diskutieren und kooperiert wirklich in Fragen der globalen Sicherheit.
1989 f. Die Ideologische Auseinandersetzung, die ohnehin schon längere Zeit nur noch im Hintergrund stand, erübrigt sich mit der Auflösung des Ostblocks. Gorbatschow zu Honecker in Berlin: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Ergänzungen zu Vietnam (USA unter Kennedy, Johnson, Nixon)
Um den Kalten Krieg gibt es seit Jahren insbesondere in den USA eine interessante Forschungskontroverse, wobei die traditionelle Sicht eine Hauptverantwortung für die Entstehung des Kalten Krieges im (ideologisch begründeten) Expansionsdrang der Sowjetunion sah. Die jüngere (so genannte revisionistische) Linie sieht hingegen eine verteilte "Schuld" oder sogar ein Übergewicht hegemonialer und ökonomischer Interessen insbesondere der USA. Mit dem Ende der Sowjetunion und der Öffnung zahlreicher Archive scheinen sich eher vermittelnde Positionen anzubahnen.
Literatur
- Daniel Yergin: "Shattered Peace: The Origins of the Cold War and the National Security State", Boston 1978, ISBN 039527267X (ein Klassiker der revisionistischen Position)
- David Horowitz, "Kalter Krieg. Hintergründe der US-Außenpolitik von Jalta bis Vietnam", Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 1983, ISBN 3803110130
- Jürgen Bruhn: "Der Kalte Krieg oder: Die Totrüstung der Sowjetunion", Gießen 1995, ISBN 3883494348
- John Lewis Gaddis: "We now know. Rethinking Cold War History", Oxford 1997.
- Wladimir K. Wolkow, Harald Neubert: "Stalin wollte ein anderes Europa", Berlin 2003, ISBN 3360010469 (Aufsatzsammlung zu neuen Ergebnissen russischer Forschung)
- Bernd Stöver: "Der Kalte Krieg", C.H. Beck Verlag, München 2003, ISBN 3406480144
- Rolf Steininger: "Der Kalte Krieg", Fischer Taschenbuch Verlag Nr. 15551, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3596155517
Weblinks
- Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Der Kalte Krieg
- Ausstellung zum Kalten Krieg
- Cold War International History Project
- Schülerweb: Kalter Krieg
- Zwischenfälle im Kalten Krieg