Stetige Funktion
Die Stetigkeit ist ein Konzept der Mathematik, das vor allem in den Teilgebieten der Analysis und der Topologie von zentraler Bedeutung ist. Eine Funktion heißt stetig, wenn in ihren Funktionswerten keine Sprünge auftreten. Das Gegenteil von stetig ist unstetig.
Definitionen

Die Idee der Stetigkeit kann wie folgt beschrieben werden: Eine reellwertige Funktion auf einem reellen Intervall ist stetig, wenn der Graph der Funktion ohne Absetzen des Stiftes gezeichnet werden kann. Die Funktion darf insbesondere keine Sprungstellen haben.
Diese Aussage ist keine Definition, weil unklar ist, was unter in einem Zug zeichnen genau zu verstehen ist. Trotzdem entspricht sie ungefähr der Bedeutung der Stetigkeit und ist daher für die Anschauung sehr nützlich.
Die nachfolgenden Definitionen für die Stetigkeit sind mathematisch exakt.
Stetigkeit reeller Funktionen
Reelle Funktionen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Definitionsbereich und ihr Zielbereich Teilmengen der reellen Zahlen sind. Für solche Funktionen ist die Stetigkeit von in einem Punkt des Definitionsbereichs folgendermaßen definiert:
( sind in dieser Definition reelle Zahlen.)
Äquivalent dazu ist die folgende Definition:
Das heißt, damit eine Funktion an der Stelle stetig ist, müssen folgende drei Punkte erfüllt sein:
- Der Grenzwert muss existieren und ungleich sein (d.h. der Grenzwert muss eine reelle Zahl sein)
- Der Funktionswert muss bei definiert sein.
- Der Grenzwert muss gleich dem Funktionswert sein.
Eine Funktion, die an jeder Stelle ihres Definitionsbereiches stetig ist, heißt (punktweise) stetig. So ist zum Beispiel die Signum-Funktion
an jeder Stelle stetig, aber vermöge der Unstetigkeit an der Stelle nicht punktweise stetig. (Die Signum-Funktion hat an der Stelle den linksseitigen Grenzwert von -1 und den rechtsseitigen Grenzwert von 1 und somit existiert dort kein definierter Grenzwert . Die erste Bedingung ist verletzt und daher ist die Funktion an der Stelle 0 unstetig.)
Beispiele
- Sind und stetig mit einem gemeinsamen Definitionsbereich, so sind auch , , stetig. Ist für alle im Definitionsbereich, dann ist auch stetig.
- Die Komposition zweier stetiger Funktionen ist ebenfalls stetig.
Im folgenden bezeichne eine Funktion
- ist für alle aus stetig.
- ist für alle aus stetig.
- ist für alle aus stetig.
- ist für alle aus stetig.
Im folgenden bezeichne eine Funktion von einer Teilmenge von nach .
- ist für nicht definiert. In der Schulmathematik sagt man dann, wäre in der 0 unstetig, nach der exakten Definition ist der Begriff der Stetigkeit auf diese Stelle jedoch gar nicht anwendbar - ist also weder stetig noch unstetig in der 0. ist in seinem Definitionsbereich () stetig.
- ist stetig in seinem Definitionsbereich, d.h. in allen aus , für die ungleich 0 ist. Man bezeichnet auch als .
Im folgenden bezeichne eine Funktion
- ist für alle aus stetig
( bezeichne die komplexe Exponentialfunktion, )
Verallgemeinerung: Stetige Funktionen zwischen metrischen Räumen
Ein Funktion heißt stetig, wenn sich ihr Funktionswert genügend wenig ändert, solange man nur das Funktionsargument genügend wenig ändert. Auch dies ist nur eine Beschreibung, mögliche exakte Definitionen sind folgende:
Epsilon-Delta-Kriterium
Seien , metrische Räume, dann heißt
dabei bezeichnet die offene -Umgebung um , d.h.
Folgenkriterium
Seien , metrische Räume, dann gilt:
ist stetig in Für jede Folge aus der Definitionsmenge von , die gegen konvergiert, konvergiert gegen .
Umgebungskriterium
Seien , metrische Räume, dann gilt:
ist stetig in Zu jeder Umgebung von gibt es eine Umgebung von , sodass für alle gilt: .
Weitere Verallgemeinerung: Stetige Funktionen zwischen topologischen Räumen
Hauptartikel: Stetigkeit (Topologie)
Alle bisherigen Definitionen sind Spezialisierungen der entsprechenden Definition von Stetigkeit in der Topologie. Dort ist eine Funktion zwischen zwei topologischen Räumen genau dann stetig, wenn die Urbilder offener Mengen wiederum offene Mengen sind.
Spezialfälle von Stetigkeit
Spezialfälle der Stetigkeit sind z.B. gleichmäßige Stetigkeit und (lokale) Lipschitz-Stetigkeit. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre jeweiligen Definitionen die Menge der infrage kommenden Funktionen noch weiter einschränken. Anwendungen der Lipschitz-Stetigkeit finden sich z.B. in Eindeutigkeitssätzen (z.b. Satz von Picard-Lindelöf) für Anfangswertprobleme.
Eine Eigenschaft, die eine Menge von Funktionen besitzen kann, ist die gleichgradige Stetigkeit. Sie spielt eine Rolle im häufig verwendeten Satz von Arzelà-Ascoli.
Zusammenhang
Es gelten folgende Zusammenhänge:
Lipschitz-stetig lokal Lipschitz-stetig
stetig
und
Lipschitz-stetig gleichmäßig stetig
stetig.
Beispiele
Einige Gegenbeispiele sollen demonstrieren, dass die Rückrichtungen in aller Regel nicht gelten:
ist lokal Lipschitz-stetig, aber weder Lipschitz-stetig noch gleichmäßig stetig.
ist stetig, aber nicht lokal Lipschitz-stetig.
Wichtige Sätze über stetige Funktionen
Verkettung stetiger Funktionen
Jede stetige Funktion von einer stetigen Funktion ist wieder stetig.
Stetigkeit der Umkehrfunktion
Sind ein Intervall in und eine stetige, streng monoton wachsende Funktion, dann ist das Bild von ein Intervall , ist bijektiv, und die Umkehrfunktion ist stetig. Somit ist ein Homöomorphismus von nach .
Dies gilt wie angegeben nur für Funktionen, die im gesamten Intervall stetig sind. Ist eine umkehrbare und an der Stelle stetige Funktion, so ist die Umkehrfunktion an der Stelle im Allgemeinen nicht stetig. Als Gegenbeispiel sei definiert durch:
- auf sei ( durchläuft die positiven ganzen Zahlen)
- auf sei
- auf sei
- , ,
- für .
Dann ist bijektiv und in 0 stetig, aber ist in 0 unstetig.
Folgenkonvergenz stetiger reellwertiger Funktionen
Sei eine reellwertige Funktion, die auf ihrem Definitionsbereich stetig ist, sei eine Teilmenge der reellen Zahlen, sei aus dem Definitionsbereich von ,
dann gilt für jede Folge reeller Zahlen aus die gegen konvergiert, dass die Folge der Funktionswerte gegen konvergiert.
Anmerkung: Dieser Satz gilt auch für stetige Abbildungen zwischen beliebigen metrischen Räumen.
Satz von Bolzano
Nimmt die auf einem abgeschlossenen Intervall stetige Funktion an zwei Stellen und dieses Intervalls Funktionswerte mit unterschiedlichem Vorzeichen an, so gibt es zwischen und mindestens eine Stelle , an der die Funktion verschwindet (d.h. also eine Nullstelle der Funktion).
Der Zwischenwertsatz
Der Zwischenwertsatz besagt, dass eine auf dem Intervall (mit ) stetige Funktion jeden Funktionswert zwischen und mindestens einmal annimmt.
Als Definition:
- Ist eine stetige Funktion mit und , dann existiert für alle ein , so dass .
- Analog für und .
Eine äquivalente Formulierung ist: Das Bild einer stetigen Funktion auf einem Intervall ist wieder ein Intervall. (Das Bild eines offenen oder halboffenen Intervalles kann aber durchaus ein abgeschlossenes Intervall sein.)
Satz von Weierstraß
Eine stetige Funktion nimmt auf einem abgeschlossenen Intervall ihre obere und ihre untere Grenze an.
Anders ausgedrückt:
- stetig
(Der Satz von Weierstraß benötigt weniger Voraussetzungen für die Suche nach Hoch- und Tiefpunkten (siehe Extremwert) einer Funktion als die differenzielle Suche.)