Elinor Ostrom
Elinor Ostrom (* 7. August 1933 in Los Angeles, Kalifornien, USA) ist Professorin für Politikwissenschaft an der Indiana University Bloomington. 2009 wurde ihr als erster Frau der Wirtschaftsnobelpreis zuerkannt, gemeinsam mit Oliver E. Williamson. Ostrom habe gezeigt, „wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann“, heißt es in der Würdigung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften.[1]
Leben
Elinor Ostrom studierte Politikwissenschaft an der University of California, Los Angeles (UCLA) und schloss nach dem Bachelor of Arts (BA, 1954) und dem Master of Arts (MA, 1962) dort ihre Studien im Jahre 1965 mit dem PhD ab. In ihrer Doktorarbeit Public Entrepreneurship: A Case Study in Ground Water Basin Management analysierte sie Strategien, mittels derer öffentliche Unternehmen das Problem der Salzwasserkontamination des Grundwassers in Los Angeles lösen wollten.
Im Jahre 1973 gründete sie zusammen mit ihrem Mann Vincent Ostrom den Workshop in Political Theory and Policy Analysis an der Indiana University in Bloomington, der weltweit als eines der wichtigsten Zentren für Allmende-Studien angesehen wird. 2006 gründete sie das Center for the Study of Institutional Diversity (CSID) an der Arizona State University als Schwesterinstitut des Workshops. Internationale Kooperationen bestehen vor allem mit dem Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld, Deutschland, und mit dem Beijer Institute of Ecological Economics in Stockholm, Schweden.
Werk
Ostrom ist weltweit angesehen als eine führende Forscherin im Bereich der Umweltökonomie. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie Menschen in und mit Ökosystemen nachhaltig über lange Zeit interagieren können. Inhaltlich befasst sie sich u.a. mit der Fischereiwirtschaft, mit Bewässerungssystemen, mit Wald- und Weidewirtschaft, in späteren Arbeiten auch mit Wissen und der Problematik geistigen Eigentums.
Ostroms Forschung befasst sich mit der Frage, wie sich Menschen organisieren, um gemeinschaftlich komplexe Probleme zu lösen. Sie analysiert, wie institutionelle Regeln sich auf Handlungen von Individuen auswirken, die bestimmten Anreizen ausgesetzt sind, Entscheidungen treffen (müssen), und sich zudem noch gegenseitig beeinflussen und Sie zeigt praktikable, gerechte und effiziente Lösungen für diese Probleme auf.
Governing the Commons (1990)
International bekannt wurde sie vor allem mit ihrem Buch Governing the Commons: The Evolution of Institutions for Collective Action (1990), in dem sie sich mit Problemen kollektiven Handelns bei knappen natürlichen Ressourcen, die gemeinschaftlich genutzt werden (Allmenderessourcen), beschäftigt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass für eine angemessene und nachhaltige Bewirtschaftung von lokalen Allmenderessourcen in vielen Fällen eine institutionalisierte lokale Kooperation der Betroffenen sowohl staatlicher Kontrolle als auch Privatisierungen überlegen sei.
In einem institutionenökonomischen Ansatz stellte sie zwei voneinander getrennte Probleme heraus, zum einen die Nutzung und zum anderen die Bereitstellung der Ressourcen betreffend (Aneignungs- und Bereitstellungsproblem). Anhand der Analyse zahlreicher Einzelfälle weltweit, wie zum Beispiel regionale Bewirtschaftungsformen für Hochgebirgsalmen in der Schweiz und Japan sowie Bewässerungssysteme in Spanien und den Philippinen, zeigt sie erfolgreiche und gescheiterte Beispiele für die nachhaltige Bewirtschaftung von lokalen Allmenderessourcen in Selbstorganisation auf.
Als Resümee ihrer Forschung nennt Ostrom folgende Prinzipien für erfolgreiche Lösungen von lokalen Allmendeproblemen:[2]
- Klar definierte Grenzen und einen wirksamen Ausschluß von externen Nichtberechtigten.
- Regeln bezüglich der Aneignung und der Bereitstellung der Allmenderessourcen müssen den lokalen Bedingungen angepasst sein.
- Die Nutzer können an Vereinbarungen zur Änderung der Regeln teilnehmen, so dass eine bessere Anpassung an sich ändernde Bedingungen ermöglicht wird.
- Überwachung der Einhaltung der Regeln.
- Abgestufte Sanktionsmöglichkeiten bei Regelverstößen.
- Mechanismen zur Konfliktlösung.
- Die Selbstbestimmung der Gemeinde wird durch übergeordnete Regierungsstellen anerkannt.
Ostrom ist es mit diesem Buch gelungen, die Komplexität befriedigender Lösungen lokaler Ressourcenprobleme und die Unzulänglichkeit einfacher Rezepte zu verdeutlichen. Was ohne Zweifel gezeigt wird, ist, dass es Probleme von Allmenderessourcen gibt, die auch ohne eine Privatisierung dieser Ressourcen und auch ohne eine zentralstaatlich von oben angeordnete Lösung gelöst werden konnten.[3] Hilfreich seien dabei nicht das Vertrauen auf „Markt“ oder „Staat“, sondern vielfältige Mischformen aus markt- und staatsähnlichen Institutionen.[2]
Ehrungen
Preise und Ehrendoktorwürden
- Elazar Distinguished Federalism Scholar Award, APSA, Federalism and Intergovernmental Relations Section, 2009
- Reimar Lüst-Preis für internationale Wissenschafts- und Kulturvermittlung der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung
- Jonathan M. Tisch Prize for Civic Engagement Research, Tufts University, Medford, MA, March 5, 2009
- Ehrendoktorwürde, Norwegian University of Science and Technology, Trondheim, Norway, 2008
- Galbraith Award, American Agricultural Economics Association, 2008
- Ehrendoktorwürde, McGill University, Montreal, 2008
- William H. Riker Prize in Political Science, University of Rochester, 2008
- Fellow, American Academy of Political and Social Science, Philadelphia, 2008
- Beijer Fellow, The Beijer Institute of Ecological Economics, Stockholm, Sweden, 2007
- Ehrendoktorwürde, Humboldt-Universität zu Berlin, 2007
- Ehrendoktorwürde in Erinnerung von Carl Linnaeus, Uppsala University, Sweden, 2007
- Cozzarelli Prize, Proceedings of the National Academy of Sciences, 2006
- APSA, Political Economy Section, William Riker Award for Best Book on Political Economy, APSA, Political Economy Section, 2006
- Doctor of Humane Letters, University of Michigan, Ann Arbor, 2006
- Member, American Philosophical Society, Elected 2006
- James Madison Award, American Political Science Association, 2005
- Sustainability Science Award, Ecological Society of America, 2005
- Ehrendoktorwürde, Luleå University of Technology, Sweden, 2005
- John J. Carty Award for the Advancement of Science, National Academy of Sciences, 2004
- Lifetime Achievement Award, Atlas Economic Research Foundation, 2003
- Ehrendoktorwürde, Institute of Social Studies, The Hague, 2002
- Fellow, American Association for the Advancement of Science, Elected September 2001
- Berufung in die National Academy of Sciences 2001
- Aaron Wildavsky Enduring Contribution Award for Governing the Commons, APSA, Public Policy Section, 2000
- Johan Skytte Prize in Political Science, Uppsala University, 1999
- Ehrendoktorwürde in Economics, University of Zurich, 1999
- Thomas R. Dye Service Award for outstanding service to the Policy Studies Organization, 1997
- Frank E. Seidman Distinguished Award in Political Economy, 1997
- Präsidentin der American Political Science Association 1996/97
- Miriam Mills Award for being an outstanding woman in the field of policy studies, Policy Studies Organization, 1996
- Harold and Margaret Sprout Award for excellence in the field of international environmental affairs for Governing the Commons, International Studies Association, 1992
- Fellow, American Academy of Arts and Sciences, 1991
- Donald Campbell Award for an outstanding methodological innovator in public policy studies, Policy Studies Organization, 1986
- 1982-84 Präsidentin der Public Choice Society
Festschriften
- Peter J. Boettke (Hrsg.): Polycentric political economy. Essays in honor of Elinor and Vincent Ostrom. Elsevier, Amsterdam 2004 (Sonderausgabe des Journal of economic behavior & organization 57).
Veröffentlichungen
- Mit Sue E. S. Crawford: A Grammar of Institutions. In: Elinor Ostrom (Hrsg.): Understanding Institutional Diversity. Princeton University Press, Princeton, NJ 2005, S. 137–174. Originally published in: American Political Science Review. Band 89, Nr. 3, September 1995, S. 582–600. Reprinted in: Michael McGinnis (Hrsg.): Polycentric Games and Institutions. Readings from the Workshop in Political Theory and Policy Analysis. University of Michigan Press, Ann Arbor 2000, S. 114–155, ISBN 0-472-06714-1
- An Agenda for the Study of Institutions. In: Public Choice. Band 48, Nr. 1, Januar 1986, S. 3–25. Reprinted in: Claude Menard (Hrsg.): The Foundations of the New Institutional Economics. Band 1, Edward Elgar, Cheltenham, UK 2004, S. 429–451. Reprinted in: Michael McGinnis (Hrsg.): Polycentric Games and Institutions. Readings from the Workshop in Political Theory and Policy Analysis. University of Michigan Press, Ann Arbor 2000, S. 89–113, ISBN 0-472-06714-1
- Crafting Institutions for Self-Governing Irrigation Systems. ICS Press, San Francisco 1992, ISBN 1-55815-168-0
- Governing the Commons: The Evolution of Institutions for Collective Action. Cambridge University Press, Cambridge 1990, ISBN 0-521-40599-8
- Dt.: Die Verfassung der Allmende. Mohr, Tübingen 1999, ISBN 3-161-46916-X
- Mit Larry Schroeder und Susan Wynne: Institutional Incentives and Sustainable Development. Infrastructure Policies in Perspective. Westview Press, Boulder 1993, ISBN 0-813-31619-7
- Mit James Walker und R. Gardner: Rules, Games, and Common-Pool Resources. Michigan University Press, Ann Arbor 1994. ISBN 0-472-06546-7
- Trust and Reciprocity. Interdisciplinary Lessons for Experimental Research. (= Elinor Ostrom und James Walker (Herausgeber): Russell Sage Foundation Series on Trust, Band 6). Russell Sage Foundation, New York 2003, ISBN 0-871-54647-7
- Mit Charlotte Hess, Herausgeber: Understanding Knowledge as a Commons. From Theory to Practice. The MIT Press, Cambridge, Massachusetts 2007, ISBN 0-262-08357-4
Literatur
- Paul Dragos Aligica, Peter J. Boettke: Challenging Institutional Analysis and Development. The Bloomington School. Routledge, London 2009, ISBN 978-0-415-77821-3 (Beschreibung).
- Mark Sproule-Jones: The concept of contingency and the scholarship of Elinor Ostrom on the commons. In: Journal of economic behavior & organization. Band 57, Nr. 2, 2005, ISSN 0167-2681, S. 231–235.
Weblinks
- Vorlage:PND
- Elinor Ostrom Curriculum Vitae
- Cognitive Science Program, Indiana University
- Workshop in Political Theory and Policy Analysis, Indiana University
- Center for the Study of Institutional Diversity (CSID), Arizona State University
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 2009 an Elinor Ostrom (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Meldung bei nobelprize.org, 12. Oktober 2009
- ↑ a b Politikwissenschaft, Band 2, Paul Kevenhörster, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, ISBN 3531151843, S. 357
- ↑ Gebhard Kirchgässner: Rezension von Elinor Ostrom, Die Verfassung der Allmende, in Politische Vierteljahresschrift, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Volume 43, Number 2 / Juni 2002, S. 372-374
Personendaten | |
---|---|
NAME | Ostrom, Elinor |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanische Politikwissenschaftlerin, Professorin für Politikwissenschaft |
GEBURTSDATUM | 7. August 1933 |
GEBURTSORT | Los Angeles, Kalifornien, USA |