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Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges

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Datei:Bundesarchiv Bild 183-R77366, Berlin, deutsche Kriegsgefangene.jpg
Sowjetische Soldaten führen deutsche Kriegsgefangene durch Berlin, Mai 1945

Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg gab es auf Seiten der alliierten Streitmächte und der Achsenmächte. Nicht am Krieg beteiligte Staaten und internationale Organisationen leisteten nach den Regeln des Kriegsvölkerrechts Hilfe, um das Schicksal der Kriegsgefangenen zu erleichtern. Zu den Hilfeleistungen gehörten:

Soldaten der Achsenmächte

Gefangenenmeldung für deutsche Kriegsgefangene im Gewahrsam der USA (Vorderseite der Postkarte)
Rückseite der Postkarte

Kriegsgefangene der Achse im Gewahrsam der Westmächte

Etwa 3.630.000 Soldaten der Wehrmacht befanden sich in britischen Lagern in Großbritannien, Deutschland, Kanada, Malta, Madagaskar, Äthiopien und anderen Ländern. Darunter waren auch 58.600 Österreicher.

Jeder Kriegsgefangene erhielt sofort nach seiner Gefangennahme sowie bei jedem Adresswechsel eine Postkarte, auf der er seinen Angehörigen Angaben über seinen Gesundheitszustand machen sowie seine gegenwärtige Anschrift und Gefangenennummer mitteilen konnte (siehe Abbildungen).

Ungefähr 3.100.000 deutsche Kriegsgefangene befanden sich in amerikanischen Lagern, zumeist in den Vereinigten Staaten.

Die USA begannen ab Mitte Mai 1945 mit der Entlassung von Kriegsgefangenen, überstellten jedoch wegen des Arbeitskräftebedarfs auch 740.000 Gefangene an Frankreich, 123.000 an Großbritannien, 14.000 an die Niederlande, 30.000 an Belgien und 5.000 an Luxemburg. Zur Wiedergutmachung wurden Gefangene auch an Polen und die Tschechoslowakei übergeben.

Während der Moskauer Konferenz im März und April 1947 befanden sich in Großbritannien 435.295, in Frankreich 641.483 und in den USA 14.000 Gefangene. Die Konferenz einigte sich darauf, bis zum 31. Dezember 1948 alle Gefangenen nach Deutschland zu entlassen.

Verluste unter den Kriegsgefangenen

Die folgende Tabelle zeigt die Zahl der Kriegsgefangenen der Wehrmacht und Waffen-SS im Gewahrsam des jeweiligen Landes und die Quote der Kriegsgefangenen, die in der Gefangenschaft umkamen.[1] Die Zahlen zeigen, dass die Todesquoten für Kriegsgefangene der Ostfront immens hoch waren im Vergleich mit den Todesquoten in den Lagern der Westalliierten. Aber auch unter den Westalliierten gab es deutliche Unterschiede. Im französischen Gewahrsam waren die Todesquoten deutlich höher als den Lagern der USA oder Großbritanniens.

Land des Gewahrsams Kriegsgefangene Verluste absolut Verluste in Prozent
Frankreich 937.000 24.178 2,6
UdSSR 3.060.000 1.094.250 35,8
Ost- und Südosteuropa 289.000 93.028 32,2
Großbritannien 3.635.000 1.254 0,03
USA 3.097.000 5.802 0,2
sonstige 76.000 675 0,9
Summe 11.094.000 1.219.187 11,0
Denkmal für Kriegsgefangene und Vermisste in Neustadt am Rübenberge

Laut den Angaben des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes ist das Schicksal von weiteren 1.300.000 deutschen Militärangehörigen ungeklärt, sie gelten als vermisst.

In amerikanischen Lagern in Frankreich und in Deutschland (zum Beispiel in den Rheinwiesenlagern) gab es aufgrund mangelhafter Versorgung und Unterbringung eine Todesquote von 0,5 bis 1 Prozent[2], allerdings wurden diese Lager recht schnell aufgelöst. In Gefangenenlagern in den USA war die Sterblichkeit weitaus geringer.

Frankreich setzte 49.000 deutsche Kriegsgefangene völkerrechtswidrig für die Minenräumung ein.

Siehe auch: Disarmed Enemy Forces.

Deutsche Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenenschaft

Die letzte größere Entlassung von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion („Heimkehr der Zehntausend“) fand 1955 statt.

Siehe auch: Liste sowjetischer Kriegsgefangenenlager des Zweiten Weltkriegs.

Deutsche Soldaten in jugoslawischer Gefangenschaft

Nach einer Analyse von Böhme [3] starben etwa 80.000 deutsche und österreichische Soldaten in jugoslawischer Gefangenschaft. Wegen der unübersichtlichen Lage der letzten Kriegstage lässt sich die Zahl der bei der Kapitulation der Wehrmachtseinheiten in Jugoslawien in Gefangenschaft geratenen Soldaten nicht genau bestimmen. Schmider, der sich auf das Zahlenmaterial von Böhme stützt, schätzt, dass es zwischen 175.000 und 200.000 waren. Berücksichtigt man, dass in den Jahren 1948/1949 vom Roten Kreuz nur etwa 85.000 Rückkehrer gezählt wurden, überlebten weniger als die Hälfte der Kriegsgefangenen die Gefangenschaft.[4]

Japanische Soldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft

Insgesamt gab es etwa 208.000 japanische Kriegsgefangene. Der Großteil davon wurde von den Amerikanern gefangen genommen. Der erste japanische Kriegsgefangene im Pazifikkrieg war Sakamaki Kazuo.

Japanische Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenenschaft

Einige tausend Mann gerieten gegen Ende des Krieges in sowjetische Gefangenschaft; von diesen kamen viele beim Arbeitsdienst in sibirischen Bergwerken um.

Der Artikel über die „Operation Auguststurm“ (sowjetische Eroberung vom japanisch besetzten Teil Chinas) spricht allein hier von über 500.000 japanischen Kriegsgefangenen.

Alliierte Soldaten

Soldaten der Sowjetunion in deutscher Kriegsgefangenschaft

Mit dem „Judenstern“ gekennzeichneter sowjetischer Kriegsgefangener, 1941

Zwischen 1941 und 1945 gerieten weit über 5 Millionen sowjetische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft. 3,2 Millionen sowjetische Kriegsgefangene kamen dabei um [5]

Arbeitseinsätze sowjetischer Gefangener fanden schon vor dem Führerbefehl vom 31. Oktober 1941 statt.[6] Da die geplante Kapazität an Lagern an vielen Orten nicht erreicht wurde, kampierten die Gefangenen wochenlang unter desaströsesten Bedingungen im Freien. Hinzu kam eine unzureichende Ernährung, schlechte Hygiene und schlechte medizinische Versorgung, sodass viele Gefangenen bei Ruhr- und Fleckfieberepidemien starben. Das Lager Zeithain wird auch Sterbelager genannt, da die nicht mehr arbeitsfähigen Verwundeten oder Kranken in Lazaretten weiter unterversorgt waren.[7]

Hunderttausende von ihnen liegen heute - ebenso wie gefallenen Soldaten der Roten Armee und sowjetische Zwangsarbeiter der NS-Zeit - auf Sowjetischen Kriegsgräberstätten in Deutschland.

1.836.000 sowjetische Kriegsgefangene kehrten in die Sowjetunion zurück. Da die Gefangengabe von Stalin als Verrat angesehen wurde, war ein Teil dieser Rückkehrer Repressionen ausgesetzt. So wurden 16-17% von ihnen in Strafbataillone eingegliedert und weitere 16-17% in den Lagern des GULag inhaftiert. Etwa zwei Drittel der ehemaligen Kriegsgefangenen wurden demnach nicht bestraft. Ein Teil von diesen hatte jedoch Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche oder wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen.[8]

Westalliierte Soldaten in deutscher Kriegsgefangenenschaft

Britische und griechische Kriegsgefangene 1941 in Griechenland.
alliierte Kriegsgefangene

Diese Soldaten stammten insbesondere aus Belgien, Frankreich, Holland, Norwegen, Polen, Großbritannien, den USA, Serbien und nach dem Bruch des Bündnisses auch aus Italien.

Man kannte als Bezeichnungen „Stalag“ (Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager, im Wesentlichen der Wehrmacht unterstellt), „Stalag Luft“ (Luftwaffen-Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager, der Luftwaffe unterstellt) und „Marlag“ (Kriegsmarine-Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager, unterstellt dem Allgemeinen Marinehauptamt), ferner „Oflag“ (Kriegsgefangenen-Offizierslager), „Dulag“ (Kriegsgefangenen-Durchgangslager), „Heilag“ (Kriegsgefangenen-Heimkehrerlager) und „Ilag“ (Internierungslager).

Zum Teil wurden einige alliierte Soldaten, nachdem sie aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurden, unter bestimmten Voraussetzungen und Bestimmungen erschossen, einige wurden in Konzentrationslager verbracht, im Übrigen war der Arbeitseinsatz üblich (Rüstungsindustrie und andere Industriezweige, Bergbau, Aufräumarbeiten). [9]

Siehe auch: Militärinternierter

Alliierte in japanischer Kriegsgefangenschaft

Während des Pazifikkriegs gerieten britische, niederländische, australische, neuseeländische und amerikanische Soldaten in japanische Kriegsgefangenschaft. Da die Japaner die zweite Genfer Konvention von 1929 und auch die Haager Landkriegsordnung nicht anerkannten, behandelten sie ihre Kriegsgefangenen nach ihrer eigenen Ordnung. Kriegsgefangene galten als Menschen ohne Ehre, da sie nicht in Ehre für ihr Land gefallen waren, das heißt nicht bis in den Tod gekämpft hatten. In aller Regel waren sie daher mit „minderwertiger Arbeit“ zu betrauen, die zwar für die Japaner von Wichtigkeit war, in deren Augen aber nur von ehrlosen Menschen ausgeführt werden konnte. In den Lagern verstarben auf Grund von Wasser- und Nahrungsmangel, sowie der unmenschlichen Behandlung eine große Anzahl alliierter Soldaten.

Kriegsverbrechen der Japaner an alliierten Gefangenen:

Einzelnachweise

  1. alle Zahlen nach Rüdiger Overmans, Die Rheinwiesenlager 1945, in: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau. Herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. München 1995. ISBN 3-492-12056-3, S. 278
  2. Rüdiger Overmans: Die Rheinwiesenlager 1945 in: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau. Herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. München 1995. ISBN 3-492-12056-3, S. 277
  3. Kurt W.Böhme: Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien,Band I/1 der Reihe: Kurt W. Böhme, Erich Maschke (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, Bielefeld 1976, ISBN 3769400038, S. 42-136, 254
  4. Klaus Schmider: Der jugoslawische Kriegsschauplatz (Januar 1943 bis Mai 1945) in: Karl-Heinz Frieser (Hrsg.): Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 1069
  5. Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945. Verlag J.H.W. Dietz. Nachf., Bonn 1997.
  6. Reinhard Otto: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42. München 1998.
  7. V. Selemenov / Ju. Zverev / K.-D. Müller / A. Haritonow (Hg.): Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene in den Jahren des 2. Weltkriegs. 2004. 512 S. ISBN 3-934382-12-6.
  8. Miram Dolson: Prisoners of War and Purge Victims: Attitudes Towards Party Rehabilation, 1956-57.“ In: Slavonic and East European Review. Vol. 86, Nr. 2, April 2008, S. 328-345. Hier: S. 331.
  9. Lexikon der Wehrmacht: Das Kriegsgefangenenwesen der Wehrmacht

Literatur

  • Kurt W. Böhme: Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. 1964, ISBN 978-3769400045
  • Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945. Verlag J.H.W. Dietz. Nachf., Bonn 1997. ISBN 3-8012-5023-7. – Aktualisierte Neuausgabe des Standardwerks von 1978.
  • Alfred Streim: Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im „Fall Barbarossa“. Eine Dokumentation. C.F. Müller Juristischer Verlag. Heidelberg/Karlsruhe 1981. ISBN 3-8114-2281-2. – Wertvolle Ergänzung zu Streit wegen der starken Einbeziehung deutscher Strafverfahren durch den inzwischen verstorbenen Leiter der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen“ in Ludwigsburg.
  • Rüdiger Overmans: Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen Reiches 1939 bis 1945. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/2. München 2005, Seite 749 f.
  • Reinhard Otto: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 77). R. Oldenbourg Verlag, München 1998. ISBN 3-486-64577-3. – Otto beschreibt, unter Benutzung auch von Dokumenten aus ehemals sowjetischen Archiven, detailliert die Selektionen sowjetischer Kriegsgefangener aus den Lagern der Wehrmacht durch Einsatzkommandos der Gestapo und die von der Polizei begangenen Massenmorde im Reichsgebiet.
  • Dmitri Stratiewski: Sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland 1941-1945 und ihre Rückkehr in die Sowjetunion. Berlin 2008.
  • Kontakte-Kontakty e.V. (Hrsg.) Ich werde es nie vergessen. Briefe sowjetischer Kriegsgefangener 2004-2006. Berlin 2007. (erster Sammelband in deutscher Sprache).