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Georg Kreisler

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Georg Kreisler 2005 bei einer Lesung in der Akademie der Künste (Berlin)

Georg Franz Kreisler (* 18. Juli 1922 in Wien) ist ein Kabarettist, Komponist, Satiriker und Schriftsteller. Bekannt wurde er vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren mit seinen hintergründigen und makabren Chansons.

Leben

Georg Kreisler wurde als Sohn des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. Siegfried Kreisler und dessen Frau Hilda geboren. Er besuchte das Gymnasium Kandlgasse in Wien-Neubau und lernte Klavier, Geige und Musiktheorie. 1938, nach den Rassengesetzen der Nationalsozialisten als Jude definiert, emigrierte er mit seinen Eltern nach dem Anschluss Österreichs über Genua und Marseille in die USA. Das Schiff nahm von einer schiffbrüchigen Yacht Bugsy Siegel auf, mit dem Kreisler dann Schach spielte. In Hollywood unterstützte ihn sein Vetter, der erfolgreiche Drehbuchautor Walter Reisch, finanziell und vermittelte Kontakte zum Filmgeschäft. Kreisler wurde mit einer Vielzahl deutsch-jüdischer Exilanten bekannt, die ebenfalls im Filmgeschäft unterzukommen suchten, allerdings auch kein Englisch sprachen. Mit 19 heiratete er die Tochter des Kabarettisten Friedrich Hollaender, Philine, trennte sich jedoch bald wieder von ihr. Arnold Schoenberg versuchte ihn an der UCLA unterzubringen, wo er allerdings abgelehnt wurde.

Kreisler wurde 1943 US-amerikanischer Staatsbürger und für den Zweiten Weltkrieg direkt zur U.S. Army eingezogen. Er wurde nach der Grundausbildung nach England transferiert und war in Yeovil und Devizes stationiert, wo er mit GI Shows, die er teilweise zusammen mit Marcel Prawy schrieb, die D-Day-Truppen unterhielt. Es gelang ihm, in eine Geheimdiensteinheit, vermutlich die PWD, aufgenommen zu werden, wo er als Entertainer und Dolmetscher diente, ohne an Kampfhandlungen beteiligt zu sein. Während der Nürnberger Prozesse arbeitete er als Übersetzer und führte auch selbst Verhöre, unter anderem mit Göring, Streicher und Kaltenbrunner.

Nach Kriegsende war er in Hollywood beim Film beschäftigt und arbeitete dort unter anderem mit Charlie Chaplin zusammen. Chaplin pfiff ihm die Filmmusik für Monsieur Verdoux vor, die Kreisler auf Notenpapier schrieb und dann zu Hanns Eisler brachte, der die Orchestrierung besorgte. Auch war es Kreislers Klavierspiel, das aufgenommen wurde, wenn man Chaplin am Klavier sah. Da sein Erfolg insgesamt nur mäßig war, zog er um nach New York City.

Während seiner Zeit in New York trat er als Entertainer in Nachtclubs auf und tourte als Interpret eigener, in englischer Sprache verfasster Lieder durch die Vereinigten Staaten. Drei dort 1947 aufgenommene Schallplatten sind nicht erschienen, weil die Verantwortlichen der Produktionsfirma die teils morbiden Lieder für „unamerikanisch“ hielten. Für Titel wie Please Shoot Your Husband war die Zeit wohl einfach noch nicht reif. Der mangelnde Erfolg einer vielfach geäußerten Kulturkritik zog sich von da an durch Kreislers gesamte künstlerische Laufbahn. Er selbst sah das als typische Ignoranz der Zeitgenossen gegenüber dem Satiriker. Erst im Jahr 2005 kamen die – verloren geglaubten – Aufnahmen von 1947, als Beilage zu seiner Biographie, in Form einer CD heraus.

1955 hoffte er auf mehr Erfolg in Europa, ging zurück nach Wien und traf dort unter anderem mit Hans Weigel, Gerhard Bronner, Peter Wehle und Helmut Qualtinger zusammen. In der Marietta Bar in der Wiener Innenstadt trat er erstmals mit deutschsprachigen Chansons auf und wurde zeitweise Mitglied des Namenlosen Ensembles um Bronner, Wehle und Qualtinger. Er musste dann allerdings die Erfahrung machen, dass das Publikum von Vorstellungen wie Taubenvergiften im Park keineswegs nur begeistert war.

1958 zog es ihn nach München, wo er mit seiner damaligen Ehefrau Topsy Küppers Chanson-Abende gab. 1976 ging er nach Berlin. Ab 1977 trat er mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Barbara Peters auf. 1988 zog er nach Hof (bei Salzburg), lebte von 1992 bis 2007 in Basel und ab Mai 2007 wieder in Salzburg. Gelegentlich bezeichnete er sich selbst als wandernden Juden[1].

Seit 2001 tritt Kreisler nicht mehr mit seinen Chansons auf. Er schreibt stattdessen Romane, Kurzgeschichten und Essays oder komponiert und engagiert sich stark für eine eigenständige Schweiz und gegen einen EU- bzw. EWR-Beitritt (siehe dazu auch sein Lied Der Euro). Per offenem Brief verbat er sich vor seinem 75. Geburtstag Gratulationen von Seiten des Staates Österreich, „weil sich die Republik Österreich in den über vierzig Jahren, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, noch nie um mich geschert hat.“[2] Seine Tochter Sandra Kreisler wies darauf hin, dass bisher niemand auf die Idee gekommen sei, Georg Kreisler ehrenhalber seine österreichische Staatsbürgerschaft zurückzugeben.[3]

Georg Kreisler ist ein weitläufiger Verwandter des Violinvirtuosen und Komponisten Fritz Kreisler. Neben der Tochter Sandra, die als Chansonsängerin und Sprecherin arbeitet, hat er noch zwei Söhne.

Stil

Kreisler gilt als Meister der Sprache, Mimik und Gestik. Seine Lieder zeichnen sich durch hintergründigen, oftmals schwarzen Humor und kompromisslose Kritik an Gesellschaft und Politik aus. Dies brachte ihn immer wieder in Schwierigkeiten und führte teilweise auch zu Auftrittsverboten in Funk und Fernsehen.

Viele seiner Lieder sind bereits Klassiker: Als der Zirkus in Flammen stand; Zwei alte Tanten tanzen Tango; Der Musikkritiker; Der General; Kapitalistenlied; Meine Freiheit, Deine Freiheit; Wir sind alle Terroristen und viele andere, sowie auch das „Ein-Frau-Musical“ Heute Abend – Lola Blau.

Plagiatsvorwürfe

Basierend auf textlichen und musikalischen Ähnlichkeiten wurde Kreisler mehrfach vorgeworfen, er habe in drei seiner Chansons Ideen und Material von anderen Künstlern verwendet, ohne dies in der üblichen Weise (z.B. frei nach einem Lied von ...) anzugeben. [4] Kreislers Ich hab' deine Hand ist dem Lied von Tom Lehrer I hold your hand in mine, dear sehr ähnlich, das zuerst im Jahr 1953 im Album Songs By Tom Lehrer erschienen war. Das Taubenvergiften im Park von Kreisler ähnelt extrem Lehrers Lied Poisoning Pigeons in the Park; Das Mädchen mit den drei blauen Augen von Kreisler ähnelt Abe Burrows’ Lied The Girl with the Three Blue Eyes (erste Tonaufnahme: 1950). In seiner Autobiographie Die alten, bösen Lieder bestreitet Kreisler ein Plagiat; er schreibt dazu unter anderem: „Immerhin ein Novum: Normalerweise, wenn man etwas hört oder liest, das man schon vorher gehört oder gelesen hat, nimmt man an, es ist plagiiert. Manche machen es umgekehrt: Sie behaupten, dass ich mein Lied von einem ähnlichen, das ein paar Jahre nach meinem herauskam, gestohlen hätte. Ich habe das eindeutig bewiesen, es steht sogar auf dem Plattencover von Tom Lehrer, aber sie hören nicht auf.“[5]

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

Ein ausführlicheres, aber nicht vollständiges „Werkeverzeichnis“ ist auf den Seiten 297 bis 311 der Biographie „Georg Kreisler gibt es gar nicht“ zu finden.

Diskographie

Singles und EPs

  • Please Shoot Your Husband (enthält: It's Great to Lead an Antiseptic Life / My Psychoanalist is an Idiot; Please Shoot Your Husband / I Hate You; Frikashtasni / What Are Little Girls Made of?), Set mit drei 10"/78UpM Platten (1947 von RCA Victor aufgenommen, nicht erschienen; siehe unter CDs, 2005)
  • Joker II (enthält: Sex is a Wonderful Habit / What Are Little Girls Made of? / Dirty Ferdy / Good Old Ed), Amadeo 1958
  • Zyankali Rock'n Roll (enthält: Zyankali / Taubenvergiften), Amadeo 1958
  • Das Beste aus Kreisler's Digest (enthält: Geh'n ma Tauben vergiften... / Zwei alte Tanten tanzen Tango / Biddla Buh / Das Triangel), Electrola 1959
  • Das Kabinett des Dr. Kreisler (enthält: Weihnachten ist eine schöne Zeit / Der Liebesbrief / Sport ist gesund / Bach in Boogie-Woogie), Electrola 1959
  • Das Testament des Dr. Kreisler (enthält: Der Karajanuskopf / Die Frau / Onkel Fritz / Telefonbuchpolka), Electrola 1960
  • Schon wieder der Kreisler (enthält: Der Musikkritiker / Marie Galetta), Electrola 1960
  • Eine Musterpackung guter Laune (enthält: La malade à la mode (von Helen Vita) / Du bist neurotisch), Beiersdorf Werbeplatte 1960
  • Das gibt es nur bei uns in Gelsenkirchen (enthält: Gelsenkirchen / Der Weihnachtsmann auf der Reeperbahn), Favorit 1961
  • Lieder zum Fürchten (enthält: Als der Zirkus in Flammen stand / Der Paule / Dreh das Fernsehen ab / Wiegenlied), Favorit 1963
  • Max auf der Rax (enthält: Max auf der Rax / Die Wanderniere / Alpenglüh'n), Philips 1963

LPs

  • Vienna Midnight Cabaret mit G.K., Amadeo 1957
  • Vienna Midnight Cabaret mit G.K. II, Amadeo 1958
  • Seltsame Gesänge, Philips 1959
  • Seltsame Liebeslieder, Amadeo 1961 (mit Bill Grah und seinem Orchester)
  • Kreisler Meets Love Meets Jazz (enthält: You Bore me / Please Shoot your Husband / Antiseptic Life / Butler Burton / I Hate You / Frikashtasni, dazwischen Jazz-Stücke), Amadeo 1961/62
  • Sodom und Andorra. Eine Parodie (als Hörspiel), Preiser 1962
  • Die Georg Kreisler Platte, Preiser 1962
  • Lieder zum Fürchten, Preiser 1963
  • Unheilbar gesund, Preiser 1965
  • Polterabend (Lieder aus dem gleichnamigen Theaterstück), mit G.K., Brigitte Brandt, Topsy Küppers, Erich Kleiber, Gunnar Möller, Herbert Prikopa und Harry Tagore, Preiser 1965
  • „Nichtarische“ Arien, Preiser 1966
  • Sieben Galgenlieder (von G. K. und Blanche Aubry; Texte von Christian Morgenstern, vertont und begleitet von Friedrich Gulda), Preiser 1967
  • Die heiße Viertelstunde (mit Topsy Küppers), Preiser 1968
  • Anders als die andern (mit Topsy Küppers), Preiser 1969
  • Der Tod, das muss ein Wiener sein (mit Topsy Küppers), Preiser 1969
  • Kreisleriana, Preiser 1971
  • Literarisches und Nichtarisches, Preiser 1971
  • Heute Abend: Lola Blau. Musical für eine Frau und zwei Klaviere (mit Topsy Küppers; an den Klavieren G.K. und Heinz Hruza), Preiser 1971
  • Hurra, wir sterben (Auszug aus dem gleichnamigen Kabarettprogramm, mit G.K., Mathias Lange, Elena Manta, Ursula Oberst und Fritz Stavenhagen), Preiser 1971
  • Vorletzte Lieder, Preiser 1972
  • Allein wie eine Mutterseele, Preiser 1974
  • Kreislers Purzelbäume, Preiser 1975
  • Rette sich wer kann, Intercord 1976
  • Liebeslieder am Ultimo, Intercord 1977
  • Mit dem Rücken gegen die Wand (mit Barbara Peters), Preiser 1979
  • Gruselkabinett (mit Barbara Peters), Preiser 1981
  • Elefantenhochzeit (Musik zum gleichnamigen Theaterstück), Austro Mechana 1982
  • Taubenvergiften für Fortgeschrittene (mit Barbara Peters), 1983
  • Wo der Pfeffer wächst (mit Barbara Peters), Preiser 1985
  • Wenn die schwarzen Lieder wieder blüh'n (mit Barbara Peters), Turicaphon 1987

CDs

  • „Nichtarische“ Arien 1988 by Preiserrecords ISBN 3-902028-35-1
  • Fürchten wir das Beste (mit Barbara Peters), kip 1996
  • Die alten, bösen Lieder, kip 1997
  • Lieder eines jüdischen Gesellen, kip 1999
  • Als der Zirkus in Flammen stand (mit Barbara Peters), kip 1999
  • Der Aufstand der Schmetterlinge (Oper), Doppel-CD, kip 2000
  • Worte ohne Lieder, Hörbuch-CD, kip 2001
  • Wenn ihr lachen wollt... (mit Barbara Peters), kip 2001
  • Lieder gegen fast alles (mit Barbara Peters), kip 2002
  • Das unveröffentlichte Plattendebüt von 1947, in: Georg Kreisler gibt es gar nicht, Sony Music/Scherz 2005
  • Adam Schaf hat Angst (Tim Fischer in dem „Ein-Mann-Musical“), Sony BMG 2007

Bühnenwerke

Eigene

Bearbeitungen

Bücher

  • Zwei alte Tanten tanzen Tango. Sanssouci, Zürich 1961
  • Der guate, alte Franz. Sanssouci, Zürich 1962
  • Sodom und Andorra. Einakter. Estam, Schaan 1963
  • Lieder zum Fürchten. Sanssouci, Zürich 1964
  • Mutter kocht Vater und andere Gemälde der Weltliteratur, illustriert vom Künstler selbst. Karl Schwarzer, Wien 1967
  • Nichtarische Arien. Sanssouci, Zürich 1967
  • Ich weiß nicht, was soll ich bedeuten. Texte. Mit zwei Lobeserklärungen von Hans Weigel. Artemis, Zürich 1973
  • Ich hab ka Lust. Kabarettchansons. Henschel, Berlin/DDR 1980
  • Taubenvergiften für Fortgeschrittene. Lesebuch. Heyne, München 1983
  • Lola Blau und Nichtarische Arien. Henschel, Berlin/DDR 1985
  • Worte ohne Lieder. Satiren. Neff, Wien 1986
  • Ist Wien überflüssig? Satiren über die einzige Stadt der Welt, in der ich geboren bin. Ueberreuter, Wien 1987
  • Die alten bösen Lieder. Ein Erinnerungsbuch mit Liedertexten. Ueberreuter, Wien 1989 (angeblich sei fast die ganze Auflage bei einem Wasserschaden zerstört worden)
    • Überarbeitete Neuauflage: kip, Dinslaken 1997
  • Ein Prophet ohne Zukunft. Roman. Diana, Zürich 1990
  • Das Auge des Beschauers. Mit Illustrationen von Christof Gloor. Nebelspalter, Rorschach 1995
  • Der Schattenspringer. Roman. Edition día, Berlin 1995
  • Heute leider Konzert. Drei Satiren (enthält auch Mutter kocht Vater und andere Gemälde der Weltliteratur). Konkret, Hamburg 2001
  • Wenn ihr lachen wollt... Ein Lesebuch. Edition Memoria, Hürth/Wien 2001, ISBN 3-930353-14-8
  • Lola und das Blaue vom Himmel. Eine Erinnerung. Edition Memoria, Hürth/Wien 2002, ISBN 3-930353-18-0
  • Mein Heldentod. Prosa und Gedichte. Arco, Wuppertal 2003, ISBN 3-9808410-3-0
  • Alles hat kein Ende. Roman. Arco, Wuppertal 2004, ISBN 3-9808410-7-3
  • Leise flehen meine Tauben. Gesungenes und Ungesungenes. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16946-1
  • Letzte Lieder. Autobiografie. Arche, Zürich/Hamburg 2009, ISBN 978-3-7160-2613-7

Literatur

  • Hans-Juergen Fink, Michael Seufert: Georg Kreisler gibt es gar nicht. Die Biographie. Scherz, München 2005, ISBN 3-502-15021-4 (mit Audio-CD)
  • Michael Custodis, Albrecht Riethmüller (Hrsg.): Georg Kreisler. Grenzgänger. Rombach (Litterae 169), Freiburg 2009, ISBN 978-3-7930-9554-5

Zitate

Ich war lange Zeit der festen Überzeugung, dass es Georg Kreisler gar nicht gibt. Seit ich ihn persönlich kenne und ihm oft begegnet bin – sogar bei Tageslicht – bin ich in dieser Überzeugung bestärkt worden. Georg Kreisler existiert gar nicht – er ist eine Erfindung Georg Kreislers.

Hans Weigel, 1962

Quellen

  1. Popular song and unpopular protest: the political cabaret of Georg Kreisler Colin Beaven
  2. Georg Kreisler Ein Brief nach Wien Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, 1. Oktober 1996
  3. Sandra Kreisler: Mein Vater Georg Kreisler
  4. Konstantin Schmidt: Georg Kreisler und Tom Lehrer. »Gemeinsamkeiten« zweier Kabarettisten
  5. Die alten bösen Lieder (Ueberreuter, Wien 1989, S.33–36)

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