Liturgie
Der Begriff Liturgie (v. griech.: λειτουργια leitourgia öffentlicher Dienst aus λειτος leitos öffentlich von λαος laos Volk; und εργον érgon Werk, Dienst) bezeichnet den gestalteten Gottesdienst. Der liturgische Gottesdienstbegriff weist eine doppelte Dimension auf: er beschreibt - doppelter Genitiv - den Dienst von und für Gott. Insofern unterscheidet er sich vom eher deskriptiven Begriff der Kulthandlung. Liturgie umfasst das gesamte gottesdienstliche Geschehen: Wort und Gesang, Gestik, Bewegung und Gewänder, liturgische Geräte, Symbole und Symbolhandlungen. Die Liturgie unterscheidet den Gottesdienst von einer Versammlung oder einer privaten Andacht. In einigen Kirchen gibt es aber neben der Gottesdienstliturgie auch liturgisch gestaltete Andachten für einzelne oder Gruppen, z.B. das Stundengebet. Dazu kommen besondere Liturgien für Taufe, Trauung oder Bestattung.
Christentum
Urchristentum
Aus dem Urchristentum sind uns keine Liturgien (Gottesdienstordnungen) im heutigen Sinn bekannt, weder was den Gottesdienstablauf wie auch Gottesdienstliche Gewänder betrifft, noch werden verbindliche Geräte [1] aufgezählt. Dennoch ist es möglich, mittels der Literarkritik Stilelemente herauszuarbeiten, die uns darauf schliessen lassen, dass der Schreiber eines Briefes oder Textes Elemente verwendet, die im Zusammenhang mit "liturgischen Elementen" des Gottesdienstes stehen: so Christuslieder (Bsp Phil.2,5-11)- oder auch Elementes eines Glaubensbekenntnises in 1.Korinther 15; ebenso zitiert Paulus in 1.Kor.11 tradierte Einsetzungsworte zum Herrenmahl. Auch die Offenbarung des Johannes scheint Lieder aus dem Gottesdienst zu zitieren, Lieder, die im Messias Händels zum Klingen kommen - wie z.B. "würdig ist das Lamm, das....." Auch gibt es in den frühen Schriften der Kirchenväter (z.B. Justin der Märtyrer) Hinweise auf die Abläufe liturgischer Handlungen.
Orthodoxe Liturgien
Die Liturgien, die die verschiedenen orthodoxen Kirchen feiern, werden in unterschiedliche Liturgiefamilien unterteilt: Byzantinischer Ritus, Westsyrischer Ritus, Ostsyrischer Ritus, Alexandrinischer Ritus und Armenischer Ritus. Der im Westen bekannteste ostkirchliche Ritus dürfte der Byzantinische Ritus sein. Gebräuchlich sind hier vor allem die Liturgie des Hl. Johannes Chrysostomus und die Basiliusliturgie (vorwiegend an den Werktagen der Großen Fastenzeit), sowie die Liturgie der Vorgeweihten Gaben. Allen Ostriten gemeinsam ist, dass sie vor der Mitte des ersten Jahrtausends entstanden und seither so gut wie unverändert geblieben sind. Die mit Rom unierten Ostkirchen feiern die Liturgie in ihrem ursprünglichen Ritus.
Katholische Liturgie
Behauptungen, die katholische Kirche verstünde unter Liturgie in erster Linie die Ordnung der Heiligen Messe, greifen zu kurz. Auf dem II. Vatikanischen Konzil haben die Konzilsväter ausführlich zum Thema Liturgie Stellung bezogen und die Konstitution über die Heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium verkündet. Dort schreiben sie: "In der Liturgie, besonders im heiligen Opfer der Eucharistie, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung, und so trägt sie in höchstem Maße dazu bei, dass das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird ..." Demzufolge geht es im katholischen Liturgieverständnis in erster Linie nicht primär um die genaue Regelung einzelner Ritenabfolgen, sondern um einen Wesensvollzug der Kirche. Der Codex iuris canonici (CIC) formuliert dies auf folgende Weise: "Den Heiligungsdienst erfüllt die Kirche in besonderer Weise durch die heilige Liturgie, die als Ausübung des priesterlichen Dienstes Jesu Christi zu betrachten ist; darin wird die Heiligung der Menschen durch sinnenhafte Zeichen bezeichnet und in der diesen je eigenen Weise bewirkt sowie der mystische Leib Jesu Christi, von Haupt und Glieder, der unverbrüchliche amtliche Gottesdienst vollzogen." (CIC 1983, Can. 834 §1). Andere offizielle Aussagen über die Liturgie der katholischen Kirche finden sich im Katechismus der katholischen Kirche unter den Nummern 1066ff. Zur katholischen Liturgie zählen auch die Liturgien der unterschiedlichen mit Rom verbundenen Ostkirchen.
Evangelische Liturgie
Für die Ev.-Lutherischen und die Ev.-Unierten Kirchen gibt es in Deutschland eine gemeinsame Gottesdienstordnung, die Agende genannt wird. In einigen Freikirchen ist das Wort Liturgie verpönt, weil der Begriff zu sehr mit Tradition verbunden ist, aber die meisten von ihnen haben dennoch eine Ordnung für den Abendmahlsgottesdienst (mit wenigen Ausnahmen wie z.B. die Quäker).
Weiterhin gibt es die Byzantinische, die Westsyrische, die Ostsyrische, die Alexandrinische und die Armenische Liturgie.
Judentum
Das Judentum und die orthodoxen Kirchen verstehen unter Liturgie den ganzen gestalteten Gottesdienst, der im religiösen Leben und in der Theologie das Zentrum ist. Die jüdische Liturgie umfasst vor allem die Kantillation der Tora (siehe Teamim), Gesang und Gebet.
Moderne Krise und liturgische Erneuerung
Angesichts der zunehmenden Wertschätzung von Spontanität und Authentizität sprechen viele Wissenschaftler von einer Liturgieunfähigkeit des modernen Menschen. Andererseits entwickeln sich in vielen Lebensbereichen (Sportveranstaltungen; Medien) neue Gemeinschaftsrituale und Paraliturgien.
Allerdings gibt es auch eine liturgische Erneuerung und Wiederentdeckung. Dazu gehört beispielsweise die Berneuchener Bewegung ("Michaelsbrüder") oder auch die Gesänge von Taizé.
Heute sind in vielen Kirchen die Liturgien, zumindest teilweise, im Kirchengesangbuch aufgeführt. Die katholische Kirche kennt das Brevier für die täglichen Andachten, in den Anglikanischen Kirchen gibt es das Book of Common Prayer
Liturgiewissenschaft und Rubrizistik
Die Liturgik oder Liturgiewissenschaft ("scientia liturgica") hat als Ziel, die liturgischen Handlungen geistig zu durchdringen, ihren Ursprung, ihre Geschichte, ihre Ursachen und ihre Bedeutung darzulegen. Die Rubrizistik oder Zeremonienlehre zielt darauf ab, die äußeren Zeremonien und Riten darzulegen und die Regeln zu erklären, nach denen die liturgischen Handlungen geschehen sollen. Diese Regeln werden Rubriken genannt, weil sie in den liturgischen Büchern nach alter Tradition meist in rot geschrieben sind.
Siehe auch
Ritual, Brauchtum, Liturgiereform, Leiturgie, Liste liturgischer Bücher