Walther von der Vogelweide
Walther von der Vogelweide (* um 1170 in Bayern oder Österreich, † um 1230, wahrscheinlich in Würzburg) war einer der bekanntesten deutschen Spruchdichter und Minnesänger.

Werk
Von ihm sind 500 Strophen in über 110 Tönen bzw. 90 Liedern und 150 Sprüche überliefert. Er hat auch einen religiösen Leich in einer langen Reihe ungleicher Strophen verfasst. Historisch ist er jedoch nur in einer einzigen urkundlichen Erwähnung fassbar, der Erwähnung eines Geldgeschenks für einen Pelzrock durch den Passauer Bischof Wolfger von Erla am 12. November 1203. Nach seiner Aussage lernte er am Babenberger Hof in Wien Dichten und höfisches Singen. Aus einem seiner Gedichte geht hervor, dass der Kaiser Friedrich II. ihm um 1220 ein Lehen in oder um Würzburg schenkte. Man nimmt an, dass es in oder um Würzburg gewesen sein könnte, weil der Würzburger Michael de Leone um 1350 berichtet, Walthers Grab sei in Würzburg in der Neumünsterkirche, und dabei eine Grabinschrift mitteilt, die er dort gesehen haben will; Walther selbst sagt nicht, wo sich das Lehen befand.
Walthers Ruhm – schon im 13. Jahrhundert gehört er zu den allerersten Vorbildern, später zu den zwölf alten Meistern der Meistersinger – basiert zu einem guten Teil auch auf seinen politischen Liedern (Spruchdichtung).
Trotz seiner Berühmtheit findet sich Walthers Name nicht in zeitgenössischen Aufzeichnungen, Ausnahme ist eine einzelne Erwähnung bei den Reisekosten des Passauer Bischofs Wolfger von Erla für den 12. November 1203 - "Walthero cantori de Vogelweide pro pellicio V solidos longos" ("Für Walther den Sänger von der Vogelweide fünf Taler für einen Pelzmantel"). Die Hauptquelle von Informationen über ihn sind seine eigenen Lieder und gelegentliche Erwähnungen durch andere Minnesänger. Anhand des Titels, den diese ihm beilegen (Herr), wird klar, dass er von adeliger Abstammung war; die Herkunftsangabe Vogelweide weist jedoch auch darauf hin, dass er nicht zum höheren Adel gehörte, der seine Namen von Burgen oder Dörfern nahm, sondern zum niederen Dienstadel (Ministerialen), der sich in Besitz und Position eigentlich nicht sehr von freien Bauern unterschied.
Leben
Sein Geburtsort ist bis heute umstritten. Von seinem Herkunftsnamen "von der Vogelweide" ist er kaum abzuleiten. Es gab im Mittelalter unzählbare sogenannte Vogelweiden bei Städten und Burgen, wo man Falken für die beliebte Falkenjagd fing und pflegte. Daraus muss man schließen, dass dem Sänger sein Name zunächst nicht in der überregionalen Kommunikation beigelegt wurde. (Andere hochadelige Personen und Dichter, die oft mit ihren Fürsten weit reisten, nannten sich eindeutig nach ihrem Besitz oder ihrem Herkunftsort.) Demnach war der Name zunächst wohl nur in einem engen regionalen Umfeld sinnvoll (weil es in der Umgebung nur eine einzige Vogelweide gab), oder er wurde immer schon vor allem als metaphorischer Übername verstanden. ("Künstlernamen" sind bei den Spruchdichtern des 12. und 13. Jahrhunderts das Übliche, Minnesänger dagegen waren ihresgleichen grundsätzlich unter ihrem Adelsnamen bekannt). Die Spekulationen, welche Vogelweide namensgebend gewesen sein könnte, sind seit dem 19. Jahrhundert bis heute nicht abgeklungen. Franz Pfeiffer nahm beispielsweise an, dass Walther im Wipptal in Tirol geboren wurde, wo es in der Nähe der Kleinstadt Sterzing einen Wald gibt, den man Vorder- und Hintervogelweide nennt. Dieser Herkunft würden weitere bekannte Fakten aus Walthers Leben nicht widersprechen. Tirol war damals die Heimat vieler bekannter Minnesänger, und der Hof in Wien war unter dem Babenberger Friedrich I. Herzog von Österreich zu einem Zentrum der Dichtung und Kunst geworden.
Hier lernte der junge Dichter seine Kunst vom angesehenen Meister Reinmar (dem Alten), dessen Tod er später in zweien seiner schönsten Gedichte betrauerte; im Herzog fand er seinen ersten Patron. Dieser glückliche Lebensabschnitt, während dem er die ansprechendsten seiner Liebesgedichte schrieb, endete mit dem Tod von Herzog Friedrich im Jahr 1198. Danach wanderte Walther von Hof zu Hof, sang für Unterkunft und Essen, und hoffte ständig, dass er einen Patron finden würde, der ihn von seinem unsteten Leben befreien würde. Seine Kritik an Menschen und Manieren trug nicht gerade dazu bei, ihn beliebt zu machen. Und selbst wenn die adligen Herrscher seine versteckten Andeutungen nicht verstanden, sorgten deren Untergebene dafür, dass sie den unbequemen Mahner schnell wieder loswurden.
Nachdem er einige Zeit am Hof des als Mäzen berühmten Landgrafen Hermann von Thüringen verbracht hat, warnt er andere Reisende vor einem längeren Aufenthalt dort. Und nachdem er drei Jahre am Hofe von Dietrich von Meißen (regierte von 1195-1221) verbracht hat, beschwert er sich, dass er für seine Dienste weder Geld noch Anerkennung erhalten hat. Walther vertrat bisweilen ungewöhnliche Ansichten. Diese bescherten ihm unabhängig von seiner Literatur eine historische Bedeutung. Nachdem durch den Tod von Heinrich VI. 1197 die Auseinanandersetzungen zwischen Reich und Papsttum eingeläutet wurden (siehe auch: Investiturstreit), ergriff Walther nachdrücklich Partei für die deutsche Unabhängigkeit und Einheit. Obwohl seine religiösen Gedichte zweifelsfrei die Festigkeit seines katholischen Glaubens zeigen, blieb er bis ans Ende seiner Tage ein erbitterter Gegner der Forderungen der Päpste, die er mit einer Erbittertheit angriff, die nur durch die Stärke seiner patriotischen Gefühle erklärt werden kann.
Er war bei der Krönung Philipps von Schwaben in Mainz anwesend, und unterstützte diesen in der Folgezeit. Nach Philipps Ermordung 1209 sprach und sang er als Unterstützer von Otto von Braunschweig gegen Friedrich von Staufen, der am 9. Dezember 1212 auf Betreiben des Papstes in Mainz ebenfalls zum deutschen König ernannt wurde. Erst spät wandte er sich Friedrich II. zu, der ab 1212 der einzige Repräsentant des deutschen Kaiserreichs gegen Papst und Fürsten war. Da die Fürsten, die Auftraggeber Walthers waren, häufig im Thronstreit die Seiten wechselten, war auch Walther gezwungen - da er im Dienste seiner Herren stand und finanziell von ihnen abhängig war - häufiger die Seiten zu wechseln.
Der neue Kaiser zeigte sich für Walthers Einsatz für das Reich erkenntlich und gab ihm ein kleines Lehen in Franken, das ihm (obwohl er sich darüber beschwerte, dass es nur einen geringen Wert hatte) endlich das Heim und die feste Position gab, die er sich sein Leben lang gewünscht hatte. Dass Friedrich ihm darüber hinaus noch mehr Wohlwollen signalisierte, indem er ihn zum Tutor seines Sohns (des späteren Heinrich (VII.)) machte, darf bezweifelt werden, da diese Vermutung auf einem einzigen Gedicht beruht, das auch anders interpretiert werden kann. Auf jeden Fall hielt es Walther zunächst nicht lang auf seinem neuen Eigentum.

Im Jahre 1217 befand er sich wieder in Wien, ebenso wie 1219, nachdem Herzog Leopold VI. vom Kreuzzug zurückkehrte. Etwa um 1224 scheint er sich auf seinem Lehen bei Würzburg niedergelassen zu haben. Er drängte die deutschen Prinzen dazu, am Kreuzzug von 1228 teilzunehmen, und hat die Kreuzzugsarmee wahrscheinlich bis mindestens in seine Heimat Tirol begleitet. In einem schönen und pathetischen Gedicht malt er die Änderungen aus, die über die Orte gekommen sind, an denen er seine Kindheit verbracht hat. Er starb etwa um 1230 und wurde wahrscheinlich in Würzburg begraben. Die Legende besagt, dass er verfügt haben soll, dass an seinem Grab täglich die Vögel gefüttert werden sollten. Über den Ort des Grabes und die lateinische Inschrift haben wir nur die Angaben des Würzburger Protonotars Michael de Leone (+ 1355), Auftraggeber für die Liederkompilation der Handschrift E. Er gibt das Epitaph wider (Pascua. qui volucrum. vivus. walthere. fuisti / Qui flos eloquij. qui palladis os. obiisti. / Ergo quod aureolum probitas tua possit habere. / Qui legit. hic. dicat. deus iustus miserere - Der du eine Weide für die Vögel, Walther, im Leben bist gewesen ...), was von der Teilübersetzung im Münchener 2° Cod. ms. 731 (Würzburger Liederhandschrift [E]), fol. 191v ergänzt wird: Her walter uon der uogelweide. begraben ze wirzeburg. zv dem Nuwemunster in dem grasehoue. Ein neu errichtetes Denkmal zur Erinnerung an Walther von der Vogelweide befindet sich am selben Ort im Grashof des Neumünster-Kreuzgangs, wo der Dichter vermutlich auf dem damaligen Friedhof nördlich der Neumünsterkirche bei der Stelle des ehemaligen Kreuzgangs im Jahr 1230 (in dem grasehoue) beerdigt wurde: Sepulto in ambitu novimonasterii herbipolensis - Begraben im Kreuzgang des Neuen Klosters zu Würzburg. Des Weiteren gibt es ein Denkmal des Dichters in Bozen, das 1877 enthüllt wurde.
Ein Beispiel: Under der linden
Das Gedicht Under der linden (L. 39,11) thematisiert die Nidere Minne, folglich Abkehr vom Ideal der Hohen Minne (sofern man der Chronologisierung des 19. Jahrhunderts folgt - die Entgegensetzung von hoher und niederer Minne ist zeitgenössisch nicht hinreichend belegt); diese Phase folgt auf eine längere des klassischen Minnesangs, in der Walther insbesondere als Konkurrent Reinmars des Alten – Reimars von Hagenau – auftritt.
Mittelhochdeutscher Text | Übersetzung |
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Under der linden an der heide
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Unter der Linde an der Heide wo unser beider Bette war dort könnt ihr finden beides, liebevoll zerdrückte Blumen und Gras vor dem Walde in einem Tal Tandaradei, Schön sang die Nachtigall.
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Weblinks
- Bibliotheca Augustana
- Projekt Gutenberg-DE
- Kommentierte Linksammlung
- Kurzreferat (Uni) zu Walthers Spruchdichtung (PDF)
- Walther von der Vogelweide - eine wissenschaftliche Untersuchung (PDF)
- Grabstelle des Walthers von der Vogelweide
Hörbeispiele
- interpretiert vom Salzburger Ensemble für Alte Musik Dulamans Vröudenton
Literatur
- Helmut Lomnitzer, Hans-Dieter Mück: Walther von der Vogelweide. Die gesamte Überlieferung der Texte und Melodien, (= Litterae 7), Göppingen 1977, ISBN 3-87452-136-2
Dieser Artikel enthält Material aus der 1911er Ausgabe der Encyclopedia Britannica.
Personendaten | |
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NAME | Walther von der Vogelweide |
KURZBESCHREIBUNG | einer der bekanntesten deutschen Spruchdichter und Minnesänger |
GEBURTSDATUM | um 1170 |
GEBURTSORT | Bayern oder Österreich |
STERBEDATUM | um 1230 |
STERBEORT | Würzburg |