Nachhaltigkeitswissenschaft
Nachhaltigkeitswissenschaft ist eine neue angewandte Wissenschaft, die sich mit der Forschung und Umsetzung von Nachhaltigkeit,nachhaltiger Entwicklung und Nachhaltigkeitsstrategien auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene und in Praxisfeldern (Unternehmen, Bildung, etc.) beschäftigt.
Internationales Anerkennung
Sie wurde im Jahr 2001 offiziell auf dem Kongress "Challenges of a Changing Earth" in Amsterdam durch die ICSU, dem International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP), dem International Human Dimensions Programme on Global Environmental Change (IHDP) und dem World Climate Research Programme (WCRP) die "Sustainability Science" eingeführt. Der deutsche Begriff Nachhaltigkeitswissenschaft ist eine Übersetzung des englischen Begriffs "Sustainability Science".
Agenda 21 und Wissenschaft
Bereits 1992 auf dem Erdgipfel wurde in der Agenda 21 (Kapitel 35) die Rolle der Wissenschaft im Dienst einer nachhaltigen Entwicklung skizziert (vgl. Stappen: 2000, S.259). Fast jedes der 40 Kapitel der Agenda 21 betont die Notwendigkeit der Mitwirkung der Wissenschaft für die Umsetzung der global-nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung wird, so kann hieraus gefolgert werden, ohne Unterstützung durch die Wissenschaft nicht oder nur bedingt möglich. Der Wissenschaft kommt für die Praxis der Nachhaltigkeit im Sinne der Praxis des Prinzips Verantwortung von Hans Jonas eine ganz entscheidende Rolle zu. Wissenschaft im Dienst nachhaltiger Entwicklung wird und kann dabei nicht durch kontinuierliche Veränderungen den neuen Anforderungen gerecht werden. Hiermit verbunden ist die Notwendigkeit für einen Paradigmenwechsel, auch im Sinne der Entwicklung neuer Wissenschaftsdiziplinen- wie z.B. dies in der International Academy of Science diskutiert wird. Die Sustainablility Science ist ein Ergebnis des lange geforderten Paradigmenwechsels - auch im Sinne von Thomas Kuhn. N
Nachhaltigkeitswissenschaft ist somit die Wissenschaft im Dienst nachhaltiger Entwicklung - wobei alle Wissenschaften Mitverantwortung für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung tragen.
Nachhaltigkeitswissenschaft
Aufgrund der bisherigen Diskussionen läßt sich folgender Grundkonsens festmachen:
- l. Bei der Nachhaltigkeitswissenschaft handelt es sich um eine normative Wissenschaft. Ein Ziel ist die wissenschaftliche Fundierung nachhaltigen Handelns (Agenda 21 : Kap.35.3a). Es gilt wissenschaftlich zu fundieren "was sein sollte". Ein frühes Beispiel (1996) hierfür ist die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland", die einen Versuch darstellt, nachhaltige Entwicklung wissenschaftlich-normativ zu fundieren.
- 2. Nachhaltigkeitwissenschaft ist multi- und transdisziplinär ausgerichtet. Nachhaltige Entwicklung übersteigt bei weitem das Potential einer einzelnen wissenschaftlichen Disziplin.
- 3. Nachhaltigkeitswissenschaft ist primär praktisch ausgerichtet, es geht um die Lösung existenzieller Probleme der Weltgesellschaft und des Lebenssystems Erde.
- 4. Nachhaltigkeitswissenschaft gründet auf der Verantwortung der Wissenschaft und des einzelnen Wissenschaftlers gegenüber zukünftiger Generationen und dem Lebenssystem Erde.
Ein frühes Beispiel für die Nachhaltigkeitswissenschaft ist die Studie Zukunftsfähiges Deutschland, die einen Versuch darstellt, nachhaltige Entwicklung wissenschaftlich-normativ zu fundieren. Aufgrund des Fehlens eines geeigneten wissenschaftlichen Rahmens wie der Nachhaltigkeitswissenschaft hat es hier nach der Veröffentlichung erhebliche Legitimationsprobleme gegeben.
Warum gibt es eine Nachhaltigkeitswissenschaft ?
Die Enstehung der Nachhaltigkeitswissenschaft ist nur von dem Hintergrund zu verstehen, dass Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (z.B. Klimaforscher, Ökologen, Geographen, Sozial- und Politikwissenschaftler, Physiker, etc.) - die sich mit der Global Change und Nachhaltigkeitsforschung wissenschaftlich beschäftigen, heute quasi "immer" gezwungen sind - Aussagen außerhalb ihres angestammenten Fachgrenzen zu treffen. Z.B. übertritt ein Klimaforscher bereits bei einer Aussage über Reduktionsziele oder Klimaschutzpolitik, etc. seinen wissenschaftsmethodisch abgesicherten Bereich. Für diese Grenzüberschreitung hatte er bis 2001 keine Legitimation, d.h. streng genommen waren seine Aussagen hierzu pseudowissenschaftlich. Trifft er dagegen seine Aussage als Klimafroscher und Nachhaltigkeitswissenschaftler, so hat er wieder festen Boden unter den Füssen.
Entstehungsgeschichte der Sustainability Science
Der folgende Text vom Forum on Science and Technology for Sustainability (Harvard University) gibt einen Einblick über die Enstehungsgeschichte der Sustainability Science".
"The world’s present development path is not sustainable. Efforts to meet the needs of a growing population in an interconnected but unequal and human-dominated world are undermining the Earth’s
essential life-support systems. ... Meeting fundamental human needs while preserving the life support systems of planet Earth will require a world-wide acceleration of today’s halting progress in a transition toward sustainability....
Above all, a response has begun to emerge from science itself and the growing recognition across many disciplines of the need for synthesis and integration – needs that are being reflected in many new multidisciplinary research efforts and institutions. These various scientific efforts to promote the goals of a sustainability transition – meeting human needs while preserving the life support systems of the earth – are leading to the emergence of a new field of sustainability science. (Quelle:Sustainability Science. Kates, Robert W. ,William C. Clark and al. 2001. Science 292: 641-2. http://sustsci.harvard.edu/keydocs/fulltext/2000-33.pdf)
Informationen im Web
Literatur
- Agius, E. (Editor): Our Responsibilites towards Future Generations. A Programme of Unesco and the International Environment Institute. Malta 1990
- Funtowicz, Sylvio, and Martin O'Connor, eds. 1999.Science for Sustainable Development. International Journal of Sustainable Development (Special Issue) 2(3). http://193.51.42.100/interjournals/ijsdcatal+contents/ijsdvol2/vol2(3)abs.htm
- Jonas, Hans: Prinzip Verantwortung. Frankfurt 1989
- Kates, Robert W. ,William C. Clark and al. 2001:Sustainability Science. Science 292: 641-2. http://sustsci.harvard.edu/keydocs/fulltext/2000-33.pd
- Stappen, Ralf K.: Wissenschaft und Agenda 21. Thesen zu einer Wissenschaft im Dienst nachhaltiger Entwicklung. Konferenz der International Academy of Science (IAS) In: Stadt Güstrow: Stadt-Umwelt Perspektiven zukunftsfähiger Regionen in Europa. Güstrow 2000.S.257 f.