Literarizität
Literarizität, nach dem Muster Profession/professionell/Professionalität gebildetes Substantiv zur Vervollständigung der Wortgruppe Literatur und literarisch.
Der Begriff (dem parallel konstruiert man zuweilen auch den Begriff "Poetizität" findet) trägt dem Umstand Rechnung, daß seit dem 19. Jahrhundert zwar der Bereich der sprachlichen Überlieferung die "Literatur" bildet, daß dabei jedoch nur ein kleiner Bereich "literarischer" Werke die eingehendere Würdigung der Literaturkritik findet - im wesentlichen: Werke die zuvor unter dem Wort Poesie firmierten und Romane.
Nach Roman Jakobson ist Literarizität (bei Jakobson: "das Literarische") eine besondere, sprachliche Eigenschaft von Texten, die poetische Texte gegenüber der Umgangs- oder Alltagssprache eindeutig abgrenzt. 'Poetisch' im weitesten Sinne ist 'bearbeite Sprache', eine solche, auf die gewisse wiedererkennbare Formalismen angewendet worden sind. Da diese Formalismen (beispielsweise Reim, Rhythmus, rhetorische Stilfiguren) selbst wiederum eine Art Sprache bilden, kann man Literatur als Sprache denken, die auf sich selbst angewendet wird. Bei Jakobson ist das Grundprinzip der Literarizität der Parallelismus, die Wiederholung phonetischer, semantischer und syntaktischer Elemente im Text. Weitere wichtige Eigenschaften von poetischen Texten können Kriterien wie Fiktionalität und ästhetische Qualität sein. Nach Jakobson ist ein Text ästhetisch, wenn seine referentielle Funktion aufgehoben ist und er sich auf sich selbst bezieht, indem Parallelismen auf semantischer, syntaktischer oder phonetischer Ebene für eine der anderen beiden Bereich funktional werden. Beispielsweise ist der Satz "Milch macht müde Männer munter" nicht aus referentieller Not heraus entstanden (hier hätte genügt zu sagen: "Milch ist gesund"), sondern die phonetische Alliteration weist den Text als einen solchen mit ästhetischer Funktion, in diesem Fall der Werbebotschaft aus.
Literarizität bezeichnet den literarischen Anspruch eines Wekes und kann, so das Theorem, stärker oder schwächer in einem Text ausgebildet sein. ("Über allen Gipfeln/ Ist Ruh", formuliert Goethe im bekannten Gedicht; man kann "Gebirgszüge" statt "Gipfel" setzen, und schon nimmt das Poetische, die "Literarizität" der Zeilen ab.) Texte hoher "Literarizität" könnten, so die Theorien, die dem Phänomen Regeln abzugewinnen suchen, markant von Umgangssprache durch eine besondere Komplexität geschieden sein, eine sich nicht sogleich erschließende Bedeutungstiefe, ein "uneigentliches Sprechen", eine auffällige Stilbestimmtheit, die Verwendung ausgewiesen "poetischer Sprache".
Siehe eingehender das Stichwort Literarisch