Kunst am Bau


Mit Kunst am Bau wird eine Verpflichtung insbesondere des Staates als Bauherrn verstanden, aus seinem baukulturellen Anspruch heraus einen gewissen Anteil – meist um die 1 % – der Baukosten öffentlicher Bauten für Kunstwerke zu verwenden. Diese Verpflichtung ist beim Bund und den Ländern in entsprechenden Regelungen festgeschrieben. Einige bedeutende Städte wie beispielsweise München (Programm Quivid) oder Dresden haben diese Verpflichtung auf kommunaler Ebene übernommen.
Unabhängig von dieser öffentlichen Zielsetzung fühlen sich auch manche private Bauherren der Kunst am Bau verpflichtet und realisieren entsprechende Projekte in und an ihren Verwaltungs- oder Geschäftsbauten; zu nennen sind beispielsweise die Norddeutsche Landesbank (NORD/LB) mit ihrem Verwaltungsbau in Hannover, die Allianz AG mit den Treptowers in Berlin oder etwa mfi Management für Immobilien AG in Essen mit seinen zahlreichen Einkaufszentren.
Die Kunst am Bau ist dauerhaft fest innen oder außen mit dem Bauwerk verbunden oder befindet sich im Freiraum auf dem dazugehörigen Grundstück. Ausnahmsweise kann sich Kunst am Bau auch im öffentlichen Raum im Umfeld des betreffenden Bauwerks befinden. Insofern besteht eine gewisse Schnittmenge zur Kunst im öffentlichen Raum. An sich lassen sich diese beiden Arten der öffentlich sichtbaren Kunst sehr genau differenzieren, teils sind die Übergänge jedoch fließend, da der Betrachter eine Zuordnung kaum vornehmen kann. Teilweise werden die beiden Begriffe auch synonym gebraucht.
Geschichte der Kunst am Bau

Die Anfänge der formellen Kunst-am-Bau-Regelungen gehen auf eine Initiative des Reichswirtschaftsverbandes bildender Künstler zurück. Der Verband berief sich auf Artikel 142 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919: „Kunst, Wissenschaft und Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“ Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage der Künstler nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Reichswirtschaftsverband neben anderen Maßnahmen angeregt, Künstler bei Bauprogrammen der Reichs- und Länderregierungen zu beteiligen. Dabei ging es der berufsständischen Vereinigung in erster Linie darum, die finanzielle Not der Künstler zu lindern. Daraufhin gab der preußische Minister des Innern den Erlass vom 28. Juni 1928 heraus, nach dem bildenden Künstlern „bei der Errichtung und Ausstattung staatlicher oder kommunaler Bauten mehr als bisher, unter besonderer Berücksichtigung der beschäftigungslosen und in Not geratenen bildenden Künstler, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu schaffen“ seien.
Im Dritten Reich wird die Forderung aus der Weimarer Republik erneut aufgegriffen und auf gesamtstaatlicher Ebene in einem neuen Erlass vom 22. Mai 1934 über die Beteiligung bildender Künstler und Handwerker an öffentlichen Bauten umgesetzt: In diesem Erlass wurde festgelegt, dass „bei allen Hochbauten des Reiches, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Körperschaften, bei denen Reich, Länder oder Gemeinden die Aktienmehrheit oder die Mehrheit der Geschäftsanteile besitzen, grundsätzlich ein angemessener Prozentsatz der Bausumme für die Erteilung von Aufträgen an bildende Künstler und Kunsthandwerker aufgewendet werden muss.“ (zit. nach Petsch, 1994:53). Für die Errichtung von Dienstleistungsbauten bedeutete dies häufig, dass nun volkstümliche Dekorationen anzubringen waren.[1]
Diese Regelung wurde aufgrund einer Empfehlung des Deutschen Städtetages auf der 30. Sitzung des Deutschen Bundestages im Jahre 1950 beibehalten. „Um die bildende Kunst zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht, bei allen Bauaufträgen (Neu- und Umbauten) des Bundes, soweit Charakter und Rahmen des Einzelbauvorhabens dies rechtfertigen, grundsätzlich einen Betrag von mindestens 1 Prozent der Bauauftragssumme für Werke bildender Künstler vorzusehen.“
Auch in der Deutschen Demokratischen Republik wurde im Jahr 1952 mit der „Anordnung über die künstlerische Ausgestaltung von Verwaltungsbauten“ vom 22. August 1952 eine entscheidende formelle Beziehung von bildender Kunst und Architektur geschaffen. Die Verordnung sah vor, Aufträge in Höhe von 1 bis 2 % der Planbaukosten an bildende und angewandte Künstler zu vergeben. Die Mittel waren meldepflichtig und nicht objektgebunden.

In Darmstadt fand im Jahr 1955 eine Ausstellung zum Thema „Kunst am Bau“ statt, zu der der Künstler Eberhard Schlotter mehrere großformatige Wandbilder schuf.
Erst bei dem vergrößertem Bauvolumen der 60er Jahre gewann die Regelung zur Kunst am Bau in der Bundesrepublik auch unter wirtschaftlichem Aspekt mehr Relevanz. Seitdem drängten auch neue Künstlergenerationen in dieses durchaus lukrative Arbeitsfeld. Zugleich forderten sie, frühzeitiger in die Planung einbezogen zu werden, öffentliche Diskurse zu führen und sich zur sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu bekennen. Der damit einhergehende Wandel der Kunstgattungen fand Eingang in aktuelle Verfahren der Kunst am Bau.
Die in sechs Punkten knapp formulierte „Richtlinie für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereichs der Finanzbauverwaltungen (RBBau), Abschnitt K 7“ gibt derzeit den formellen Rahmen für die künstlerische Ausgestaltung der meisten Bundesbauten vor. Darüber hinaus gibt es aber noch einige spezifische Arten von Hochbauten des Bundes, die nicht dieser Regelung unterliegen; beispielsweise Bauten der Bundesbank oder des Verteidigungsministeriums. Nach der K 7 sind bei Baumaßnahmen des Bundes Leistungen zur künstlerischen Ausgestaltung an bildende Künstler zu vergeben, soweit Zweck und Bedeutung der Baumaßnahme dieses rechtfertigen. Art und Umfang der künstlerischen Leistungen sind bereits bei der Aufstellung der Haushaltsunterlage-Bau festzulegen, so dass die künstlerische Idee in die weitere Bearbeitung einbezogen und bei der Bauausführung verwirklicht werden kann. Zum Verfahren legt die Richtlinie fest, dass bei bedeutenden Maßnahmen in der Regel Wettbewerbe durchzuführen sind.
Vor dem Hintergrund einer umfangreichen Analyse der Kunst am Bau bei Bundesbauten hat sich der Bund als Bauherr 2006 einen neuen Leitfaden für die Durchführung gegeben und darin auch wieder einen festen Anteil von je nach Baukostenklasse 0,5 bis 1,5 % der Baukosten (Kostengruppe 300/400) formuliert.
Aktualität und Besonderheit der Kunst am Bau

Kunst am Bau steht mit ihrer Verknüpfung zum Bauwerk und dem Baugrundstück in einem besonderen Spannungsfeld: Die baubezogene Einengung erschwert die freie künstlerische Auseinandersetzung, sie ist andererseits aber auch eine besondere Herausforderung. Im Zuge der aktuellen Architektur- und Baukulturdebatte scheint das Interesse an der Kunst am Bau bei Künstlern und in der Öffentlichkeit wieder stärker zu werden. Dies wirft die Frage auf, wie eine solche Entwicklung gestützt und die Kunst am Bau enger mit der allgemeinen Kunstdiskussion und -entwicklung verbunden werden kann. Derzeit dominieren nach den Fallbeispielen künstlerische Gattungen wie Plastik und Malerei in großen Formaten und in der Kunst bereits seit langem etablierte formale Ansätze. Dieser Befund einer umfassenden Untersuchung ergibt sich aus dem Angebot der näher betrachteten Wettbewerbsteilnehmer und spiegelt damit die gegebenen Möglichkeiten wider.
Nur sehr vereinzelt lassen sich Beispiele für Medienarbeiten, für zeitabhängige oder prozessuale Arbeiten aufzeigen oder für solche, die ihre Materialität in Frage stellen wie Lichtarbeiten oder akustische Beiträge. Wenn allerdings in Wettbewerben solche Arbeiten von den Künstlern angeboten werden, werden sie auch relativ häufig von den Preisgerichten zur Realisierung empfohlen.
Mit Kunst am Bau soll ein kultureller Mehrwert geschaffen werden, deswegen kann, sollte oder muss ein gewisser Anteil der Bauwerkskosten in ein oder besser mehrere Kunstwerke investiert werden, um die Kultur zu fördern. Zugleich dient diese Maßnahme der finanziellen Unterstützung der Kunst und Kultur, respektive der Künstler. In gewisser Weise wird dadurch das staatliche Mäzenatentum früherer Jahrhunderte recht anschaulich fortgeführt.
Bisher noch recht unbeleuchtet ist die Kunst an Verkehrsbauten, wie wir sie von Autobahnen beispielsweise aus Frankreich schon länger kennen. Es gibt die Forderung, auch diese meist staatlichen Bauten in die programmatische Förderung einzubeziehen. Insbesondere bei Kreisverkehrsflächen finden sich schon recht passende Beispiele. Im Kontext der Förderung der Baukultur ist hier eine zusätzliche Facette der Kunst am Bau durchaus zu erwarten.
Preis für Kunst am Bau
Kunst am Bau bleibt häufig unbeachtet und erhält zuweilen nicht die Bedeutung, die ihr an sich zukommen könnte. Vor diesem Hintergrund ist es beachtenswert, dass es seit 2002 einen "Preis für Kunst am Bau" gibt. Dieser hochkarätige Preis (Preissumme 50.000 Euro) wird von dem Unternehmen mfi Management für Immobilien AG jährlich ausgelobt. Eine Jury aus fünf Personen bewertet die jeweils über hundert Bewerbungen und wählt pro Jahr ein Kunstwerk aus. Erste Preisträger waren Bogumir Ecker (2002, Aliud, Zentrale Polizeitechnische Dienste NRW, Düsseldorf), Lothar Baumgarten (2003, Bundespräsidialamt Berlin), Olafur Eliasson (2004, Umschreibung, KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft AG, München), Franz Ackermann (2005, Die große Reise, U-Bahnstation Georg-Brauchle-Ring, München), Dagmar Schmidt (2006, Grabungsstaedte, Halle/Saale) und Michael Beutler (2007, Pagodenturm, Lufthansa-Hauptverwaltung, Frankfurt).
Während bei diesem für die Kunst am Bau so wichtigen Preis in den ersten Jahren eher typische Werke in oder an repräsentativen Bauten ausgezeichnet wurden, beispielsweise die Majolica im Bundespräsidialamt in Berlin (Lothar Baumgarten), hat die Jury bei ihrer Auswahl 2006 mit der Bodenskulptur von Dagmar Schmidt in Halles randständiger Wohnsiedlung Silberhöhe eine Arbeit ausgezeichnet, die in innovativer Art die Grenze zwischen Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum anders beleuchtet. Zudem wurde erstmalig ein Kunstwerk in einer Wohnsiedlung und damit im Lebensumfeld vieler Menschen in den Mittelpunkt gestellt.
Literatur
- Beate Mielsch: „Die historischen Hintergründe der 'Kunst-am-Bau'-Regelung“, in: Volker Plagemann (Hg.): „Kunst im öffentlichen Raum. Anstöße der 80er Jahre“, Köln 1989, S. 21-44.
- Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (Hrsg.): „ProKunsT 4 - Steuern-Verträge-Versicherungen, Handbuch für bildende Künstlerinnen und Künstler“, Bonn 2006 (250 Seiten - mit detaillierten Informationen zum Thema Kunst am Bau: Wettbewerbe, juristische Aspekte, Denkmalschutz, Ausschreibungen, Projektplanung, Vertragsentwuerfe etc.)
- Ronald Kunze: "Kunst am Bau in Karlsruhe und Hannover. Zwei Bauherren – zwei gelungene Verfahren" in: Deutsches Architektenblatt 9/2004, S. 20-22
- Ronald Kunze, Johannes Stahl, Dagmar Schmidt: "Kunst und Architektur bei Bundesbauten". Endbericht Forschungsprojekt BMVBS. 123 Seiten mit Tabellen, Dokumentationen und Bildarchiv. Halle/Hannover/Köln 2005
- Ronald Kunze: "Stadt, Umbau, Kunst: Sofas und Badewannen aus Beton" in: STADTundRAUM, H. 2/2006, S. 62-65
Weblinks
- Deutscher Bundestag: Hintergrund der Förderung von Kunst an Bau
- Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
- Leitfaden "Kunst am Bau" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
- mfi Preis Kunst am Bau
Einzelnachweise
- ↑ Winfried Nerdinger: Bauen im Nationalsozialismus. Bayern 1933-1945. München, Architekturmuseum der TU 1993.