Zum Inhalt springen

Medizinischer Blutegel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Dezember 2005 um 16:12 Uhr durch 84.139.119.25 (Diskussion) (Verbreiung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Egel
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Superphylum: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Lophotrochozoen (Lophotrochozoa)
Vorlage:Phylum: Ringelwürmer (Annelida)
Klasse: Hirudinida
Unterklasse: Egel
Wissenschaftlicher Name
Hirudinea
Lamarck 1818
Vorlage:Ordoen
  • Acanthobdellida
  • Arhynchobdellida
  • Rhynchobdellida
  • Gnathobdellidae

Die Egel (Hirudinea) gehören zur Klasse der Gürtelwürmer und damit zu den Ringelwürmern. Der bekannteste Vertreter unter ihnen ist der medizinische Blutegel (zool. Hirudo medicinalis), der schon seit Jahrhunderten bei der Blutegelbehandlung in der Medizin zum Einsatz kommt. Egel kommen in vier Ordnungen mit mehr als 500 Arten vor. Sie sind primär Ektoparasiten, es gibt aber auch räuberische Arten.

Verbreitung

Blutegel sind auf der ganzen Welt verbreitet, leben aber überwiegend im Wasser, die meisten im Süßwasser, nur wenige im Brackwasser und im Meer. Sie sind gute Schwimmer und benötigen sauberes Wasser als Lebensraum. Außerhalb des Wassers bewegt sich der Blutegel mit Hilfe von zwei Saugnäpfen an den Körperenden schreitend fort. Landegel findet man vor allem in den tropischen Wäldern.

Durch den übertriebenen Einsatz medizinischer Blutegel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Blutegelbestände vielerorts radikal dezimiert. Allein Frankreich importierte zwischen 1827 und 1838 etwa 350 Millionen Blutegel. In England und Deutschland sahen die Zahlen ähnlich aus. Mittlerweile sind medizinische Blutegel in Europa nur noch in wenigen Gebieten in ihrer natürlichen Umgebung zu finden und stehen beispielsweise in Deutschland unter Naturschutz.

Der Bedarf an medizinischen Blutegeln wird seither durch Zuchtstationen gedeckt (Bezugsquellen s. Weblinks).

Merkmale

Egel sind sehr abgeleitete Ringelwürmer. Die inneren Segmentgrenzen sind aufgelöst und äußerlich wegen einer Sekundärringelung auch nicht erkennbar. Egel haben eine feste Anzahl von Segmenten, nämlich 32 (Acanthobdella hat nur 29). Das hängt mit dem hinteren Saugnapf zusammen, denn nachdem er gebildet worden ist, können keine weiteren Segmente gebildet werden. Die Saugnäpfe sind Zusammenschlüsse von mehreren Segmenten, sie sind sehr muskulös und drüsenreich. Die Coelomsäcke, die bei Ringelwürmern in jedem Segment vorkommen, sind fast ganz reduziert. Übrig bleibt nur ein Kanalsystem. Der Darm bildet große Blindsäcke aus, in denen Blut gespeichert und verdaut wird. Das deutliche Zeichen der Gürtelwürmer, das Clitellum, ist nur während der Fortpflanzung zu sehen.

Blutegel (schematisch): (a) Kopf des Blutegels mit aufgeschnittener Mundhöhle, K die drei Kiefer; (b) eine Kieferplatte mit ihren Zähnen am Rand

Erwachsene Tiere sind ausgestreckt bis zu 15 cm lang und bei hellem Licht ist eine Rückenzeichnung zu erkennen. Der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) hat eine bräunliche bis olivgrüne Farbe, rötliche Streifen auf dem Rücken und schwarze Flecken auf dem Bauch. Der Ungarische Blutegel (Hirudo verbana) besitzt jedoch einen grünen Bauch.

Blutegel sind langlebig: Sie werden erst mit drei Jahren geschlechtsreif und werden über 30 Jahre alt.

Ernährung

Wie der Name schon andeutet ernähren sich Blutegel von Tierblut. Der Blutegel dickt bereits während einer "Mahlzeit" das gesaugte Blut ein, das Wasser wird über die Haut ausgeschieden. Das gesaugte Blut wird im Körper des Egels mit Hilfe von Bakterien konserviert und reicht für ein bis zwei Jahre, in denen der Blutegel keine Nahrung mehr aufnehmen muss.

Blutegel saugen sich an der Haut von Säugetieren fest, um dann meist schmerzfrei die Haut zu durchbeißen. Mit ihren Beißwerkzeugen durchdringen sie selbst dickes Rinderfell in wenigen Sekunden. Anschließend kann ein Egel in etwa 30 Minuten bis zum Fünffachen seines Körpergewichts an Blut zu saugen. Dabei sondert er über den Speichel etwa 20 verschiedene Substanzen in die Wunde ab, darunter die Blutgerinnungshemmer Heparin und Hirudin - aus diesen Stoffen ergibt sich auch die medizinische Heilwirkung des Blutegels - und auch Stoffe, die Entzündungen bekämpfen und Schmerzen lindern können. Allerdings ist die exakte Wirkung aller anderen Stoffe noch nicht bekannt. Nach Erreichen der Sättigung fällt der Blutegel von selbst von seinem Opfer ab.

Lebenszyklus

Obwohl Blutegel Zwitter sind, benötigen sie einerseits einen Partner und andererseits Säugetierblut, um sich fortzupflanzen. Nach der Paarung werden bis zu 20 Eier außerhalb vom Wasser abgelegt und in Kokons eingesponnen. Nach dem Schlüpfen ernähren sich die jungen Egel von kleinen Wirbellosen, die sie fressen oder aussaugen, sie saugen jedoch auch an Fröschen.

Medizinischer Nutzen

Blutegel in einem Biberteich in Ontario

Durch die injizierten Stoffe vermag der medizinische Blutegel bei einer Vielzahl von Krankheiten Positives zu bewirken. Vieles ist leider wieder in Vergessenheit geraten, so dass heutzutage teilweise auch wieder experimentell versucht wird, mit Blutegeln zu behandeln.

Für die Herstellung von Sportsalben, welche Hirudin als Wirkstoff verwenden, werden Blutegel benötigt.

Eine Behandlung ist bei folgenden Beschwerden sinnvoll: Blutgerinsel und Blutergüssen, Krampfadern, Venenentzündungen, Gefäßverkalkungen, Rheuma und Gelenkabnutzungen (wie Arthrosen), Muskelkrämpfen, Zerrungen und Verstauchungen, Rücken- und Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden und Ohrgeräuschen.

Auf keinen Fall sollte der Blutegel abgenommen werden, bevor er von allein loslässt, denn man riskiert sonst Infektionen durch das Erbrechen des Egels in die Bisswunde!

Rechtliches

Der medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) steht in Deutschland unter Naturschutz.

Literatur

  • Ingo Wilhelm Müller: Handbuch der Blutegeltherapie: Theorie und Praxis, Heidelberg:Haug,2000, ISBN 3-8304-7016-9
  • Claudia Moser, Carla Moser: So hilft Ihnen die Blutegel-Therapie, Moser/Moser.-Stuttgart: Haug in Medizinverlage Stuttgart, 2002, ISBN 3-8304-2072-2
  • Peter Pukownik: Blutegel-Therapie: Den Körper entgiften, Südwest, ISBN 3-517-01656-X
  • Fritz Jauker, Wolfgang Clauss: Blutsauger in der Forschung. Biologie in unserer Zeit 33(1), S. 29 - 35 (2003), ISSN 0045-205X