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Linga

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Das Linga oder Lingam (Sanskrit. n., लिङ्ग, liṅga, wörtl.: Zeichen, Symbol) ist das anikonische Symbol der Hindu-Gottheit Shiva.

Shiva Linga

Die Wissenschaft assoziiert den Shiva-Linga gewöhnlich mit der männlichen Schöpferkraft des Shiva und interpretiert ihn als Phallussymbol; im westlichen Neotantra wird der Begriff sogar synonym zu „Penis“ gebraucht. Allerdings ist unter Religionwissenschaftlern umstritten, ob hier nicht eher die Symbolik eines vor-hinduistischen Steinkultes hineinwirkt, der Linga also nicht in erster Linie ein Phallus, sondern eben ein Stein ist.

Zwar steht in einigen tantrischen Richtungen des Hinduismus die Elternschaft des Göttlichen, die damit verbundene Schöpferkaft und so auch Sexualität an zentraler Stelle. Jedoch verehren Hindus ein Linga nicht im Bewusstsein, Shivas erigierten Penis vor sich zu haben: Shivaitische Schriften betonen immer wieder die Formlosigkeit des Göttlichen und daher wird Shiva von seinen Gläubigen selten in anthropomorpher Form, sondern hauptsächlich in seinem Emblem, so die wörtliche Übersetzung für Linga, verehrt. In manchen Geschichten stellt Shiva eine Feuersäule dar, aus der heraus er erscheint.

Man findet verschiedene Arten von Lingas, etwa in der Natur entstandene aus Gestein, Felsenformationen oder Eissäulen, oft meterhohe – und handwerklich gefertigte, verschieden groß in verschiedenen Ausführungen und Materialien.

Es gibt den zylindrischen oder säulenartigen Svayambhu Lingam (alleinstehend, wörtl.: „selbstseiend“) und den dreiteiligen Linga mit einer Art Sockel. In Tempeln findet man meist den dreiteiligen, eine Kombination von Linga und der Yoni, die den oberen Teil des Sockels bildet. Die Yoni wird oft als weibliches Prinzip des Göttlichen verstanden und, als Gegenstück zum vermeintlich phallusartigen Linga, als weibliches Geschlecht interpretiert.

Wie für alle Symbolik im Hinduismus gilt auch hier, dass keine Erklärung für alle Gläubigen gleichermaßen gültig ist. Mit dieser Frage setzen sich die verschiedenen „heiligen Schriften“ auseinander, die Puranas ebenso wie Schriften der tantrischen Philosophie.

Eine weitere Einteilung unterscheidet zwischen Acala-Lingas, die fix auf einem Platz stehen und den mobilen Cala-Lingas. Letztere können im Haustempel stehen oder sogar – kurzfristig hergestellt, etwa aus Sand oder Ton – nach dem Ritus wieder zerstört werden.

Acala-Lingas aus Stein, die man im Tempel installiert, bestehen aus drei Teilen: Das obere, zylindrisch geformte Drittel ist Rudra-Bhaga und diesem Teil gilt die Verehrung. Der Rudra-Bhaga steht für Shiva in seinem zerstörerischen Aspekt. Der mittlere, achteckige Teil, Vishnu-Bhaga, repräsentiert das erhaltende Prinzip wogegen der viereckige untere, Brahma-Bhaga, die schöpferische Kraft darstellt. Die beiden unteren Teile bilden den Sockel.

Hindus sehen im Lingam nicht nur die schöpferische, sondern ebenso die erhaltende und zerstörende Kraft Shivas.

Priester bei Shivapuja

Im Ritus werden „reine“ Substanzen wie Ghi, Sandelholzöl, Milch oder Wasser über das Linga gegossen und über das Sammelbecken der Yoni in eine Schale geleitet. Diese rituell reinen Substanzen sind Prasad, „göttliche“ reine Nahrung und werden an die Gläubigen verteilt zu deren Segnung.

Unterschiedlichen Volksüberlieferungen zufolge gibt es in Indien etwa sieben bis zwölf wichtige Naturheiligtümer, in denen jeweils ein von der Natur geformter Linga steht, wie etwa in einer Höhle in Amarnath im Himalaya, wo in bestimmten Zyklen sich eine Eissäule bildet und wieder schwindet. Diese Plätze sind populäre Wallfahrtszentren. Die heiligsten Plätze der Shivaiten, die Jyotirlingas, sind über ganz Indien verstreut.

Nach archäologischen Funden wurde Shiva bereits in vorvedischer Zeit in seiner anikonischen Form als Lingam verehrt. Parallel kommen die möglicherweise frühere Form des naturalistischen Kultbildes (Phallus mit angedeuteter Eichel) und die eingesichtigen Lingas (mit angesetztem Kopf) vor.

Interessant ist, wie die ersten protestantischen Missionare aus Deutschland Linga in Indien wahrnahmen und den Daheimgebliebenen beschrieben. In den Halleschen Berichten aus Tranquebar äusserte man sich 1714 wie folgt:

„Lingum ist unter ihnen eine Figur, die das membrum virile und faemininum praesentiret, so sie (welches schändlich) als etwas göttliches verehren. Denn solches Lingum stehet in dem allerinnersten Gemache der Pagoden von steinen ausgehauen, welches die Bramanen täglich mit Opfern und vielen Anbetungs-Ceremonien verehren. Nachmals stehet solches Lingum auch öffters in freyen Oertern oder Häyen; welches auch aus Quadrat Steinen gehauen ist. Einige aber haben solches gantz klein aus Stein oder Crystall gemacht, und tragen solches stets um sich, entweder in Haaren auf dem Kopfe, oder am Halse in ein Tüchlein eingehült.“ (aus: Bartholomäus Ziegenbalg: „Die vierzehnte Continuation“, Halle, 1715)

Siehe auch

  • Yoni für das weibliche Geschlechtsteil

Quelle

Swami Harshananda: Hindu Gods and Goddesses, Ramakrishna Math, Madras, ISBN 81-7120-110-5