ÖBB 4090
Die Baureihe 4090 der ÖBB ist ein elektrischer Schmalspur-Triebwagen, welcher für die Mariazellerbahn (MzB) gebaut und auf Grund deren einzigartigen Stromsystems ausschließlich dort eingesetzt wird.
Geschichte
Über 80 Jahre haben die Lokomotiven der Reihe 1099 alle Züge auf der Mariazellerbahn befördert, doch Mitte der Neuziger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es dringend an der Zeit, sie durch eine neue Generation von Fahrzeugen zu ersetzen. Man beschloss, vom bewährten Lok und Wagen-Konzept abzukehren und statt dessen Triebwagen einzuführen. Es wurden insgesamt sieben Fahrzeuge, und zwar je drei Trieb- und Zwischenwagen sowie einen Steuerwagen beschafft. Mit diesen Fahrzeugen wurden zwei unterschiedliche Garnituren gebildet. Für die Gesamtstrecke war eine vierteilige Garnitur mit zwei Triebköpfen an jedem Ende und zwei Zwischenwagen in der Mitte vorgesehen, während die restlichen Fahrzeuge eine dreiteilige Garnitur für den Verkehr auf der Talstrecke bis Laubenbachmühle bilden sollten.
Kontroverse um Fahrzeugbeschaffung
Doch standen die neuen Fahrzeuge schon lange vor deren Ablieferung im Kreuzfeuer der Kritik. Kritiker befürchteten zum Beispiel, dass sie, da breiter, gar in den Tunnels stecken bleiben würden. Auch die Oberleitung sollte nicht geeignet sein, man müsse also die ganze MzB für den Einsatz der Triebwagen mehr oder weniger neu errichten.
In der Tat sind die Triebwagen breiter als die alten Wagen, und zwar 2,65 anstatt 2,50 Meter. Man folgte zu diesem Zeitpunkt einem international üblichen Trend, die Fahrzeuge auf Sitzhöhe breiter und dafür im Dachbereich schmäler zu bauen. Auf diese Weise erreicht man eine größere Sitzbreite, beziehungsweise konnte man in diesem Fall vier Sitze nebeneinander anordnen, während in einem Wagen üblicher Breite bei den heutigen Ansprüchen an den Komfort lediglich drei Sitze nebeneinander anzuordnen gewesen wären. Die Verbreiterung war also eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Allerdings wusste man schon fünf Jahre vor der Ablieferung um die Profilsituation Bescheid, denn bereits im Jahre 1989 baute man eine Profillehre, mit der man die gesamte Strecke befuhr. Schon seit damals war bekannt, dass die Wagen problemlos durch die Tunnel passen würden, lediglich im Bereich des Stromabnehmers waren geringfügige Abschrämmungen erforderlich, weiters musste in der Tat die Oberleitung angepasst werden. Das hat allerdings nichts mit der Breite der Fahrzeuge zu tun, sondern liegt in deren weicheren Federung begründet. Dadurch wankt das Fahrzeug mehr als die alten 1099, was wiederum ein breiteres Schleifstück erforderte. Aber auch das war schon zuvor bekannt, hätte man die erforderlichen Arbeiten allerdings auch noch rechtzeitig ausgeführt, hätte man sich wohl so manche Kritik erspart.
Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass auf einer normalspurigen Lok der Reihe 1014 mit Erfolg eine seitlich verschiebbare Stromabnehmerpalette erprobt wurde, um sich die Umbauten an der Oberleitung zu ersparen.
Die Triebwagen passten also problemlos durch die Tunnel, und auch Aussteigen aus einem liegen gebliebenen Zug war weit gehend problemlos möglich. Dennoch wurde dafür vorgesorgt, dass der Zug im Tunnel erst gar nicht zum Stillstand kommen kann, denn er besitzt eine Notbremsüberbrückung, welche es ermöglicht, dass der Zug auch bei gezogener Notbremse weiterfahren und den Tunnel verlassen kann.
Theoretisch konnten die Züge die Strecke also befahren, praktisch sollte es allerdings noch geraume Zeit dauern, bis sie tatsächlich in Betrieb genommen werden konnten. Heute muss ein Hersteller ein neues Fahrzeug betriebsbereit und zugelassen an den Betreiber übergeben, er muss sich also selber darum kümmern, dass ein Fahrzeug auch fährt, doch das war nicht immer so. In früheren Jahren mussten die Bahnverwaltungen die Fahrzeuge selbst in Betrieb setzen, natürlich mit Unterstützung durch den Hersteller, aber von betriebstauglich war da nicht immer gleich die Rede. Dazu kam, dass der 4090 sehr viele neu entwickelte Komponenten und Systeme enthält, die in dieser Form in anderen Triebfahrzeugen erst viel später eingebaut wurden. So ergaben sich jede Menge Probleme, welche erst nach geraumer Zeit zufrieden stellend gelöst werden konnten. Dazu kam noch, dass sich eigentlich schon zur Zeit der Ablieferung abzeichnete, dass eine Anschlussbestellung eher nicht zu erwarten war. In solchen Situationen zeigte sich in der Vergangenheit schon des öfteren, dass die Hersteller kein besonderes Interesse mehr an solchen Fahrzeugen hatten, und es Sache des Betreibers war, sie zur Serienreife zu entwickeln. So haftete den Fahrzeugen der grundsätzliche Mangel von Prototypen an, dass sie lange und oft abgestellt sind, weil sie auf neue und verbesserte Teile warten müssen. Ein kleiner Schaden, der bei einem Fahrzeug aus großer Serie einfach durch Austausch des schadhaften Teiles behoben werden kann, wird hier zum Problem, weil die Lagerhaltung von Ersatzteilen wirtschaftlich nicht vertretbar ist.
Zulassung und Einsatz
Die Fahrzeuge wurden alle im Laufe des Jahres 1995 für den Verkehr zugelassen. Interessant erscheint die Tatsache, dass sie ursprünglich für 80 km/h ausgelegt und auch entsprechend mit 88 km/h (Höchstgeschwindigkeit plus 10 Prozent Überschreitung) bei hinreichender Laufruhe probegefahren wurden. Dennoch erfolgte eine Zulassung nur für 70 km/h, während im Planbetrieb lediglich mit maximal 60 km/h gefahren wird. 70 km/h bleiben vorläufig der Pinzgaubahn vorbehalten.
Schließlich hatte man nach vielen Anlaufschwierigkeiten die Probleme doch einigermaßen im Griff, und die Triebwagen fuhren mehr oder weniger regelmäßig im Planbetrieb. Sie wurden vom Publikum auch gerne angenommen, was nicht nur wegen der breiteren und bequemeren Sitze, sondern auch wegen des geräumigen Einstieges nicht weiter verwundert. Lediglich die aus Sicherheitsgründen, wegen der Breite der Fahrzeuge, nur einen Spalt zu öffnenden Fenster erfreuen sich auf dieser Panoramastrecke nicht allgemeiner Beliebtheit, und auch die längs montierten Gepäckträger verursachten schon so manchem groß gewachsenen Reisenden Kopfschmerzen.
Allerdings währte der Einsatz beider Garnituren nicht allzu lange, weshalb immer wieder die Stellung von Ersatzgarnituren mit Lok und Wagen, später mit Dieseltriebwagen der Reihe 5090 erforderlich war. Schließlich passte man den Umlaufplan an die tatsächlichen Gegebenheiten an, man fährt nur noch einen Plantag. Eine Zeitlang überlegte man auch den Umbau eines Triebwagens in einen Steuerwagen, um den Mangel an Ersatzteilen zu mindern. Auf diese Weise hätte man zwei dreiteilige Garnituren erhalten, doch wurde dieser Plan nicht verwirklicht, vielmehr wurden alle drei Triebwagen repariert.
Nach einem schweren Getriebeschaden im Sommer 2001 musste der 4090.003 abgestellt werden, nachdem er nur noch per Kran und Straßentieflader vom Schadensort abtransportiert werden konnte. Erst nach fast zwei Jahren konnte er wieder in Betrieb genommen werden. Da er vorerst in der dreiteiligen Garnitur den Steuerwagen ersetzte, fuhr diese eine Weile mit zwei Triebköpfen, was ihr den Beinamen "Turbo-4090" einbrachte.
Mitte Mai 2004 wurde aber auch der zweite Zwischenwagen wieder eingereiht und der vierteilige Triebzug, für manche sicherlich unerwartet, wieder eingesetzt, noch dazu in seiner angestammten Zusammensetzung mit den Triebköpfen 4090.002 und 003 und den Zwischenwagen 7090.002 und 003.
Im derzeitigen Umlauf (Stand Sommer 2005) ist nur der Einsatz einer Garnitur vorgesehen. Dies ist notwendig, da nach wie vor nicht alle Fahrzeuge voll einsatzfähig sind. Für die Zukunft ist der Umbau zweier Zwischenwagen in Steuerwagen angedacht. Auf diese Weise entstünden aus dem vierteiligen zwei zweiteilige Triebzüge, welche flexibler einsetzbar wären und den Einsatz der Reihe 5090 auf der Bergstrecke entbehrlich machen könnten. Eine diesbezügliche Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen.
In letzter Zeit hat sich die Zuverlässigkeit der Reihe 4090 doch halbwegs zum Besseren gewandt, vor allem seit Spannungsschwankungen in der Fahrleitung weit gehend vermieden werden können. Daher ist zu erwarten, dass die Triebwagen lange Jahre nach ihrer Indienststellung die in sie gesetzten Erwartungen werden erfüllen können.