Max Blunck
Max Blunck (* um 1888; † 1957) war ein deutscher Rechtsanwalt, der im Zuge der Gleichschaltung der Kösener Corps mit damals etwa 28.000 Mitgliedern zum Führer des KSCV bestellt wurde.
Leben
Max Blunck studierte ab 1907 Rechtswissenschaften an der Universität Jena und wurde dort Mitglied des Corps Franconia.[1] Er promovierte zum Dr. jur. Die Referendarzeit leistete er im Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg ab und wurde danach als Anwalt in Hamburg tätig. In der Zeit der Weimarer Republik war er zunächst Mitglied der nationalliberalen Deutschen Volkspartei, aus der er im Dezember 1930 austrat, um sogleich mit einem direkt an Hitler persönlich gerichteten Aufnahmegesuch Mitglied der NSDAP zu werden. Er trat jedoch bis 1933 nicht in gehobenen Parteiämtern in Erscheinung.
Der ordentliche Kösener Congress an Pfingsten 1933, der die Gleichschaltung und Übernahme des Führerprinzips einleiten sollte, brachte den nach dem Subsidaritätsprinzip organisierten KSCV an den Rand der Handlungsunfähigkeit.[2] Am Rande dieses Congresses wurde daher der überzeugte Nationalsozialist Blunck vom Vorort des KSCV und vom Gesamtausschuß des Verbandes Alter Corpsstudenten (VAC) zum „Führer des deutschen Corpsstudententums“ bestellt. Am 1. Juni 1933 hatte man in Berlin mit dem Beauftragten des Führers der NSDAP, dem Staatssekretär und Leiter der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers, Rücksprache gehalten.[3][4] Die für denselben Tag geplanten Plenarsitzungen des Verbandes wurden abgesagt.[5] Damit wurden kontroverse Diskussionen über heikle Tagesordnungspunkte vermieden: Aufhebung des Toleranzprinzips, Arierfrage, Umgang mit dem Allgemeinen Deutschen Waffenring (ADW) und dem NSDStB. Zugleich wurde die im Raum stehende Bestellung von Gauleiter Helmuth Brückner (Corps Marcomannia Breslau) zum Führer des Verbandes umgangen.
Im Anschluss kamen diejenigen Corpstudenten zusammen, die auch Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Massenorganisationen waren. In dieser Sitzung wurde der Machtkampf zwischen dem bürgerlichen „NSDAP-Wirtschaftsflügel“ und dem „SA/SS-Flügel“ um die Führung des Verbandes fortgesetzt. Blunck konnte sich gegen die Anwürfe der „ausgebremsten“ Fraktion durchsetzen, die der von der Reichsleitung beauftragte Referendar und SS-Sturmführer Wilhelm Benedikt Biermann führte.[6]
Aus Sicht des damaligen KSCV war damit unter dem neuen Führer Blunck eine gemäßigte Form der Gleichschaltung gelungen. Blunck gab am 10. Juli 1933 die Aufhebung des Toleranzprinzips durch eine Neufassung des § 43 der Kösener Statuten bekannt und erklärte den Wiederbeitritt zum ADW, den der KSCV 1932 aus politischen Gründen verlassen hatte.[7] Mit insgesamt 23 Rundschreiben in den ersten sechs Monaten nach seiner Amtseinsetzung brachte Blunck den KSCV mit autoritären Vorgaben auf den „neuen“ Kurs.[8]
In den folgenden zwei Jahren driftete jedoch die gesamte Studentenschaft mit der Gesellschaft weiter in den Nationalsozialismus und seine Organisationsstrukturen ab. Im Vergleich zu den meisten anderen Korporationsverbänden „steuerten“ die Kösener Verbände unter Blunck zunächst einen gemäßigten Kurs; im zunehmend nationalsozialistisch politisierten ADW stieß dieser aber auf Kritik. Im Dezember 1934 gründeten die anderen verbindungsstudentischen Verbände einen eigenen Völkischen Waffenring. Dieser Abspaltung sollten laut Gründungserklärung „nur solche Verbände angehören, die in ihren Gliederungen weder Judenstämmlinge, jüdisch Versippte noch Angehörige von Logen, Orden oder ihren Nachfolgeorganisationen dulden“. Der Völkische Waffenring bestand nur bis April 1935.
Die Verbände mit einer weniger restriktiven Haltung (KSCV, Deutsche Landsmannschaft, Miltenberger Ring) konterten am 12. Januar 1935 mit der Gründung der Gemeinschaft studentischer Verbände. Geführt von Staatssekretär Hans Heinrich Lammers, wurde sie vom NSDStB als Gesamtvertretung der studentischen Verbände anerkannt. Damit war der ADW (aber auch der Völkische Waffenring) wieder „entpolitisiert“. Er kümmerte sich nur noch um Fechtfragen.
Stolz schrieb Blunck am 27. März 1935 dem Schriftsteller Erwin Guido Kolbenheyer (Corps Symposion Wien), den er als Festredner für den Kösener Congress 1935 gewinnen wollte: „Das Kösener Corpsstudententum hat sich an führender Stelle eingesetzt für die Erhaltung des deutschen Waffenstudententums und seine Gestaltung als ein wertvolles Instrument nationalsozialistischer Erziehung in der Hand unseres Führers. Wir können sagen, dass ein Erfolg war und ist die Gemeinschaft Studentischer Verbände, die unter unserer Führung ins Leben gerufen wurde und die Anerkennung der Partei gefunden hat.“[9] Polemisch wurde dieser Kurs von seiten der „vollnationalsozialistischen“ Korporationsverbände als eine „scheinnationalsozialistische“ Ausrichtung des KSCV kritisiert.[10]
Auch die Auseinandersetzungen mit dem NSDStB und den von ihm kontrollierten Kameradschaften nahmen seit 1933 an Schärfe zu. So kam es 1934 an der Universität Göttingen zwischen Korporierten und Nazis zu Straßenschlachten, die als Göttinger Krawalle bekannt wurden.
Die Entwicklung spitzte sich im Sommersemester 1935 mit dem Heidelberger Spargelessen und Hanns Martin Schleyers (Corps Suevia Heidelberg) Corpsaustritt bei Suevia zu. Schleyers Begründung in einem offenen Brief an Blunck[11] belegt das exemplarisch am Beispiel des Hochschulortes Heidelberg.[12]
Staatssekretär Lammers war im September 1933 (nach der Gleichschaltung des KSCV) der SS beigetreten und zum Brigadeführer (20. April 1935) aufgestiegen. Vor diesem Hintergrund muß seine 1935 an Blunk gerichtete Anfrage gesehen werden, ob der KSCV bereit sei, die Arierbestimmungen uneingeschränkt, d. h. ohne die Ausnahmebestimmungen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, anzuwenden.[13] Blunck blieb bei seinen auf dem Kösener Congress 1935 in Weimar erklärten Vorbehalten und forderte zuletzt am 28. August 1935 telegrafisch von Lammers eine Erklärung Hitlers, dass der Streichung der Ausnahmebestimmungen keine staatspolitischen Bedenken entgegenstünden. Wegen dieser Weigerung, die Arierbestimmungen durchzuführen, schloss Lammers den KSCV am 5. September 1935 telegrafisch aus der Gemeinschaft studentischer Verbände (GStV) aus.[14]
Dies veranlasste Max Blunck am selben Tage, telegrafisch von allen Kösener Corps die Durchführung der Arierbestimmungen zu verlangen. Blunck und Lammers gerieten über einzelne Formulierungen in Streit. Seine nach dem Rücktritt Lammers' von der Führung der GStV (6. September 1935) am 10. September 1935 abgegebene Erklärung entzog Blunck den Rückhalt in Teilen des Corpsstudententums.[15] Ein von ihm selbst unverzüglich angerufenes Ehrengericht stellte keine Verfehlungen fest.
Bedrängt vom Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers, trat Blunck am 10. September 1935 als Führer des KSCV zurück, obwohl ihm noch zwei Tage zuvor von wichtigen AHSC als den Entscheidungsträgern des VAC das Vertrauen in dieser schwierigen Situation ausgesprochen worden war.
Der KSCV wurde am 28. September 1935 suspendiert und verboten. Der Völkische Beobachter kommentierte dies am 3. Oktober 1935: „Mit seinem Verschwinden verliert die Reaktion eine ihrer stärksten Bastionen.“ [16]
Die Londoner Times bemerkte am 15. Oktober 1935 zur Auflösung des Köseners : „Mit hocherhobenen wehenden Fahnen und einer völlig unkompromittierten Tradition ist aus dem öffentlichen Leben Deutschlands, jedoch keinesfalls für immer, das Corpsstudententum herausmarschiert.“[17]
Im November/Dezember verwandte sich Blunck bei Hitler persönlich für seinen Corpsbruder und Kollegen Heinz Rabe, [18] Der mit einer „vierteljüdischen“ Ehefrau verheiratete Anwalt konnte im Vorstand der Rechtsanwaltkammer verbleiben.
Nachfolger Bluncks als Führer des noch bis 1938 fortbestehenden VAC wurde Ernst Schlange (Corps Pomerania Greifswald).
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Blunck als angesehener Rechtsanwalt in Hamburg tätig.[19]
Literatur
- Georg L. Bacmeister: Corps unter dem Nationalsozialismus: z.B. Brunsviga Göttingen. In: Einst und Jetzt Band 45 (2000), S.215-240
- Wolfgang Gottwald: Ein Rückblick. In: Einst und Jetzt Band 41 (1996), S.9-26
- Helmut Heiber: Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP, Band 1, Teil 1, 1983.
- Harald Lönnecker: Die Versammlung der „besseren Nationalsozialisten“? Frankfurt am Main 2003
- Nachruf in: Deutsche Corps Zeitung (DCZ) 2, 59, 1958, S. 49.
- R.G.S. Weber: The German Corps in the Third Reich Verlag Macmillan London, deutsche Ausgabe: Die Deutschen Corps im dritten Reich Köln 1998 ISBN 3-89498-033-8
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Kösener Korpslisten von 1798 bis 1910, 124, 605.
- ↑ Weber: Die deutschen Corps im Dritten Reich a.a.O., S. 132-136
- ↑ Bacmeister, S. 221 ff.
- ↑ Lutz Hachmeister: Schleyer - eine deutsche Geschichte, S. 116, C.H.Beck, München 2004
- ↑ Adolf Lohmann: Chronik des HKSCV 1918-1933. Einst und Jetzt, Bd. 5 (1960), S. 30
- ↑ Biermann war inaktiver Corpsbursche der Corps Suevia München und Suevia Straßburg zu Marburg; Kösener Corpslisten 1960, ?? 1586; Bacmeister, S. 221
- ↑ Bacmeister, S.221 ff.
- ↑ Bacmeister, S.222
- ↑ Harald Lönnecker, S. 29 ff.
- ↑ Nachweise bei Lönnecker, S. 31.
- ↑ Ein Nationalsozialist zieht Konsequenzen, veröffenlicht in Wille und Macht, dem Hausorgan des Reichsjugendführers Baldur von Schirach
- ↑ Hinweis auf Veröffentlichung in Wille und Macht; Otto Köhler: Der dritte Denunziant. in Konkret 9/97 mit Hinweis auf Veröffentlichung unter dem Titel: Corps ohne Maske - Ein Nationalsozialist zieht die Konsequenzen. in: Der Heidelberger Student [1]
- ↑ Bacmeister, S.231.
- ↑ Bacmeister, S.231
- ↑ Bacmeister, S.232.
- ↑ Zitiert nach Hans Peter Hümmer: Erlangen - ein frühes Zentrum des NS-Studentenbundes. In: Einst und Jetzt Band 45 (2000), S.177-214 Fußnote 145
- ↑ Zitiert nach Gottwald, S.13
- ↑ Rezipiert bei Franconia 1908 (KCL 1910, 124, 609); Heiber, S. 136
- ↑ Ehrenmitglied im Harvestehuder Tennis und Hockey Club
Personendaten | |
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NAME | Blunck, Max |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Rechtsanwalt |
STERBEDATUM | 1957 |