Der Sandmann (Hoffmann)
Der Sandmann ist eine Novelle von E. T. A. Hoffmann, die erstmals 1817 gedruckt wurde. Der Roman bietet viele Deutungsansätze, so dass hier besonders das Nachwort der Reclam Ausgabe Beachtung finden sollte: "..., dass die Zahl der Deutungen in den letzten Jahren ein derartiges Ausmaß erreicht hat, dass die Interpretation des Sandmanns wie eine literaturwissenschaftliche Spezialdisziplin anmutet, an der Vertreter aller methodischen Richtungen teilhaben"
E. T. A. Hoffmann verfasste dieses Werk vor dem historischen Hintergrund der Französischen Revolution.
Handelnde Personen
- Nathanael, (Das Gottesgeschenk) Narzistisch veranlagter Protagonist mit manischem Sendungsbewusstsein.
- Klara, (Die Klare) Nathanaels Verlobte mit ruhigem, besonnenen aber dennoch heiteren Gemüt
- Coppelius, (Kopulieren) Furchteinflößender, großer und unförmiger Kerl, welcher Nathanael und den Geschwistern in der Kindheit die Lebensfreude verdirbt.
- Coppola, (ital. Augenhöhle) Ital. Händler, in dem Nathanael Coppelius wieder erkennt.
- Olimpia, (Liebe) 'Tochter' von Nathanaels Professor, die sich später als Roboter erweist und ein Grund für Nathanaels Wahnsinn ist.
- Siegmund, (Schutz) Versucht als Freund Nathanael vor dem Unglück zu bewahren.
- Lothar, Bruder Klaras und Freund Nathanaels
- Nathanaels Vater, macht in Nathanaels Kindheit alchemistische Versuche und kommt dabei ums Leben.
Inhalt

Der Student Nathanael schreibt an seinen Freund Lothar einen Brief, in dem er ihm erzählt, dass er den Advokaten Coppelius wieder getroffen habe. Diesen hält er für den Sandmann, eine ihm Furcht einflößende Gestalt, der mit seinem Vater heimlich Experimente durchführt. In der letzten Nacht der Forschungsarbeiten kommt Nathanaels Vater bei einer Explosion während eines Versuches ums Leben. Coppelius bleibt fortan verschwunden, bis ihn Nathanael eines Tages in dem Wetterglashändler Coppola glaubt wiederzuerkennen, den er sofort hinauswirft. Seine geliebte Verlobte und Lothars Schwester Klara, die den Brief zufällig öffnet und liest, hält seine Erinnerungen für Wahnvorstellungen und rät ihm, Coppelius aus seinen Gedanken zu verbannen.
In einem weiteren Brief an Lothar bittet Nathanael ihn, nicht mehr mit Klara über seine Probleme zu sprechen. Er berichtet ihm außerdem, dass er sich in der Identität Coppolas geirrt habe und es wohl nicht Coppelius sei, da er einen recht ausgeprägten Akzent besitze und Coppelius Deutscher gewesen sei. Des Weiteren erzählt er ihm von Spalanzani, einem italienischen Physiker und Dozent an der Universität, an der er studiert, und von dessen häufig eingesperrter "Tochter" Olimpia, die ihm merkwürdig, aber nicht unsympathisch vorkommt.
Der fiktive Erzähler spricht im Anschluß an die drei einleitenden Briefe direkt zum Leser: Er berichte ihm, dass Nathanael ein Freund von ihm sei und dass er so von dessen Schicksal erfahren habe. Er gibt verschiedene Anfänge an, wie er die Geschichte beginnen hätte können, kommt dann jedoch zum Schluss, dass nur die Briefe am besten geeignet seien, dem Leser die Tragik Nathanaels Schicksal näher zu bringen. Er berichtet außerdem von Nathanaels Lebenssituation und beschreibt Klara, zu der er keine neutrale Position einnimmt.
Nathanael verändert sich nun sehr stark: Er versinkt in düstere Träume und glaubt, dass das Leben von einer höheren Macht bestimmt werde, was Klara sehr zuwider ist, besonders als Nathanael Coppelius als das böse Prinzip betrachtet, dass das Liebesglück der Beiden störe. Nathanael versinkt immer stärker in seiner Gedankenwelt und beginnt über Coppelius und Klaras Augen zu fantasieren. Zuletzt bezeichnet er sie als "leblosen Automat" und läuft davon. Lothar, der auf Klara trifft und durch dessen respektloses Verhalten gegenüber Klara erzürnt ist, fordert Nathanael zum Duell, welches Klara gerade noch verhindern kann.
Als Nathanael eines Tages in seine Wohnung zurückkehrt, ist das Haus, in dem er eine Wohnung gehabt hat, abgebrannt. Ein Feuer war in der darunterliegenden Apotheke ausgebrochen (Bezug zu den alchimisitischen Versuchen des Vaters denkbar) und hatte sich weiter ausgebreitet. Sein Hab und Gut konnte jedoch in ein neues Haus gerettet werden, das nun direkt Olimpias und Spalanzanis Haus gegenüberliegt. Ihm fällt auf, dass sie die ganze Zeit ohne etwas anderes zu tun zu ihm hinübersieht. Er findet sie hübsch und muss sich eingestehen, dass er keine "von schönerem Wuchs" gesehen hat. Völlig überraschend besucht ihn Coppola welchem er aus Verlegenheit des zuvorgegangenen Rauswurfes eines seiner Perspektive abkauft, mit dem er sogleich Olimpias Schönheit und ihre toten Augen bewundert. Als Coppola wieder verschwindet, bekommt Nathanael das seltsame Gefühl, als ob er für das Fernglas, ausgelöst durch das unheimliche Lachen im Treppenhaus, zu viel bezahlt habe(mit seinem Leben?!). An den folgenden Tagen kann er nicht mehr von Olimpia lassen und beobachtet sie die ganze Zeit durch das Perspektiv. Seine "herzgeliebte" Klara und Lothar sind ihm wie entfallen und er würdigt ihnen keinen einzigen Gedanken mehr.
Als er erfährt, dass Spalanzani plant, ein Fest zu geben, auf dem er seine Tochter das erste Mal der Öffentlichkeit vorstellen will, ist Nathanael hoch erfreut. Auf diesem Ball beobachtet er sie weiter und wird noch stärker in ihren Bann gezogen. Allen anderen erscheint Olimpia sehr "mechanisch", leblos und fast zu perfekt. Er verliert die letzten Zweifel seiner Liebe zu ihr und küsst sie. Die beiden unterhalten sich kaum, da Olimpia Nathanael immer nur mit „Ach, Ach!“ antwortet, was Nathanael als sehr poetisches und tiefgründiges Gemüt interpretiert. Als Nathanael Anspielungen gegenüber Spalanzani macht, sie heiraten zu wollen, gibt ihm dieser zu verstehen, dass er ihr völlig freie Wahl lassen werde. Daraufhin beschließt er Olimpia schon am nächsten Morgen einen Heiratsantrag machen zu wollen. Als er dann zu Spalanzanis Haus kommt, platzt er mitten in einen Kampf Coppolas und Spalanzanis um eine Holzpuppe. Als Nathanael erkennt, dass die Holzpuppe Olimpia und Coppola Coppelius zu sein scheint, versucht er Spalanzani zu erwürgen, was ihm wegen der herbeigeeilten Menschen nicht gelingt; Coppola jedoch kann fliehen.
Der Erzähler spricht erneut zum Leser und berichtet, dass Spalanzani die Universität verlassen muss, da er "die Menschheit mit der mechanischen Puppe" betrogen hat. Coppola bleibt (abermals) verschwunden.
Nathanael scheint vom Wahnsinn befreit und plant Klara zu heiraten und mit ihr aufs Land zu ziehen. Bei einem abschließenden Einkauf in der Stadt zur Mittagsstunde (=Geisterstunde?) steigen Nathanael und Klara auf den Ratsturm um die Aussicht noch ein letztes Mal zu genießen. Oben angekommen macht Klara Nathanael auf einen sich nähernden grauen Busch aufmerksam, woraufhin dieser "mechanisch" in seine Seitentasche greift und das Perspektiv des Coppola erfasst. Als er durch dieses blickt, scheint er erneut vom Wahnsinn befallen zu werden: Er hält auch Klara für eine Holzpuppe und will sie den Turm hinunterstürzen. Lothar kann sie gerade noch retten, da erblickt Nathanael Coppelius, der in einer versammelten Menschenmenge am Fuße des Turmes steht. Mit den Worten "Ha! Sköne Oke - Sköne Oke", mit denen auch der Wetterglashändler Coppola seine Perspektive angeboten hat, stürzt er sich in den Tod. Coppelius verschwindet in der Menge und Klara soll später mit einem Mann und zwei Kindern glücklich geworden sein.
Deutungsansätze
In drei anfänglichen Briefen, die in dieser Novelle - ähnlich der Exposition in einem Drama - die Sachlage darstellen, werden zunächst die Figuren und der Konflikt verdeutlicht. Es wird weiterhin der psychische Konflikt der Hauptfigur Nathanael dargestellt, der zwischen Wahnvorstellungen und Realität hin- und her gerissen ist. Nathanael kämpft sein ganzes Leben gegen posttraumatische Angstzustände an, die aus einem traumatischen Kindheitserlebnis mit dem Sandmann herrühren. Es bleibt bis zum Ende des Buches offen, ob sich dieses Ereignis wirklich begeben hat, oder ob es nur ein Traum des jungen Nathanaels war. Deutlich lässt der Text die Entscheidung offen, indem er selbst durch die beiden Figuren Nathanael und Klara zwei Verständnisansätze bietet: Während Nathanael glaubt, von einer dunklen Macht geführt und kontrolliert zu werden ("immer sprach er davon, wie jeder Mensch, sich frei wähnend, nur dunklen Mächten zum grausamen Spiel diene, vergeblich lehne man sich dagegen auf, demütig müsse man sich dem fügen, was das Schicksal verhängt habe"), so vermutet Klara (zusammen mit Lothar) hingegen früh eine psychische Angelegenheit ("Gerade heraus will ich es dir nur gestehen, dass, wie ich meine, alles Entsetzliche und Schreckliche, wovon du sprichst, nur in deinem Innern vorging, die wahre wirkliche Außenwelt aber daran wohl wenig teilhatte"). Die Novelle ist demnach teilweise eine subjektive Beschreibung der Vorgänge aus Nathanaels Sicht, die aufgrund vielleicht vorhandener, enormer psychologischer Probleme wahrscheinlich nicht der objektiven Realität entspricht, oder teilweise auch objektiv geschildert, wobei die Entscheidung nicht eindeutig zu fällen ist.
So scheint der Interpretationsansatz aus der Sicht 'Aufklärung' gegen 'Romantik' Sinn zu machen, wobei Klara die Aufklärung und Nathanael die Romantik vertritt.
Besondere Beachtung sollte man in einer Interpretation den Begriffen 'Augen' und 'Feuer' schenken.
Sonstiges
Die Erzählung "Der Sandmann" hat im Zweiten Akt der Oper Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach Eingang gefunden.