Gestalt
Gestalt meint umgangssprachlich die äussere Form, den Umriss, Wuchs oder die Erscheinung von Gegenständen und Lebewesen. Literarisch wird Gestalt auch als Synonym für Person eingesetzt ( meistens abwertend "...dunkle Gestalten schlichen durch die Nacht..., ...eine traurige Gestalt kam auf ihn zu...").
Philosophie
Die Untersuchung der Beziehungen zwischen Gestalt (Griechisch: μoρφη: Form), Wirklichkeit und Wahrnehmung war zu allen Zeiten ein zentrales Anliegen der Philosophie (Beispiel: Platons Höhlengleichnis).
Psychologie
Gestalt ist ein häufig gebrauchter Ausdruck der "alten" Gestaltpsychologie vor allem im deutschsprachigen Raum. Eine wissenschaftlich einigermaßen akzeptable Definition von "Gestalt" gibt es nicht. Meist wird der Ausdruck im umgangssprachlichen Sinne von "Form" verwendet. Wolfgang Metzger (1966, S. 697) schreibt, dass schon für Max Wertheimer Gestalt mit Form, nicht aber mit Figur ("Zusammengefaßtheit") identisch ist: "...daß Gestalt bzw. Form eine Sekundärkategorie ist, der als Primärkategorie die Zusammengefaßtheit bzw. die Ausgegrenztheit vorausgeht" Die Form wird damit als eine Besonderung der Figur aufgefasst, was in die damaligen Theorien aber keinen Eingang fand.
Friedrich Sander (1928) versuchte in seinem viel beachteten Sammelreferat über Gestaltpsychologie eine Definition, indem er die Gestalt als eine "gegliederte Ganzheit" bezeichnete. Da er an einem Kreis und einer Geraden jedoch keine Gliederung fand, sprach er in diesen Fällen von "fließender Gliederung" und Volkelt von "Gliedverschliffenheit". Damit verstießen beide jedoch gegen das Prinzip aller Gestalt- und Ganzheitspsychologen, nach dem der Phänomenologie das Primat bei der wissenschaftlichen Bearbeitung des Erlebens zukommen muss; von einem Fließen und von Schleifspuren ist bei Kreis und Geraden aber nichts zu sehen. Sander hat in besonderem Maße zur wissenschaftlichen Bedeutungslosigkeit des Wortes Gestalt beigetragen, so verwendete er als dessen Synonome nicht nur die Wörter Form, Figur und Gebilde, sondern auch Sinneserfahrung, Produktion, Einheit, Organisation, Struktur und andere, und niemand beanstandete es.
In der Neuen Gestaltpsychologie kommt das Wort "Gestalt" nicht als Substantiv vor, sondern nur in zusammengesetzten Wörtern wie Gestaltwahrnehmung, Gestaltfaktor, Gestaltfunktion, Gestaltqualität, Gestaltgesetz, Gestaltpsychologie, die mit Hilfe genauer Definitionen klare wissenschaftliche Begriffe darstellen. Figur und Form werden als zwei verschiedene Wahrnehmungsgegebenheiten von unterschiedlicher und aufeinander folgender Ontogenese aufgefasst.
Literatur
- Lothar Kleine-Horst: Evolutionär-psychologische Theorie des Sehens. Auftakt zu einem neuen wissenschaftlichen Weltbild. Köln 1992 ISBN 3-928955-40-3
- Wolfgang Metzger: Psychologie. Die Entwicklung ihrer Grundannahmen seit der Einführung des Experiments.Darmstadt 1954
- Wolfgang Metzger: Figural-Wahrnehmung In: Metzger W (Hrsg) Handbuch der Psychologie, 1. Allgemeine Psychologie I, 1. Halbband: Wahrnehmung und Bewußtsein. Hogrefe, Göttingen 1966. S. 693-744
- Friedrich Sander: Experimentelle Ergebnisse der Gestaltpsychologie. In: Bericht über den 10. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Bonn 1927. Jena 1928, 23-87
Weblinks
Siehe auch
Gestalttherapie, Gestalttheorie, Aktualgenese, Buchstabendreher