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Gailingen am Hochrhein

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Wappen Deutschlandkarte
Gailingen am Hochrhein
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Gailingen am Hochrhein hervorgehoben
Basisdaten
Koordinaten: 47° 42′ N, 8° 45′ OKoordinaten: 47° 42′ N, 8° 45′ O
Bundesland: Baden-Württemberg
Regierungsbezirk: Freiburg
Landkreis: Konstanz
Höhe: 469 m ü. NHN
Fläche: 13,18 km2
Einwohner: 3002 (31. Dez. 2023)[1]
Bevölkerungsdichte: 228 Einwohner je km2
Postleitzahl: 78262
Vorwahl: 07734
Kfz-Kennzeichen: KN, STO
Gemeindeschlüssel: 08 3 35 026
Adresse der
Gemeindeverwaltung:
Hauptstraße 7
78262 Gailingen am Hochrhein
Website: www.gailingen.de
Bürgermeister: Heinz Brennenstuhl

Gailingen am Hochrhein ist eine Gemeinde im Landkreis Konstanz in Baden-Württemberg. Gailingen ist ein staatlich anerkannter Erholungsort.

Datei:GailingenHrh.jpg
Gailingen mit der Pfarrkirche St. Dionysius

Geographie

Gailingen liegt zwischen 400 m (Rheinufer) und 630 Metern (Rauhenberg) über Normalnull. Der Dorfkern liegt auf einer alten Flussterrasse des Rheins und erstreckt sich über weite Teile des Südhangs des Rauhenbergs, auf dem noch Reste der auch „Bürgli-Schloss“ genannten frühen Burg Rauhenberg zu finden sind.

Nachbargemeinden

Die Gemeinde grenzt im Norden an das zur Gemeinde Gottmadingen gehörende Dorf Randegg, im Osten an die Schweizer Gemeinden Buch und Ramsen im Kanton Schaffhausen, im Süden an die Stadt Diessenhofen im Kanton Thurgau und im Westen an Dörflingen im Kanton Schaffhausen. Nach einem 800 Meter breiten Stück Schweizer Territoriums wird im Westen außerdem die Gemarkung der deutschen Exklave Büsingen erreicht, das auf halbem Weg nach Schaffhausen liegt.

Gemeindegliederung

Zur Gemeinde Gailingen am Hochrhein gehören das Dorf Gailingen, der Weiler Obergailingen und die Häuser Lochmühle, Rheinburg und Rheinhalde und Strandweg. Im Gemeindegebiet liegen die abgegangenen Ortschaften Aufhofen, Gaishütte und Hofstetten.[2]

Geschichte

Gailingen wurde erstmals im Jahre 965 urkundlich erwähnt. Der Name geht auf einen alemannischen Sippenführer Gailo zurück, der den Ort wohl im 5. Jahrhundert begründet hat. Der Ort gehörte zunächst den Herren von Gailingen, den vermutlichen Erbauern des Bürglischlosses, ehe er 1465 unter Landeshoheit der Habsburger kam. Im Rahmen der Gebietsveränderungen durch den Reichsdeputationshauptschluss fiel die Gemeinde 1806 an das Großherzogtum Baden.

Religionen

Jüdischer Friedhof in Gailingen

Eine Besonderheit Gailingens war jahrhundertelang der hohe jüdische Bevölkerungsanteil. Nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs war den ersten Juden 1657 die Ansiedlung erlaubt worden, die zwei Jahrzehnte später die mildtätige Bruderschaft Chewra Kadischa gründeten und mit der Anlage eines bis heute gut erhaltenen jüdischen Friedhofes begannen. 1830 weihte man in Gailingen, das von 1827 bis 1925 der Sitz eines Bezirksrabbinates war, eine Synagoge ein, die bis zur Reichspogromnacht 1938 Bestand hatte; gesprengt wurde sie am 10. November wie auch die Synagogen von Konstanz, Wangen und Gottmadingen durch die SS-Verfügungstruppe III./'Germania' aus Radolfzell. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Hälfte der Einwohner des Ortes jüdische Bürger (1862 990 gegenüber 982 Christen), und 1870 bis 1884 hatte die Gesamtgemeinde einen jüdischen Bürgermeister, Leopold Guggenheim. Gailingen war damals nicht nur die zweitgrößte Gemeinde im Nellenburgischen Hegau (nach Stockach und noch vor Radolfzell und Singen), sondern besaß auch eine der größten israelitischen Gemeinden Badens. Das Gemeindeleben mit unter der Leitung berühmter Rabbiner und Lehrer geschaffenen religiösen und sozialen Einrichtungen (Rat- und Schulhaus, zentrale Wasserversorgung, Krankenhaus, Altersheim) galt bis zur unrühmlichen Zeit der Naziherrschaft als mustergültig. [3][4]

Politik

Gailingen bildet mit Büsingen am Hochrhein und Gottmadingen eine Vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft.

Bürgermeister

  • 1870-1884: Leopold Guggenheim
  • seit 1986: Heinz Brennenstuhl

Gemeinderat

Die Gemeinderatswahl am 13. Juni 2004 brachte folgendes Ergebnis:

  • FWG 50,2 % (−4,8) – 5 Sitze (−1)
  • CDU/UWG 49,8 % (+4,8) – 5 Sitze (−1)

Partnergemeinde

Wirtschaft und Infrastruktur

Seit 1950 existieren die Schmieder-Kliniken, seit 1972 das Jugendwerk - beides neurologische Rehabilitationszentren (das Jugendwerk für Kinder und Jugendliche).

Seit 1977 ist die Gemeinde als Erholungsort staatlich anerkannt.

Bildung

Die Gemeinde verfügt mit der Hochrheinschule Gailingen über eine Grund- und Hauptschule.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bauwerke

Turm der St.-Dionysius-Kirche

Wichtige Bauwerke in Gailingen sind die katholische St. Dionysius-Kirche, die Nikolaus-Kapelle aus dem 12. Jahrhundert in Obergailingen, das Bürgerhaus (früher das jüdische Schulhaus) mit dem angrenzenden Synagogen-Gedenkplatz, der jüdische Friedhof aus dem 18. Jahrhundert, das Liebenfelsische Schlösschen von 1750, die Villa Rheinburg, mehrere historische Weintrotten sowie die Holzbrücke über den Rhein hinüber zur schweizerischen Stadt Diessenhofen.

Gedenkstätten

Auf dem Jüdischen Friedhof unterhalb des Bürgli-Schlosses erinnert seit 1948 ein Gedenkstein an die Gailinger Juden, die 1940 ins KZ Gurs deportiert wurden und der Shoa zum Opfer fielen. Am Synagogenplatz gedenkt die Bürgerschaft seit 1976 mit Gedenkstein und Gedenktafel der 1938 vernichteten Synagoge der jüdischen Gemeinde. Der Jüdische Friedhof wurde etwa 1650 angelegt (ältester Grabstein datiert von 1695; letzte Beisetzung 1980( und wird auch heute noch belegt, er zählt an die 1.244 Grabsteine [5]

Bürgerhaus Gailingen (Ehemaliges jüdische Schul- und Gemeindehaus Gailingen), Zentrum jüdischer Geschichte und Kultur am Bodensee und Hochrhein, Ramsenerstr. 10 in Gailingen am Hochrhein. [6]

Natur

Der Rhein bei Gailingen

Neben der schönen Umgebung und der Nähe zur Schweiz locken im Sommer vor allem das Rhein-Strandbad und die Schifffahrt. Außerdem wird an den Südhängen in Gailingen auf rund 18 Hektar Wein angebaut. Der Abschnitt des Hochrheins, an dem Gailingen liegt - Auslauf aus dem Bodensee (Untersee) bis zum Rheinfall bei Schaffhausen - zählt zu den schönsten Flussläufen Europas.

Hoch über dem Dorf befindet sich der Aussichtspunkt Bürglischloss mit dem 1998 erstellten Aussichtsturm. Bei guter Fernsicht sieht man von Vorarlberg bis zu den Berner Alpen.

Literatur

  • Naftali Bar, Giora Bamberger: Der jüdische Friedhof in Gailingen / Bet ha-ḳevarot ha-Yehudi be-Gailingen, Memor-Buch, 2 Bände. Gemeinde Gailingen, Verein für die Erhaltung des Jüdischen Friedhofes in Gailingen, Gailingen / Zürich 1994 (in deutsch, Grabinschriften in deutsch und hebräisch, 1889 Fotos aller Grabsteine, Abschrift und Übersetzung deren Inschriften, Belegungsplan und -liste. Kongressbibliothek-Kat.-Nr.: 93117120 - ohne ISBN).
  • Die Gailinger Juden. Materialien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Gailingen aus ihrer Blütezeit und den Jahren der gewaltsamen Auflösung. In: Eckhardt Friedrich, Dagmar Schmieder-Friedrich (Hrsg.): Schriftenreihe des Arbeitskreises für Regionalgeschichte e.V., Nummer 3. Arbeitskreis für Regionalgeschichte, Konstanz 1981, ISBN 3-923215-02-9.
  • Detlef Girres: Auf den Spuren des jüdischen Gailingen. In: Alfred Georg Frei, Jens Runge (Hrsg.): Erinnern. Bedenken. Lernen. Das Schicksal von Juden, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen zwischen Hochrhein und Bodensee in den Jahren 1933 bis 1945 (aus der Reihe: Hegau Bibliothek Band 69). 2. Auflage. Thorbecke, Stuttgart 2001 (1. Auflage Sigmaringen 1990), ISBN 978-3-7995-4127-5.
  • Regina Schmid: Verlorene Heimat. Gailingen – ein Dorf und seine jüdische Gemeinde in der Weimarer Zeit. In: Schriftenreihe des Arbeitskreises für Regionalgeschichte e.V., Nummer 7). Konstanz 1988, ISBN 3-7977-0217-5.
  • Gailingen – Geschichte einer Hochrheingemeinde. In: Walter Wolf - im Auftrag der Gemeinde Gailingen in Verbund mit dem Hegau-Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): Hegau Bibliothek Band 98. Gulde Druck, Tübingen, ISBN 3-921413-93-1.
Commons: Gailingen am Hochrhein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg – Bevölkerung nach Nationalität und Geschlecht am 31. Dezember 2023 (Fortschreibung auf Basis des Zensus 2022) (Hilfe dazu).
  2. Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band VI: Regierungsbezirk Freiburg Kohlhammer, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007174-2. S. 731–732
  3. Alemannia Judaica: Bürgerhaus Gailingen - ein Zentrum der jüdischen Geschichte und Kultur am Hochrhein und Bodensee
  4. Singener Wochenblatt, Zeiten im Landkreis Konstanz: Entstehung, Blüte und gewaltsames Ende der Gailinger Judengemeinde
  5. Naftali Bar, Giora Bamberger: Der jüdische Friedhof in Gailingen / Bet ha-ḳevarot ha-Yehudi be-Gailingen, Memor-Buch, 2 Bände. Gemeinde Gailingen, Verein für die Erhaltung des Jüdischen Friedhofes in Gailingen, 1994.
  6. Bürgerhaus Gailingen. Abgerufen am 16. September 2009.