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Verordnung gegen Volksschädlinge

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Die Verordnung gegen Volksschädlinge, gemeinhin als Volksschädlingsverordnung bezeichnet, gehört zu den nicht einmal in Gesetzesform, sondern nur als Verordnung erlassenen strafrechtlichen Bestimmungen, mit denen der NS-Staat das Deutsche Volk unter den Bedingungen des 2. Weltkriegs totalitär regiert hat. Sie diente der Verhinderung von Plünderungen, richtete sich gegen Delikte, die unter Ausnutzung der Verdunkelung begangen wurden, und gegen "gemeingefährliche Verbrechen". Die meisten der während des 2.Weltkrieges von zivilen Gerichten verhängten rund 15 500 Todesurteile waren hierauf gestützt, wobei die Rechtsprechung großzügigsten und willkürlichen Gebrauch der ihr hierdurch eröffneten Möglichkeiten machte. Exemplarisch ist der Fall Leo Katzenberger.

Zu diesen Kriegs-"Gesetzen" zählt auch die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939, die Verordnung zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes vom 25. November 1939, mit der u.a. der verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen unter Strafe gestellt wurde, die Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939 sowie die bereits zu Friedenszeiten, nämlich am 26. August 1938 verabschiedete, jedoch erst am 26. August 1939 veröffentlichte Kriegssonderstrafrechtsverordnung.

Text

Die vom Ministerrat für die Reichsverteidigung beschlossene Verordnung stammt vom 5. September 1939 und sah folgendes vor:

§ 1
Plündungen im frei gemachten Gebiet
(1) Wer im frei gemachten Gebiet oder in freiwillig geräumten Gebäuden oder Räumen plündert, wird mit dem Tode bestraft.
(2) Die Aburteilung erfolgt, soweit nicht die Feldkriegsgerichte zuständig sind, durch die Sondergerichte.
(3) Die Todesstrafe kann durch Erhängen vollzogen werden.

§ 2
Verbrechen bei Fliegergefahr
Wer unter Ausnutzung der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Maßnahmen ein Verbrechen oder Vergehen gegen Leib, Leben oder Eigentum begeht, wird mit Zuchthaus bis zu 15 Jahren oder mit lebenslangem Zuchthaus, in besonders schweren Fällen mit dem Tode bestraft.

§ 3
Gemeingefährliche Verbrechen
Wer eine Brandstiftung oder ein sonstiges gemeingefährliches Verbrechen begeht und dadurch die Widerstandskraft des deutschen Volkes schädigt, wird mit dem Tode bestraft.

§ 4
Ausnutzung des Kriegszustandes als Strafschärfung
Wer vorsätzlich unter Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse eine sonstige Straftat begeht, wird unter Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens mit Zuchthaus bis zu 15 Jahren, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit dem Tode bestraft, wenn dies das gesunde Volksempfinden wegen der besonderen Verwerflichkeit der Straftat erfordert.

Literatur

  • Martin Hirsch, Diemut Majer, Jürgen Meinck, Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1984, S. 456 ff mit Texten der genannten Vorschriften, Rechtsprechungsbeispielen und Kommentierung.